Koh Tao-Prozess: Ausgang scheint zum Ende offen

Zaw Lin und Wai Phyo werden am heutigen Samstag in Fußketten ins Provinzgericht auf Koh Samui geführt – sie machen ihre abschließenden Zeugenaussagen.
Zaw Lin und Wai Phyo werden am heutigen Samstag in Fußketten ins Provinzgericht auf Koh Samui geführt – sie machen ihre abschließenden Zeugenaussagen.

KOH SAMUI: Ein Mordprozess an einem Wochenende mit zwei Sonderverhandlungstagen: die gerichtliche Aufarbeitung des Doppelmordes von Koh Tao an zwei britischen Rucksacktouristen vom September des Vorjahres tritt heute und morgen mit der Einvernahme der beiden Tatverdächtigen aus Myanmar in seine Schlussphase.

Der Angeklagte Nummer 1, Zaw Lin (20), beendete am Samstag seine Zeugenaussage vor Gericht mit Schilderungen seiner Festnahme in der Nacht zum 2. Oktober 2014 und der angeblichen Folterung durch die Polizeiermittler sowie einen burmesischen Hilfsdolmetscher. Am Nachmittag nahm die Staatsanwaltschaft den ehemaligen Gastarbeiter auf Koh Tao ins Kreuzverhör. Da Zaw Lin nur gebrochen Thai spricht, bediente er sich eines eigenen Dolmetschers. Die Staatsanwaltschaft hatte zur Absicherung ihren Übersetzer mit burmesischen Sprachkenntnissen auf der Anklagebank platziert.

Für das Gericht und die wenigen verbliebenen Prozessbeobachter – darunter der Vater und Bruder des ermordeten britischen Touristen David Miller (24) – war die stundenlange Einvernahme ein Nerven- und Geduldsspiel. Zum wiederholten Male wurden die letzten Stunden der Rucksacktouristen Hannah Witheridge (23) und ihrer zufälligen Urlaubsbekanntschaft David Miller rekapituliert: aus Sicht der Beschuldigten mit der Anhörung und Schilderung ihrer Version der Tatnacht am 15. September 2014. Der zweite Angeklagte Wai Phyo (20) soll heute Abend und den gesamten morgigen Sonntag seine Aussage machen.

Für die Staatsanwaltschaft versuchte der Chefankläger immer wieder, Ungereimtheiten in den Aussagen von Zaw Lin bloßzulegen. Weshalb sie am 15. September in der Nähe des Tatortes gemeinsam mit einem später als Belastungszeugen aufgetretenen Landsmann getrunken und Gitarre gespielt hätten, warum diese Gitarre angeblich nach der Ablage im Außensitzbereich der AC-Bar 2 verschwunden war, weshalb beide Beschuldigten frühmorgens ein Bad im Meer genommen hatten, wohin sie ihre nassen Kleider nach der Heimkehr in ihre Gemeinschaftsunterkunft nahe des Strandortes Sairee gehängt bzw. entsorgt hätten.

Unnachgiebig griff der Ankläger den Beschuldigten und Zeugen wegen dessen Foltervorwürfen an, zog seine Beschuldigungen gegen Polizeibeamte in Zweifel und teils ins Lächerliche. „Warum haben weder ein hinzugezogener Arzt auf Koh Tao noch der Gefängnisarzt auf Koh Samui Verletzungen an Ihnen festgestellt?“, bohrte er nach. Angebliche Wundcreme-Behandlungen zur Vertuschung der Prellungen und Blutergüsse stellte er in Zweifel. Der burmesische Dolmetscher von Zaw Lin hatte sichtlich Mühe, den Dialog zwischen seinem Mandanten und dem Staatsanwalt detailgenau wiederzugeben. Eine thailändische Übersetzerin im Publikum sagte gegenüber unserer Redaktion, dass sie manche Aussagen nicht wirklich habe nachvollziehen und zuordnen können.

Die Sprachbarriere zwischen burmesischen Dolmetschern und den thailändischen Ermittlern sowie dem Verteidigungsteam und den drei Richtern zog sich durch das gesamte Verfahren. Insbesondere die mangelnde Qualifikation der burmesischen Hilfsübersetzer der Anklage sorgte ein ums andere Mal für Verwirrung und Unstimmigkeiten zwischen den Prozessparteien. Dem Vorsitzenden Richter, dessen zwei Beisitzer überraschenderweise für die letzten Verhandlungstage gewechselt hatten, war die Anspannung anzumerken. Ein erheblicher Teil der Einvernahme ging durch das Hin und Her der Übersetzung verloren und Nachfragen schienen den Angeklagten Zaw Lin einige Male sehr zu verunsichern.

Wenn am morgigen Sonntag nach der erstmaligen Einvernahme des zweiten Beschuldigten Wai Phyo die Gerichtsverhandlung abgeschlossen werden kann, wird sich das Gericht mit den seit 8. Juli erstellten Protokollen und allen Beweismitteln zurückziehen. Laut Angaben der Verteidigung wird der gesamte Vorgang abschließend an die Generalstaatsanwaltschaft in Surat Thani zur Überprüfung geschickt, bevor dann in die endgültige Phase der Urteilsberatung eingetreten werden kann.

Andy Hall, Menschenrechtsaktivist und Berater des Verteidigungsteams sagte heute, er rechne frühestens Ende November mit einem Urteilsspruch. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass die Entscheidung über Schuld oder Unschuld von Zaw Lin und Wai Phyo sprichwörtlich auf Messers Schneide steht.

Quelle: Fotos: Hall

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Marcel Edouard Petter 12.10.15 13:56
Im Zweifel für die Angeklagten
Weder habe ich den Prozess im Detail verfolgt noch bin ich Jurist.
So tragisch das auch klingen mag, lieber ein ungelöster Doppelmord als zwei unschuldig Verurteilte.