«Kampagnen-Guru» bringt die SPÖ vor den Wahlen in größte Nöte

Foto: dpa/Jack Guez
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WIEN (dpa) - Sie gilt schon jetzt als politischer Super-GAU. Die Festnahme eines engen politischen Beraters von Österreichs Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern wegen Korruptionsverdachts dürfte die Siegchancen der Sozialdemokraten bei den Wahlen im Oktober schmälern. Der ohnehin in den Umfragen weit führende ÖVP-Chef Sebastian Kurz kann sich die Hände reiben. «Wenn er keine Fehler macht, ist er nur noch schwer einzuholen», ist Politikberater Thomas Hofer überzeugt. Mit Kurz käme ein Vertreter der strikten Anti-Migrationspolitik ins Amt, mit dem sich Angela Merkel dem Vernehmen nach nicht allzu gut versteht.

Geldwäsche, Betrug und Bestechung, darum geht es bei den Ermittlungen unter anderem gegen den langjährigen SPÖ-Berater Tal Silberstein. Seit Montag sitzt er mit Geschäftskollegen zunächst für einige Tage in Haft. Es geht darum, ob die Festgenommenen Schmiergeld bereithielten, um Rohstofflizenzen in Afrika zu bekommen.

Das Bild des sichtlich geknickten Verdächtigen war am Dienstag praktisch auf allen Medienseiten in Österreich. Die «Kronen Zeitung» stellte das Foto eines verzweifelt wirkenden Kanzlers dazu. An der für die SPÖ verheerenden Botschaft ändert wohl auch nichts, dass die Partei mit der Sache überhaupt nichts zu tun hat und dass die Vorwürfe bislang unbewiesen im Raum stehen. Die SPÖ trennte sich umgehend von Silberstein.

Silberstein gilt als «Kampagnen-Guru», einer, der weiß, wie Wahlkämpfe zu gewinnen sind. Er stand in seiner israelischen Heimat schon den Ex-Ministerpräsidenten Ehud Olmert und Ehud Barak zur Seite, ebenso rumänischen Politikern. In Österreich beriet er die SPÖ schon 2002. 2006 war er am Wahlsieg von Alfred Gusenbauer maßgeblich beteiligt.

Sein Steckenpferd sind Umfrageanalysen und Wählerbefragungen. So findet er die Themen, die Bürger bewegen und rät seinen Kunden dann, im Wahlkampf darauf zu setzen. Kern hat ihn 2016 engagiert. Silberstein soll etwa den Rechtsruck propagiert haben, nach dem Motto: ohne harte Linie in der Flüchtlingspolitik verliert die SPÖ um ihre Sicherheit besorgte Wähler. Als «Schmutzkübelkampagnenfachmann» bezeichnet ihn die Zeitung «Der Standard».

Für die Wahlkampfkonkurrenten ist der Fall ein gefundenes Fressen. Sie lasten Kanzler Kern schlechtes Urteilsvermögen an. Dass gegen Silberstein beispielsweise in Rumänien Korruptionsermittlungen laufen, war lange bekannt. «Fehlender Weitblick ist fast noch die schmeichelhaftere Erklärung für das Malheur», schreibt «Der Standard». «Schlimmer wäre es, sollte Kern das Risiko bewusst in Kauf genommen haben, weil er Silberstein für unverzichtbar hielt.» Noch im Januar hatte sich Kern öffentlich hinter Silberstein gestellt.

«Vor dem Hintergrund der Verdachtsmomente (...) bekommt der SPÖ-Slogan "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht" eine völlig neue Bedeutung», ätzte der Generalsekretär der rechtspopulistischen FPÖ, Herbert Kickl. Die Partei fordert den Rücktritt Kerns, sollten sich die Vorwürfe gegen Silberstein erhärten. «Wie ist es möglich, dass man eine derart umstrittene Figur wie Silberstein als Berater des Bundeskanzlers ins österreichische Machtzentrum in eine Schlüsselposition setzt?», so Kickl.

«Wir haben von Anfang an kritisiert, dass die SPÖ mit solchen Beratern arbeitet und Wahlkampfmethoden nach Österreich importiert, die es bei uns nicht geben sollte», schrieb die Generalsekretärin der konservativen ÖVP, Elisabeth Köstinger, auf Facebook. Die SPÖ führt seit 2013 eine große Koalition mit der ÖVP. Die Zwangsehe gilt als zerrüttet.

Die Konkurrenz werde die Führungsfähigkeit des Regierungschefs infrage stellen, der schillernde bis dubiose Figuren in seiner Nähe dulde, sagt Politberater Hofer: «Spätestens bei den TV-Duellen kommt das auf ihn zu.» Gerade für die auf Bierzelt-Wahlkampf spezialisierte FPÖ, auf deren Feld die SPÖ mit ihrer Sicherheitskampagne wildern wollte, scheint die Affäre ein politisches Geschenk. Die FPÖ war zuletzt in Umfragen stark abgerutscht.

Für Kurz, der die konservative ÖVP zur «Bewegung» stilisiert hat, läuft dagegen bislang alles wie am Schnürchen. In Umfragen lag seine Partei zuletzt bei 32 Prozent der Stimmen, vor SPÖ und FPÖ mit jeweils 25 Prozent. Der 30-Jährige produziert mit einfachen Mitteln wie der häppchenweisen Vorstellung immer neuer Quereinsteiger auf aussichtsreichen Plätzen der ÖVP-Bundesliste - zuletzt waren das eine querschnittgelähmte ehemalige Spitzensportlerin, ein Mathematiker und ein Polizeichef - Schlagzeilen und vermittelt den Eindruck: Da versucht einer tatsächlich etwas Neues.

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