Kurz sieht proeuropäisches Signal

Foto: epa/Christian Bruna
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WIEN (dpa) - Die Wahl in Österreich hat die Karten neu gemischt. Die SPÖ will aber auch nach dem Verlust von Platz eins im Koalitionspoker mitmischen. Wahlsieger Sebastian Kurz betont unterdessen seinen Pro-Europa-Kurs.

Der konservative ÖVP-Wahlsieger in Österreich, Sebastian Kurz, will keinen Zweifel an der proeuropäischen Ausrichtung einer künftigen Regierung lassen. Die Wähler hätten ein klares proeuropäisches Signal gegeben, sagte Kurz der Deutschen Presse-Agentur am Montag. «Es ist ein gutes Ergebnis für Europa. Die ÖVP war und ist die Europa-Partei in Österreich.» In einem Rechtsruck hatten die Wähler in Österreich die konservative ÖVP zur stärksten Kraft gemacht und die rechte FPÖ erheblich gestärkt.

Laut Hochrechnungen erhielt die ÖVP am Sonntag 31,6 Prozent der Stimmen, die sozialdemokratische SPÖ folgt mit 26,9 Prozent vor der FPÖ, die mit 26 Prozent eines der besten Ergebnisse der Parteigeschichte erzielt. Die Grünen liegen mit 3,9 Prozent knapp unter der Vier-Prozent-Hürde. Wegen der noch laufenden Auszählung der rund 750.000 Briefwahlstimmen wird ein offizielles Endergebnis erst am Donnerstag erwartet.

Die Gestaltung der EU-Politik werde gerade in der Zeit des österreichischen EU-Ratsvorsitzes in der zweiten Jahreshälfte 2018 eine der zentralen Aufgaben der künftigen Regierung sein, sagte Kurz. Der Reformbedarf sei allerdings klar. Es werde in Zusammenarbeit mit Kanzlerin Angela Merkel und anderen darum gehen, Europa zum Positiven zu verändern.

Trotz ihrer Wahlniederlage wollen die Sozialdemokraten in Österreich alle Möglichkeiten für eine Regierungsbeteiligung ausloten. Die SPÖ werde auf Basis ihres Wertekompasses Gespräche auch mit der FPÖ führen, beschloss der Parteivorstand in Wien. «Wir wollen keine Türe zuschlagen, das haben wir heute klar gemacht», sagte der SPÖ-Chef und scheidende Kanzler Christian Kern. Der 51-Jährige geht aber ohnehin davon aus, dass es zur Bildung einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ kommt. Die Programme der beiden Parteien seien weitgehend identisch. Angesichts des Verlusts von Platz eins an die ÖVP stellte Kern in den Parteigremien die Vertrauensfrage. Er erhielt einstimmige Unterstützung.

Der Sieg des 31-jährigen Kurz wird nach Ansicht eines Experten die Debatte über die Aufstellung der bürgerlich-konservativen Parteien in Europa befeuern. «Da gibt es jetzt einen interessanten Gegenentwurf zu Merkel und der CDU», sagte der Salzburger Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch der Deutschen Presse-Agentur. Kurz habe in großer strategischer Perfektion das Zuwanderungsthema aufgegriffen, indem er die konservative ÖVP weiter rechts positioniert habe. «Außerdem hat er die Wendestimmung im Land am besten eingefangen.»

Die Übertragbarkeit des Vorgehens sei allerdings schwierig. In für Konservative bisher ungewohnter Weise habe Kurz auch unter jungen Wählern viel Zustimmung erfahren. «Die Person Kurz war das perfekte Paket», sagte Heinisch.

Der Ausgang der Österreich-Wahl könnte auch Auswirkungen auf die Verhandlungen zur Bildung einer Jamaika-Koalition in Deutschland haben. Die Union könne den Schluss ziehen, «dass - wenn man sich aufstellt wie Herr Kurz in Österreich - man größere Mehrheiten organisieren könnte», sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Anne Will». Kurz hatte im österreichischen Wahlkampf für einen strengen Migrationskurs geworben, zudem will er die illegale Zuwanderung auf Null begrenzen.

Laut Wählerstromanalyse hat die konservative ÖVP bei ihrem Wahlsieg in Österreich in hohem Maß ihre Stammwähler mobilisiert und zugleich von Stimmengewinnen aus dem Lager der rechten FPÖ profitiert. Das geht aus einer Wählerstromanalyse des Meinungsforschungsinstituts Sora hervor. 84 Prozent aller ÖVP-Wähler von 2013 haben sich demzufolge auch diesmal für die Konservativen entschieden.

Von den voraussichtlich 1,6 Millionen ÖVP-Wählern stammten laut Sora darüber hinaus 168.000 von der rechten FPÖ, 121.000 aus dem Lager der Nichtwähler und 84.000 haben ehemals die Grünen gewählt. Die FPÖ erhält erheblichen Zuwachs von ehemaligen SPÖ-Wählern, von denen 155.000 diesmal die Rechtspopulisten gewählt haben. Die SPÖ wiederum profitiert von den 161.000 Stimmen ehemaliger Grün-Wähler und kann mit 156.000 auch besonders viele ehemalige Nichtwähler für sich mobilisieren.

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