Krise zwischen Washington und Moskau

Foto: epa/Ford Williams
Foto: epa/Ford Williams

DAMASKUS/BERLIN (dpa) - Mit einem Luftangriff auf Syriens Armee haben die USA ihre Politik in dem Bürgerkriegsland radikal geändert und zugleich eine schwere Krise mit Russland ausgelöst.

Kremlchef Wladimir Putin verurteilte das Bombardement eines Luftwaffenstützpunkts als Angriff auf die Souveränität Syriens. Der Präsident des Landes, Baschar al-Assad, nannte den Einsatz am Freitag «rücksichtslos und unverantwortlich». Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete ihn als nachvollziehbar. Der UN-Sicherheitsrat wollte sich am Freitag zu einer Sitzung treffen.

Trump hatte den Angriff als Reaktion auf einen mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz syrischer Truppen angeordnet. Dabei waren am 4. April nach neuesten UN-Angaben mindestens 84 Menschen ums Leben gekommen und 546 verletzt worden.

Syriens Regierung weist die Verantwortung für den Giftgas-Angriff zurück und gibt wie auch Russland Rebellen die Schuld. Russland ist der engste Verbündete Assads.

Die US-Regierung vollzieht mit dem Angriff eine erneute Kehrtwende in der Syrien-Politik. Noch vergangene Woche hatte US-Außenminister Rex Tillerson gesagt, Assads Schicksal werde vom syrischen Volk bestimmt. Das war eine Abkehr von der Linie der Vorgängerregierung unter Barack Obama, die dem Präsidenten in Damaskus die Hauptverantwortung für den Konflikt in dem Bürgerkriegsland zuschob und auf seinen Sturz hinarbeitete.

Merkel beriet am Freitag mit Außenminister Sigmar Gabriel und SPD-Chef Martin Schulz über die Lage. Sie betonte in Berlin, wer Chemiewaffen einsetze, begehe ein «Kriegsverbrechen». Angesichts der Dimension der Kriegsverbrechen in Syrien und im Angesicht des Leids der Zivilbevölkerung sei der US-Angriff «nachvollziehbar». Ähnlich äußerte sich Gabriel. Schulz warnte vor einer militärischen Eskalation.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Regierung setze sich geschlossen für einen politischen Übergang in Syrien und eine demokratische Beendigung der Regierung von Präsident Assad ein. Das Verteidigungsministerium in Berlin gab an, die Bundeswehr habe nichts mit dem US-Angriff zu tun. Deutsche Tornado-Jets machen in Syrien und im Irak Bilder von IS-Stellungen zur Identifizierung von Angriffszielen.

Trump sagte am Rande eines Treffens mit Chinas Staatschef Xi Jinping in Florida, von dem beschossenen Flugplatz sei vor wenigen Tagen der Angriff mit Giftgas auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Chan Scheichun ausgegangen.

Russland kritisierte das Vorgehen scharf. «Dieser Schritt Washingtons fügt den russisch-amerikanischen Beziehungen, die sich ohnehin schon in einem elenden Zustand befinden, einen signifikanten Schaden zu», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. «Präsident Putin hält die amerikanischen Angriffe für eine Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrecht, dazu noch mit einem erdachten Vorwand.» Die syrische Armee habe keine Chemiewaffen mehr, das habe nach der Entwaffnung auch die zuständige UN-Organisation bestätigt.

Russland setzte eine Vereinbarung mit dem US-Militär aus, nach der sich beide Länder über Militärflüge und Angriffe über Syrien informierten, und kündigte an, die syrische Luftabwehr zu verstärken. Der Kreml bestätigte, dass die USA Russland vorab über den Angriff informiert hatten. In der kommenden Woche wird US-Außenminister Rex Tillerson zu einem seit längerem geplanten Besuch in Moskau erwartet.

Nach syrischen Armeeangaben wurden bei dem US-Angriff mindestens sechs Menschen getötet, darunter drei Militärangehörige. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, auch neun Zivilisten seien ums Leben gekommen, darunter vier Kinder. Die Angaben waren zunächst nicht unabhängig zu überprüfen.

Der Gouverneur der Provinz Homs, Talal Barasi, sagte der Deutschen Presse-Agentur, der angegriffene Flugplatz in der Nähe des Ortes Al-Schairat sei stark zerstört worden. Aus syrischen Militärkreisen hieß es, zwölf Kampfjets und Hubschrauber, Treibstofflager sowie zwei Start- und Landebahnen seien getroffen worden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte, es gebe keine russischen Opfer.

