Korruptionsprozess gegen Ex-Minister Grasser

 Karl-Heinz Grasser. Foto: epa/Helmut Fohringer
Karl-Heinz Grasser. Foto: epa/Helmut Fohringer

WIEN (dpa) - Karl-Heinz Grasser galt als Schützling des Rechtspopulisten Jörg Haider. In Grassers Zeit als Finanzminister Österreichs fiel ein Mega-Wohnungsdeal, an dem er sich bereichert haben soll. Jetzt soll der Prozess starten.

Der ehemalige österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte müssen sich voraussichtlich von Dienstag an in einem Korruptionsprozess vor dem Landgericht Wien verantworten. Der 48-jährige Grasser soll 2004 beim Verkauf von rund 60.000 Bundeswohnungen einem privaten Investor den entscheidenden Tipp über die notwendige Höhe eines Kaufpreises gegeben haben, um einen Mitbieter auszustechen. Im Gegenzug sollen rund 9,6 Millionen Euro - ein Prozent des Kaufpreises von 961 Millionen Euro - in die Taschen der Verdächtigen geflossen sein.

Der Start des Prozesses, zu dem 165 Zeugen geladen sind, hing noch von einem Urteil des Obersten Gerichtshofs am späten Montagnachmittag über die Zuständigkeit der vorgesehenen Richterin ab. Sollte sie abberufen werden, verzögert sich der Prozessstart um mehrere Monate.

Den 15 wegen Untreue- und Korruptionsverdachts angeklagten Verdächtigen drohen jeweils bis zu zehn Jahre Haft. Sie bestreiten die Vorwürfe. Die Anklageschrift umfasst mehr als 800 Seiten. Laut Anklage hatten mehrere Verdächtige einen «gemeinschaftlichen Tatplan» gefasst, sich bei Verkäufen, Privatisierungen und Auftragsvergaben durch das Ministerium zu bereichern. Die Ermittlungen zu dem Fall dauerten über acht Jahre. Es ist nach Angaben des Justizministeriums das erste Mal, dass sich in Österreich eine Korruptions-Anklage auf die aktive Zeit eines Ministers bezieht.

Grasser war von 2000 bis 2007 Finanzminister der Alpenrepublik. Zunächst gehörte er der rechten FPÖ an, von 2002 an war er als Parteiloser in der Regierung der konservativen ÖVP im Amt. Der als besonders gut aussehend geltende «Jet-Set-Minister» war in den 1990er Jahren in den Reihen der Kärnter FPÖ unter dem damaligen Parteichef Jörg Haider groß geworden. Nach mehreren Jahren enger Zusammenarbeit kam es zu einer Entfremdung der beiden Politiker.

In dem Prozess spielt auch die Vermietung des Linzer Terminal Towers an die Finanzbehörde eine wichtige Rolle. Für diesen Deal soll Grasser laut Anklage erst nach Zusicherung eines Bestechungsgelds grünes Licht gegeben haben.

Ein 506 Seiten starkes privates Gutachten im Auftrag von Grasser kommt zu dem Schluss, dass ein fairer Prozess aufgrund der «medialen Vorverurteilung» kaum mehr möglich sei. «25.000 Artikel haben mich alle zum Täter gemacht», kritisierte Grasser in einem Interview mit der Recherche-Plattform «Addendum».

Die Affäre um die Bundeswohnungen (Buwog), die sich im öffentlichen Besitz befinden, war 2009 ans Licht gekommen, als die Staatsanwaltschaft beim damaligen Käufer Immofinanz Unterlagen sichergestellt hatte. Dabei stießen die Ermittler auf Zahlungen auf drei Konten in Liechtenstein. Für den in Österreich mit Spannung erwarteten Prozess, der voraussichtlich länger als ein Jahr dauern wird, wurde eigens der Gerichtssaal umgebaut.

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