Klimaschutz: Die EU ist beim Weltretten spät dran

Foto: epa/FRANCIS R. MALASIG
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BRÜSSEL (dpa) - Der Klimapakt von Paris gilt als historische Leistung, auch weil erstmals die USA und China beim Kampf gegen die Erderwärmung mitmachen. Die EU steht plötzlich unter Druck.

Nach 20 Jahren zäher Verhandlungen kam Ende 2015 in Paris der Durchbruch: An die 200 Staaten einigten sich auf das erste wirklich globale und verbindliche Klimaabkommen. Nur ein Jahr später könnte der Pakt im November offiziell in Kraft treten. Die EU will von Anfang an dabei sein, sonst wäre ihr Image als Vorreiter in Gefahr. Doch dazu müssen die Umweltminister am Freitag in Brüssel letzte Hindernisse aus dem Weg räumen. Es geht um hehre Ziele und komplizierte Verfahren. Und um handfeste Interessen. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wann tritt das Abkommen in Kraft?

Der Vertrag von Paris, der die gefährliche Erderwärmung stoppen soll, sieht zwei Voraussetzungen vor: Mindestens 55 Staaten müssen den Pakt ratifizieren. Und diese müssen für mindestens 55 Prozent aller Treibhausgase stehen, um die wichtigsten Verschmutzer mit im Boot zu haben. Die erste Schwelle ist bereits übersprungen, die zweite ist in greifbarer Nähe: Erreicht waren bis Donnerstag nach UN-Angaben 47,79 Prozent. Indien soll nach Angaben von Diplomaten am Sonntag mit weiteren vier Prozent dazu kommen. Ratifiziert auch die EU mit einem Anteil von rund zwölf Prozent, wäre der Weg frei. Das Abkommen träte 30 Tage später in Kraft.

Ist die EU spät dran?

Die EU, die lange international als Treiber im Klimaschutz auftrat, hat also wahrscheinlich eine Schlüsselrolle - sie gilt aber auch als Nachzügler. Denn ausgerechnet die beiden Staaten, die beim Klimaschutz lange bremsten, preschten bei der Ratifizierung vor: die USA und China, die zusammen rund 38 Prozent aller Klimagase weltweit verursachen. Die Gründe sind innenpolitisch - US-Präsident Barack Obama etwa wollte das Abkommen nicht seinem Nachfolger überlassen. Nun fühlt sich die EU unter Druck, und sei es nur aus Prestigegründen. Sie will beim ersten Treffen der Vertragspartner mit am Tisch sitzen. Geplant ist das im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Marrakesch ab 7. November. Die Frist für die rechtzeitige Ratifizierung ist rein rechnerisch der 7. Oktober.

Wie kann die EU nun noch auf den fahrenden Zug aufspringen?

Liefe alles normal, würde die EU-Ratifizierung noch Monate dauern. Denn in der Gemeinschaft der 28 ist alles langwierig. So muss jeder einzelne Mitgliedstaat das Abkommen absegnen und gleichzeitig die EU als Einheit. Nun soll das Verfahren gesplittet werden. Die EU soll nach dem Beschluss der Umweltminister und Zustimmung des Europaparlaments nächste Woche rechtzeitig beitreten, schon bevor alle nationalen Parlamente ja gesagt haben.

Wo liegen die Knackpunkte?

Das Verfahren ist ungewöhnlich und umstritten. Zuletzt erhoben nach Angaben von Insidern noch Polen und Italien Bedenken mit dem Argument, man dürfe die nationale Parlamente nicht düpieren. Dahinter steckt aber mehr. Die EU hat intern noch nicht geklärt, welches Land wie viel zum Klimaschutz beitragen muss, um wie versprochen bis 2030 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990. Polen und Italien, so wird zumindest unterstellt, wollen weniger beitragen als angedacht. Um bei künftigen EU-Verhandlungen einen Hebel zu haben, wollten sie Einstimmigkeit für Beschlüsse festschreiben - also ein Vetorecht. Angesichts des Feilschens warnen die Umweltschützer vom Climate Action Network bereits: «Rasche Ratifikation darf nicht auf Kosten der Integrität beim Umweltschutz gehen.»

Geht es denn jetzt rasch los mit dem Klimaschutz?

Tritt das Abkommen tatsächlich noch dieses Jahr in Kraft, wäre das in der Welt der Diplomatie sensationell schnell. Wirken soll es aber erst ab 2020. Vorher müssen Regeln gesetzt und Zusagen nachgebessert werden. Denn die reichen für das große Ziel noch nicht aus: Die Temperatur auf der Erde soll um maximal zwei Grad steigen.

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