Lauter Online-Rebell wird zum armen Exzentriker

Kim Dotcom sieht sich als Opfer einer Hetzjagd

AUCKLAND: Beim umstrittenen Internetunternehmer Kim Dotcom läuft es nicht mehr rund: Geld und Frau sind angeblich weg - und nun könnte er auch noch wieder ins Gefängnis wandern.

Kim Dotcoms Profilbild bei Twitter spricht Bände: Frech und leicht aggressiv starrt er in die Kamera, mit dicken Fingern zeigt er direkt auf den Leser. Immer schludrig in schwarz gekleidet, mit kurzer Stoppelhaarfrisur und selten um einen markigen Spruch verlegen ist der schwergewichtige Dotcom nicht gerade der typische Sympathieträger. Schamlos und großmäulig sein, protzen bis zum Abwinken war immer seine Masche. Trotzdem kam er in Neuseeland an. Bis jetzt. Doch ist er in knapp drei Jahren vom selbsternannten Robin Hood der Internet-Freiheit zum argwöhnisch beäugten Exzentriker geworden.

Der einst als Multimillionär bekannte Dotcom kämpft um seine Zukunft: Das Geld sei ihm ausgegangen, sagt er, und nun wollen Ankläger ihn auch noch hinter Gitter bringen. Die Amerikaner wollen ihm den Prozess wegen Betrugs machen und haben seine Auslieferung beantragt. Die Neuseeländer sehen Fluchtgefahr und wollen ihn jetzt bis zum Auslieferungsverfahren einbuchten. Die Entscheidung fällt wahrscheinlich nächste Woche.

Angefangen hatte sein Ruhm in Neuseeland Anfang 2012 mit einer spektakulären Razzia auf seinem Anwesen. Die Polizei schwebte mit Hubschraubern und Dutzenden Beamten ein und holte Dotcom aus einem verbarrikadierten Sicherheitsraum. Auf Antrag der US-Ankläger beschlagnahmten die Neuseeländer Luxusautos, Gemälde, Bargeld und Schmuck. Dotcom kam für ein paar Wochen in Untersuchungshaft.

Viele fanden den Einsatz in Hollywood-Manier übertrieben, Dotcom gewann Sympathien. Neuseeländer klatschten Beifall, als Gerichte übermäßige Gewalt bei der Razzia feststellten und die Durchsuchungsbefehle für illegal erklärten. «Er war zwar reich, aber viele sahen ihn als Opfer unfairer Schikane, und das kam an», sagte Kulturwissenschaftlerin Rosemary Overell der Zeitung «New Zealand Herald». Selbst die maßlose Party im Januar 2013 zur Feier seiner neuen Datenplattform Mega samt einschwebender Hubschrauber und inszenierter Verhaftung durch den «FBI», kam an. Kleine Punktsiege gegen die neuseeländische Justiz hielten Dotcom ein Jahr in den Schlagzeilen.

Doch danach ging's bergab. Im September scheiterte er bei den Wahlen mit seiner Internet-Partei. Die Partei setzte sich für billige Internet-Zugänge und eine Reform der Urheberrechte ein. Dotcom wollte bei engem Wahlausgang das Zünglein an der Waage werden und Regierungschef John Key stürzen. Er trägt ihm persönlich die Razzia nach. Aber die Angriffe auf den populären Politiker befremdeten die Neuseeländer. «Die Leute fragten sich, ob sie eher einem Typen auf Rachefeldzug und unter Anklage oder einem sehr beliebten Regierungschef glauben sollten», meinte Journalist David Fisher, der ein Buch über Dotcom schrieb.

Im November ließen seine Anwälte ihn sitzen, weil er nicht mehr zahlen konnte. «Es ist offiziell: ich bin pleite», twitterte Dotcom. Der Kampf gegen die Auslieferung habe ihn zehn Millionen Dollar gekostet, sagte Dotcom Anfang der Woche in einem Video-Interview mit Konferenzteilnehmern in London.

Im Mai 2014 hatte er schon die Trennung von seiner Frau Mona per Twitter bekanntgegeben. «Wir hatten ein tolles Leben, als ich seine Prinzessin war», sagte die Philippinerin der Zeitschrift «Woman's Day». «Mit 19 oder 20 ist das cool, aber dann wird man erwachsen und will die Welt entdecken, und dann funktioniert es nicht mehr.» Die beiden haben fünf Kinder. Sie wohnt noch auf dem Anwesen. Nicht auszuschließen ist, dass die Trennung ein Schachzug gewesen sein könnte, um einen Teil des Vermögens in Sicherheit zu bringen: Die neue Mega-Plattform soll auf ihren Namen registriert sein.

Dotcom sieht sich als Opfer einer Hetzjagd, wie er in dem Interview sagt. «Ich bin ein leichtes Ziel wegen meines extravaganten Lebenswandels», meinte er. «Außerdem bin ich Deutscher, und Hollywood mag Deutsche ja als Bösewichte. Die meisten Bösewichte in den James- Bond-Filmen sind auch Deutsche.»

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