Koh Tao: Zwei Tage mehr für die Verteidigung

Das Verteidigerteam mit den burmesischen Dolmetschern und Betreuern von Zaw Lin und Wai Phyo vor dem Provinzgefängnis Koh Samui – zwei Tage mehr für ihre wichtige Arbeit gewährt.
Das Verteidigerteam mit den burmesischen Dolmetschern und Betreuern von Zaw Lin und Wai Phyo vor dem Provinzgefängnis Koh Samui – zwei Tage mehr für ihre wichtige Arbeit gewährt.

KOH SAMUI: Nach langem Feilschen um mehr Zeit für die Einvernahme ihrer eigenen Zeugen sind der Verteidigung im Koh Tao Doppelmordprozess heute Nachmittag zwei weitere Sondergerichtstage zugestanden worden. Das Verfahren wird außerplanmäßig am 10. und 11. Oktober fortgesetzt.

Eigentlich hätte heute, am Freitag den 25 September, der letzte Verhandlungstag stattfinden sollen. Danach sollte sich das dreiköpfige Richter-Team zur Beratung und Urteilsfindung zurückziehen. Nun wird nicht vor November mit einem Urteil im Doppelmordfall von Koh Tao gerechnet. Wie mehrfach berichtet, wird auf Koh Samui über das Schicksal zweier burmesischer Angeklagter verhandelt, die am 15. September 2014 am Sairee Strand von Koh Tao die britischen Touristen Hannah Witheridge (23) und David Miller (24) ermordet haben sollen. Die junge Engländerin soll vor ihrem Tod von beiden Beschuldigten vergewaltigt worden sein – behauptet die Anklage aus Surat Thani.

Nach dem heutigen Prozesstag und der Zeugenaussage dreier burmesischer Botschaftsmitarbeiter aus Bangkok blieben weiter viele Fragen offen. Die Zeugen der Verteidigung erklärten vor Gericht, wie sie die Angeklagten Zaw Lin und Wai Phyo (heute 22) nach ihrer Überstellung ins Provinzgefängnis von Koh Samui Mitte Oktober 2014 vorfanden. Bereits zuvor hatten ein Anwalt und Menschenrechtsmitarbeiter geschildert, wie verstört beide Angeklagten damals gewirkt hätten. Unter dem Druck der Polizei – laut Vorwurf der Verteidigung mit brutaler Folterung und Morddrohungen – hatten Zaw Lin und Wai Phyo kurz nach ihrer Festnahme am 2. Oktober 2014 gestanden und erst im Gefängnis auf Koh Samui ihre Geständnisse widerrufen.

Die beiden seien so traumatisiert gewesen, schilderten die Zeugen, dass sie zunächst auf einem kleinen Zettel ihre Unschuld notiert und erst nach behutsamer Annäherung durch ihre Verteidiger ihren Geständnis-Widerruf öffentlich artikuliert hätten. Laut Angaben aller Zeugen bestand kein Zweifel daran, dass sie damals mit massiv eingeschüchterten Tatverdächtigen gesprochen hatten, die aus Angst um ihr Leben alles unterschrieben und gestanden hätten, was die Polizeiermittler ihnen vorhielten und vorlegten. Beide berichteten damals auch von der Anwendung massiver körperlicher Gewalt durch die vernehmenden Polizeiermittler sowie einen burmesischen Dolmetscher.

Am 10. und 11. Oktober sollen die Angeklagten Zaw Lin und Wai Phyo beide nacheinander in den Zeugenstand gerufen werden. Zaw Lin hatte bereits vor 14 Tagen kurz ausgesagt, wegen Zeitnot sowie der Vorladung der Gerichtsmedizinerin Dr. Pornthip Rojanansunand jedoch seine Einvernahme nicht beenden können. Der kleinere der beiden Beschuldigten, der nur 1,48 Meter große Wai Phyo, ist bisher noch gar nicht gerichtlich befragt worden.

Auf beide Aussagen und die Schilderung ihrer Verhaftung am 2. Oktober sowie die Umstände der Polizeivernehmung legt das siebenköpfige Verteidigungsteam großen Wert. Es soll dadurch glaubhaft gemacht werden, zu welchen Mitteln die Ermittler nach dem Mord an Hannah Witherdige und David Miller wegen des enormen öffentlichen Druckes gegriffen hatten, „nur um irgendjemand als Täter zu präsentieren“, erklärte der britische Prozessberater Andy Hall heute gegenüber unserer Redaktion.

Andy Hall, der selbst fließend Thai spricht, hat für die internationale Menschenrechtsorganisation ‚Reprieve‘ das Verfahren aktiv begleitet und die Verteidiger beraten. Unter seiner Federführung lief auch eine weltweite Spendenaktion, mit der die Nebenkosten dieses teuren Verfahrens für die Beschuldigten finanziert werden konnten. Die Verteidigung aus Bangkok mit ihrem Chefjuristen Nakhon Chomphuchat hat ‚pro bono‘, das heißt kostenlos für Zaw Lin und Wai Phyo gearbeitet. Auch Menschenrechtler aus dem Heimatland der burmesischen Beschuldigten und alle Dolmetscher und Betreuer traten ohne Entgelt vor Gericht auf, um ihre Solidarität mit den ihrer Meinung nach unschuldig angeklagten Gastarbeitern zu bekunden.

Ob dieses Jahr noch ein Urteil in diesem spektakulären Prozess fällt, ist nicht mehr sicher. Andy Hall sagte heute, er rechne erst Ende November oder Anfang Dezember mit einer Entscheidung des Gerichts – möglicherweise könne aber wegen der Kompliziertheit dieses Falles und der riesigen Berge von Gerichtsprotokollen sogar noch mehr Zeit ins Land ziehen. – Der FARANG wird weiter berichten.

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Jürgen Franke 28.09.15 19:05
Lieber Sam Gruber,
es ist wieder schlimm, was Sie uns da berichten müssen. Es ist nur zu hoffen, dass das "Feilschen" um die Fristverlängerung zur Urteilsfindung beigetragen hat.
Alois Amrein 28.09.15 18:20
Sehr informativer Beitrag
Für die thailändische Justiz und für die Junta wird dieser Prozess zur Glaubwürdigkeitsfrage schlechthin. Die ganze Welt schaut hin, und das ist recht so. Polizei und Untersuchungsbehörden haben bisher kläglich versagt, es konnten ihnen bereits mehrere schwere Fehler bei der Ermittlungsarbeit nachgewiesen werden. Oberstes Ziel war die schnelle Präsentation von Tatverdächtigen. Und dass es Ausländer sein mussten, versteht sichvon selbst. Das Ansehen Thailands im Ausland hängt nicht zuletzt vom Ausgang dieses Prozesses ab.