Klagewelle von Flüchtlingen: Gerichte völlig überlastet

Georg Schmidt, Präsident des Verwaltungsgerichts Trier (Rheinland-Pfalz), steht am 11.08.2017 in seinem Büro vor einem Regal mit Akten. Foto: dpa/Birgit Reichert
Georg Schmidt, Präsident des Verwaltungsgerichts Trier (Rheinland-Pfalz), steht am 11.08.2017 in seinem Büro vor einem Regal mit Akten. Foto: dpa/Birgit Reichert

LEIPZIG (dpa) - Wegen der immer weiter steigenden Zahl von Asylverfahren sind die Verwaltungsgerichte in Deutschland am Limit. «Man kann sagen: Die Lage ist dramatisch. Es knarzt jetzt an allen Ecken und Enden», sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller, der Deutschen Presse-Agentur. In diesem Jahr werde sich die Zahl der Verfahren auf rund 200.000 verdoppeln. Bereits im vergangenen Jahr hatte es bei den Klagen von Flüchtlingen eine Verdopplung gegeben: Von 50.000 (2015) auf 100.000 (2016).

Immer mehr Flüchtlinge klagen gegen ablehnende Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) - oder auf den vollen Flüchtlingsstatus. Zwar sei die Zahl der knapp 2.000 Richter in den vergangenen anderthalb Jahren signifikant erhöht worden. «Die Gerichte finden aber gar nicht so viele geeignete Bewerber wie wir bräuchten», sagte Seegmüller, der Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist. «Die Situation momentan ist einfach sehr, sehr belastend.»

Beispiel Rheinland-Pfalz: Hier hat sich am landesweit für Asylsachen zuständigen Verwaltungsgericht Trier die Zahl der Asylverfahren in den ersten sieben Monaten dieses Jahres fast verdreifacht: Von 3.350 in 2016 auf 9.500. «Die Arbeitsbelastung ist extrem hoch», sagte Gerichtspräsident Georg Schmidt der dpa. Er forderte «rasch und dringend» mindestens zwölf zusätzliche Richterstellen. Eine Abnahme der Arbeit sei nicht in Sicht: Der Stapel der noch nicht bearbeiteten Verfahren belaufe sich auf knapp 10.000 Asylsachen.

An manchen Gerichten gibt es laut Seegmüller allmählich auch ein Raumproblem. Zudem sei «nicht-richterliches Personal» unzureichend vorhanden. Kurzfristig helfe derzeit nur: «Möglichst viel Personal einstellen, genügend Räume und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen und so gut wie möglich versuchen, das Thema abzuarbeiten.»

Aber: Um die Situation zu entschärfen, müsse man auch prüfen, wie man «gleichförmige tatsächliche und rechtliche Fragen» schneller beispielsweise durch das Bundesverwaltungsgericht entscheiden lassen könne, sagte der Richter. «Da muss der Gesetzgeber mal nachdenken, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, im Wege eines gesonderten Vorlageverfahrens oder mit anderen neuen prozessualen Instrumenten einfach schnellere Entscheidungen gleichartiger Tat- und Rechtsfragen zu ermöglichen.»

Es gebe Fragen, «die man einmal durch ein oberstes Gericht im Prinzip entscheiden könnte, und dann wäre das geklärt», sagte Seegmüller. «So entscheiden das 15 Oberverwaltungsgerichte und 51 Verwaltungsgerichte dieselben tatsächlichen und rechtlichen Fragen nebeneinander und das macht viel unnötige Arbeit.»

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Ingo Kerp 15.08.17 13:22
Für die Asylanten kein Problem, der Steuerzahler übernimmt die Kosten bei einer Klageeinreichung. Die Anwälte übernehmen gerne, da sie wissen, die Rechnungen werden sicher und pünktlich bezahlt. Der deutsche "Finanzier" dieser Aktionen, muß sich dann eben wegen der Gerichtsüberlastung hinten anstellen.
Jürgen Franke 15.08.17 10:40
Der Aufwand bei den Gerichten war doch
vorauszusehen. Wir werden doch genügend arbeitssuchende Juristen in Deutschland haben, die diese Aufgaben bewältigen. Auch die dafür benötigten Räume werden zu finden sein.