«Kriegsspiele» zwischen Serbien und Kosovo - EU schaut hilflos zu

Foto: epa/Str
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BELGRAD (dpa) - So heftig sind Belgrad und Pristina seit vielen Jahren nicht aneinandergeraten. Das zeigt: In diesem Dauerkrisenherd ist nichts gelöst - trotz jahrelanger EU-Vermittlung und Milliardenhilfen.

Eigentlich eine Banalität: Fast 20 Jahre nach dem Bürgerkrieg will Serbien wieder eine Eisenbahnverbindung ins Kosovo ins Leben rufen. Doch die Details haben es in sich.

Der Personenzug ist in 21 Sprachen mit dem Slogan geschmückt «Kosovo ist Serbien» - auch in Albanisch. Dazu: Belgrad hat nicht die Genehmigung der Behörden im Kosovo eingeholt. Denn der Zug soll nur bis ins nördliche Mitrovica fahren, wo die serbische Minderheit die lokale Mehrheit bildet. Und wo die fast nur von Albanern gebildete Kosovo-Regierung nichts zu sagen hat.

Eine blutige Abrechnung zwischen aufgebrachten Kosovo-Serben und einer Einheit albanischer Spezialpolizisten konnte gerade noch verhindert werden. Die Polizisten hatten den Zug an der Grenze gestoppt.

Die serbischen Medien dröhnen am Sonntag von einem soeben abgewendeten Krieg. Serbiens Regierungschef Aleksandar Vucic gibt eine «letzte Warnung» an die Albaner und spricht von «Kriegsspielen». Er sei enttäuscht von der EU, die seit vielen Jahren weitgehend vergeblich zwischen den Streithähnen vermittelt. Die sollten sich mal schön selbst einigen, heißt es am Wochenende ein wenig hilflos in Brüssel.

Die kleine Episode zeigt, wie schnell sich aus Winzigkeiten eine Gefahrenlage entwickeln kann. Sie zeigt auch: Die prinzipiellen Positionen im Kosovo-Konflikt sind weiter unüberbrückbar. Trotz jahrelanger Vermittlungsbemühungen der EU, trotz Milliarden an Finanzhilfen, trotz der NATO-geführten KFOR-Schutztruppe und trotz der größten EU-Auslandsmission EULEX.

Serbien will das fast nur noch von Albanern bewohnte Kosovo, das 2008 abgefallen war und inzwischen von weit mehr als 100 Ländern anerkannt ist, wieder zurückhaben. Die von Brüssel angebotenen Kompromisse, die ohnehin nicht umgesetzt wurden, kratzen offensichtlich nur an der Oberfläche der Probleme.

Dieser Misserfolg schafft jetzt Platz für die Internationalisierung des Konflikts. Der EU-Kandidat Serbien will sich noch am Sonntag bei den Großen der Welt beschweren: bei China, zu dem sehr gute Verbindungen bestehen, und vor allem beim russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem traditionellen serbischen Verbündeten. Russland versucht seit einigen Jahren stärker denn je, die EU-Politik auf dem Balkan zu durchkreuzen: Neben Serbien gilt Moskaus Augenmerk Bosnien, Montenegro und Mazedonien.

Dabei wissen inzwischen alle, dass die Politiker in den Balkanländern außenpolitische Streitigkeiten vom Zaun brechen, um von ihrem eigenen Unvermögen abzulenken, die marode Wirtschaft in Schwung zu bringen. Und damit den miserablen Lebensstandard der Bürger zu heben. Eine Massenauswanderung der jungen und gut ausgebildeten Menschen ist seit Jahrzehnten die Folge.

Bitteres Beispiel: Der Personenzug benötigte für die 270 Kilometer lange Strecke von Belgrad zu seiner Endstation Raska sagenhafte acht Stunden. Ein Schnitt von unter 35 Stundenkilometern auf der oft eingleisigen und nicht elektrifizierten Strecke.

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Ingo Kerp 16.01.17 13:30
Die Headline,
EU schaut hilflos zu, ist Programm. Das ist das Beste, das die EU kann, schauen und hilflos sein.