Syriens Verbündeter Iran verurteilte den Angriff scharf. Saudi-Arabien, Erzrivale des Irans in der Region, begrüßte ihn hingegen als «mutige Entscheidung» Trumps. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sagte bei einem Wahlkampfauftritt in Hatay nahe der syrischen Grenze, er begrüße den US-Angriff als einen positiven Schritt gegen die «Kriegsverbrechen des Assad-Regimes», die dieses mit chemischen und konventionellen Waffen verübe. «Aber reicht das? Ich finde, auch das ist nicht genug.» Erdogan erneurte in diesem Zusammenhang seine Forderung nach der Einrichtung von Schutzzonen in Nordsyrien.

An den Finanzmärkten sorgte der Angriff für Verunsicherung. Anleger flüchteten aus riskanten Anlagen. Insgesamt hielten sich die Reaktionen aber in Grenzen, der Dax gab zuletzt etwa 0,25 Prozent nach.

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TheO Swisshai 10.04.17 16:23
@ Egbert Scherer Souveräner Staat
Sie sagen, ein Staat der sich nicht an die Menschenrechte hält, ist kein souveräner Staat. Da muss ich Ihnen wiedersprechen, denn das würde ja bedeuten, dass die USA ab sofort auch kein souveräner Staat mehr wäre. Was natürlich absolut nicht der Realität entspräche und mir nur schon der Gedanke daran, komplett abwegig erscheint. Es mag zwar stimmen, dass die USA gegen die Menschenrechte verstösst, z.B. Guantanamo, Drohnentote, Verwendung von Uranmunition,etc., aber es sollte doch jedem klar sein, dass sie dies nur aus gut gemeinten Gründen tun, zum Wohle aller Menschen. Im Fall von Syrien sieht die Sache leider ganz anders aus. Dort werden die Menschenrechte vorsätzlich und mit voller Absicht verletzt. Das macht natürlich einen gewaltigen Unterschied. Verständlich auch, dass die USA noch eine gewisse Zeit braucht um die Menschenrechte umzusetzen. Die Verletzung von Menschenrechten, hat in den USA, wie jeder weiss, eine lange Tradition und wird ja auch von allen anderen Staaten, mehr oder weniger akzeptiert . Wenn Sie allerdings das Kriterium, - die Einhaltung der Menschenrechte, einfach weglassen würden, dann gäbe es darüber auch keine Diskussionen, oder Stretgespräche.. Im Fall von Syrien sind diese Diskussionen natürlich nicht nötig, da ich eine ausgezeichnete Ausbildung in Staatsbürgerkunde genossen haben, weiss ich nur zu gut, dass Syrien im Laufe der Zeit, seine Souveränität aufgegeben oder im Krieg verloren hat.
Jürgen Franke 09.04.17 11:39
Weil Deutschland Mitglied der Nato ist,
übrigens, für die jüngeren Leser, wurde dieses Verteidigungsbündnis seinerzeit gegen den Warschauer Parkt, gegründet wurde, ist Deutschland Kriegsteilnehmer. Nicht nur, weil die Amis den Stützpunkt in Ramstein (Rheinland Pfalz) benötigen, um überhaupt Kriege in Asien führen zu können, denn die Reichweite von Flugzeugträgern ist eben auch begrenzt.
Jack Norbert Kurt Leupi 09.04.17 11:37
Demokratie .../Herr Roger Lewenz
Mit Ihrem Beitrag haben sie Sich mehr als einen Lorbeerkranz verdient ! Einer der Wenigen , der informiert ist, wie z.B.Herr Auer und Herr Franke ,die die Geschichte kennen und keine "Sandburgen" an der Playa bauen ! MfG
Hermann Auer 09.04.17 09:06
@Egbert Scherer
Zitat: "In diesem Konflikt geht es um viel mehr, in dem sich besser der Westen und Putin besser rausgehalten hätten." Der Westen hat sich nicht eingemischt, sondern den Syrienkrieg losgetreten.
Hermann Auer 09.04.17 09:04
Diktatoren und Mörder ...
@michael meier
Diktatoren und Mörder sind so lange gut, so lange sie "unsere" Diktatoren und Mörder sind. Siehe Saddam Hussein (bis er bei den USA ca. 1990 in Ungnade fiel) und heute auch Saudi Arabien u.v.a.. Merke: Hussein war zwar ein Gauner, aber er war ja unser Gauner. Bevor Assad die besagte Gas-Pipeline ablehnte, gab es ja auch kein Problem mit ihm. Und den Giftgas-Angriff vor ca. 4 Jahren, den man ihm unterstellte, hat er nachweislich nicht ausgeführt - das weiß man heute. Siehe Michael Lüders in der Sendung von Markus Lanz vom 5. April 2017. In der syrischen Bevölkerung denkt man anders über Assad als bei uns.
@Egbert Scherer - Wenn ich von Schürfrechten spreche, meine ich natürlich nicht "Rechtsgeschäfte" im Sinne von Verträgen, sondern vergleiche die Vorgänge mit den bei Kriegen immer wieder vorgeschobenen "Völkerrechten", "Menschenrechten", "Gleichberechtigung von Frauen" usw.. Ich glaube nicht, dass ich mir Naivität in diesem Zusammenhang nachsagen lassen muss. Es geht meist um Öl - in diesem Fall um Erdgas. Punkt. Und angezettelt wurde der Syrienkonflikt von der CIA, die die "gemäßigten Rebellen" (in Wahrheit nichts anderes als Terroristen) eingeschleust hat. Dass es bei diesem Krieg um die abgelehnte Gaspipeline-Route geht: einfach mal googeln mit dem Suchbegriff: Robert F. Kennedy Syrien. Dieser Mann ist m.E. nicht des Kommunismus verdächtig. Es handelt sich einfach - wie so oft - um einen Regime Change, weil Assad ein schmutziges Geschäft vereitelt hat.
Roger Lewenz 09.04.17 03:00
Demokratie - nur wenn sie mir passt....
Demokratie passt dem Westen halt nur wenn ihnen genehme Diktatoren gewinnen, das zeigt doch die Geschichte zig Mal, sowohl in Südamerika, oder sonstwo auf der Welt. Da schrecken die USA auch vor einer militärischen Intervention nicht zurück um die nicht genehmen Wahlgewinner zu eliminieren und ihnen genehme Systeme zu installieren. Sadam Hussein war so ein Beispiel, und wenn der Hund nicht mehr mit dem Schwanz wackelt so wie es ihm gesagt wird, wird er eliminiert, auch wenn Millionen Unschuldige dabei noch mit drauf gehen, das juckt die USA keinen Deut. Angela Merkel tut deshalb gut daran, sich auf die Seite der USA zu stellen - so passiert unserem Land nix, denn wir sind besetzt, und die USA haben/hätten genau wie die übrigen Besatzungsstaaten das Recht jederzeit wieder in Deutschland einzumarschieren, wenn Deutschland eine Politik betreiben würde, die den Interessen der USA/westlichen Besatzungsmächte zuwider laufen sollte. Das ist so - und wird so bleiben - Deutschland hat mehrfach versucht diesen Status zu ändern und diese Regelung zu beseitigen - allein, die Besatzungsmächte waren nicht damit einverstanden. Also sind wir gezwungen eine Politik zu betreiben die bedingungslos dem Westen hörig ist.

