Law Lounge

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Die Anwaltschaft in Thailand feiert dieses Jahr ihren 100. Geburtstag und ist damit eine der ältesten organisierten Berufsstände des Landes. Wir gratulieren „recht“ herzlich und wollen diesen Geburtstag nutzen, um einmal die Geschichte der Anwaltschaft darzulegen.

Der Begriff „Rechtsanwalt“ wurde zum ersten Mal im Jahre 1813 schriftlich in der ersten Zivilprozessordnung erwähnt. Damals gab es noch keine Juristenausbildung, und man bezeichnete Personen, welche über gute rhetorische Fähigkeiten verfügten und damit in der Lage waren, ihren Mandanten vor einer Verurteilung zu bewahren, als „Rechtsanwalt“. Schon damals galt auch in Thailand, dass das Wort die schärfste Waffe eines Anwalts ist.

Es ist allgemein bekannt, dass Thailand nie kolonialisiert wurde, und Errungenschaften in Sachen Verwaltung aus dem Westen durch diverse Mitglieder des thailändischen Königshauses nach längeren Auslandsaufenthalten nach Thailand gebracht wurden. Um ein Rechtssystem aufzubauen, wurde im Jahr 1897 die erste juristische Fakultät im Speisesaal des damaligen Justizministers gegründet. Warum ausgerechnet der Speisesaal als Ausbildungsstätte gewählt wurde, konnte trotz intensivem Studium der alten Schriften nicht in Erfahrung gebracht werden, aber es war wohl der größte Raum, welcher sich am besten als Vorlesungssaal eignete, und Juristen waren schon immer gesellige Menschen, welche einem guten Essen nicht abgeneigt sind.

Regelung einheitlicher Standards

Im Jahr 1914 gründete König Rama VI. die Rechtsanwaltskammer durch den Erlass der Rechtsanwaltsordnung, um den Berufsstand des Rechtsanwalts zu regeln und einheitliche Standards einzuführen. Zu dieser Zeit gab es zwei Arten von Rechtsanwälten. Zum einen diejenigen, welche ein juristisches Studium abgeschlossen hatten und mit der Zulassung zum Anwalt berechtigt waren, in ganz Thailand Fälle zu verhandeln. In die zweite Kategorie fielen die bis dahin aktiven rechtserfahrenen, aber nicht studierten Personen, welche schon vor Gründung der Rechtsanwaltskammer aktiv waren. Diese durften ab 1914 jedoch nur noch an bestimmten Gerichten tätig werden.

Die Anwaltszulassungen wurden nicht wie in westlichen Ländern auf unbestimmte Zeit erteilt, sondern hatten eine Laufzeit von immer nur einem Jahr. Es dauerte nicht lange, bis im Jahr 1930 die erste Rechtsanwältin ihre Zulassung erhielt. 1938 wurde die Beschwerdeabteilung eingerichtet, um der Rechtsanwaltskammer Verfehlungen von Rechtsanwälten mitzuteilen. Am 20. Februar 1957 wurde schließlich der Anwaltsverein als unabhängige Organisation gegründet. Die Aufgaben des Anwaltsvereins sind die Interessenwahrnehmung des Berufstandes der Anwälte sowie die Selbstverwaltung von Sozialversicherungssystemen für die Anwälte. Der Anwaltsverein hat zudem einen eigenen Feiertag, welcher sinnigerweise am 20. Februar 2014 begangen wurde, um die Wichtigkeit der Zunft der Anwälte im täglichen Leben zu würdigen. Im Zeitraum von 1957 bis 2001 wurde im Wesentlichen nur die Rechtsanwaltsordnung in regelmäßigen Abständen geändert. Dies waren überwiegend verwaltungsrechtliche Verfahren, welche hier nicht von Bedeutung sind.

Umweltschutz - mehr Theorie als Praxis

Einen neuen Schwung an Aktivität bewies die Rechtsanwaltskammer zu Beginn des Jahrtausends mit der Schaffung des ersten Fachanwaltskurses und dies interessanterweise in Sachen „Umweltrecht“. Es mag manchmal schwerfallen zu glauben, dass sich das Umweltbewusstsein in diesem Land spürbar zum Positiven ändert. Dies mag für die Praxis gelten. In der Theorie hingegen gibt es zahlreiche gute Gesetzesvorschläge, welche sich um besseren Umweltschutz bemühen. Leider haben diese Gesetzesvorschläge keine Mehrheit im Parlament, trotz einer aktiven Gruppe von Rechtsanwälten, welche sich das Thema Umweltschutz auf die Fahnen geschrieben haben. Hilfreich mag dabei die im Jahr 2010 erfolgte königliche Auszeichnung sein, welche bewirkte, dass die Rechtsanwaltskammer seit nunmehr vier Jahren unter der königlichen Schirmherrschaft steht. Seit Beginn dieses Jahres hat die Rechtsanwaltskammer 32 Trainingsprogramme mit Hinblick auf die bevorstehende asiatische Wirtschaftsvereinigung (ASEAN) eingerichtet. Diese sollen in Kürze als Fachanwaltslehrgänge ausgebaut werden, da man auch in Thailand erkannt hat, dass die traditionelle Juris­tenausbildung als Generalist heute nicht mehr tragfähig ist. Anstelle von Generalisten braucht man Spezialisten.

Was würden wir nun in die „Geburtstagskarte“ an die Rechtsanwaltskammer schreiben? Ein „weiter so!“? Mit Blick auf die Entwicklung der letzten Jahre würden wir dies mit „Ja“ beantworten. Zu wünschen wäre jedoch auch die Besinnung auf eine verstärkte Inte­ressenvertretung der Mitglieder sowie der notwendige Weitblick in einer sich wandelnden Welt und der damit verbundene Abschied von zum Teil nicht mehr zeitgemäßen Handhabungen. Schließlich wäre es wünschenswert, eine wesentlich stärkere Rolle während der Schaffung von Gesetzesvorlagen zu übernehmen, um ausgewogene und vernünftige Gesetze zu schaffen. Schließlich sollten auch Randgruppen und Interessenvereinigungen, welche keine starke Lobby haben, in den Genuss von positiven Änderungen kommen, welche von Vertretern der Rechtsanwaltskammer ernst genommen werden müssen. Damit wurde die letzte Kerze auf dem Geburtstagskuchen ausgeblasen, und die Zeit der Wünsche ist vorbei. Deshalb hoffen wir auf gutes Gelingen der Arbeit der Rechtsanwaltskammer für die nächsten 25 Jahre.

Über den Autor dieser Kolumne

Der deutsche Rechtsanwalt Markus Klemm, zugelassen am Landgericht Stuttgart, schreibt die FARANG-Rechtsberatungs-Kolumne. Zusammen mit Amnat Thiengtham ist er gleichberechtigter Geschäftsführer der Kanzlei Asia LawWorks an der Thepprasit Road in Pattaya, welche auf der Anwaltsliste der deutschen Botschaft aufgeführt ist. Immer wieder geraten Residenten in Streitangelegenheiten mit rechtlichen Folgen. DER FARANG möchte mit dieser Kolumne aufklären, um das Leben in Thailand leichter zu gestalten. Die Law Lounge-Kolumne ersetzt jedoch keine persönliche Beratung. Ebenfalls erfolgt keine Rechtsberatung per Telefon!

Rechtsanwalt Klemm kann per E-Mail: talk2us@asialawworks.com oder telefonisch unter +66 38 411 591 kontaktiert werden.

Quelle: Foto: vege / Fotolia.com

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