Und ja, Assad war mit großer Mehrheit in freien demokratischen Wahlen als Präsident vom syrischen Volk gewählt worden. Die Terroristen die von den USA unterstützt diesen Assad beseitigen wollen, haben dagegen keinerlei Legitimation für ihre Mordtaten.
Hubert Rosing 09.04.17 02:49
@michael meier
Ihrem Beitrag kann ich nur beipflichten. Die Darstellung Assads macht auch viel mehr Sinn, nach der zur Folge der Luftwaffenangriff auf die Terroristen die von den USA unterstützt werden um Assad zu stürzen, Fabriken zerstörte die Giftgas produzieren und sich in den Händen der Rebellen befinden. Dass bei der Zerstörung der Giftgasfabriken dann Giftgas ausgetreten ist, kann ja unmöglich Assad oder Russland /Putin zur Last gelegt werden, sondern muss doch den Terroristen zur Last gelegt werden die diese Fabriken unterhalten und dort Giftgas prodzuzieren.
Jürgen Franke 08.04.17 22:51
Herr Auer, es Ihnen hoch anzurechnen,
dass Sie sich immer wieder bemühen, auf Kommentare von Lesern einzugehen, die sich offensichtlich nicht umfassend informieren. Auch hier wäre der Hinweis auf die Lanz-Sendung angebracht gewesen.