Juncker für Europa der «konzentrischen Kreise»

Foto: epa/Olivier Hoslet
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BRÜSSEL (dpa) - EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker plädiert für ein Europa der «konzentrischen Kreise», in dem nicht alle Staaten gleich eng zusammenarbeiten.«Wir können viel gemeinsam tun, aber es ist nicht mehr zeitgemäß anzunehmen, dass wir alle zusammen dasselbe machen könnten», sagte Juncker am Donnerstagabend. Die Ideen will er in den nächsten Tagen in einem Reformkonzept ausführen.

Zuletzt hatte bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten geworben. Die Idee kursiert seit Jahrzehnten, und zum Teil ist sie bereits Realität. So beteiligen sich nur einige der - mit Großbritannien - derzeit noch 28 EU-Staaten am Schengen-Raum oder an der gemeinsamen Währung Euro. Doch wurde dabei lange unterstellt, dass sich andere der «Vorhut» nach und nach anschließen. Juncker hob dagegen eher darauf ab, dass sich die EU bei etlichen Fragen nicht mehr einigen kann.

Er sprach bei einer Veranstaltung im belgischen Louvain-la-Neuve von einer zentralen Frage: «Wollen wir als 28 voranschreiten - wir haben den 28. schon verloren - oder muss es nicht so sein, dass die, die schneller voranschreiten wollen, dies tun können, ohne die anderen zu stören, und dabei ein strukturierteres Gebilde schaffen, das für alle offen ist? Dafür werde ich mich in den nächsten Tagen aussprechen.»

Dann will die Kommission ein sogenanntes Weißbuch vorlegen, als Grundlage für die weitere Debatte über die Zukunft der EU. Anlass ist der bevorstehende 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März. An dem Tag ist ein Sondergipfel in Rom geplant.

Juncker beschrieb das künftige Europa als «Gebilde, das einen Kern hat und verschiedene Kreise». Im Zentrum stünden jene, die sich einig seien, so viel wie möglich zusammen zu machen. Bei einzelnen Projekten könnten sich unterschiedliche Gruppen zusammentun, etwa bei der gemeinsamen Währung, bei Verteidigungsfragen oder bei der Förderung der Wissenschaft.

Bei einer engeren wirtschaftspolitischen Koordination würden wohl nur wenige mitmachen, sagte Juncker. Die Zahl sei aber nicht vorherzubestimmen. «Man muss sich den Kontinent in konzentrischen Kreisen vorstellen», fügte er hinzu. Im «Orbit» könnten jene einen Platz finden, die nicht denselben Ehrgeiz der Integration teilten wie die anderen. Er nannte Großbritannien nach dem Brexit und die Türkei - «oder andere, die davon noch nichts wissen».

Die EU sieht sich nach dem Votum der Briten für einen Austritt seit Monaten in einer schweren Krise. In wichtigen Fragen wie etwa der Asylpolitik ist sie tief zerstritten. Auch die wirtschaftlichen Ungleichgewichte und die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa zerren an der Einheit der Gemeinschaft.

Das Europaparlament hatte kürzlich Vorschläge für eine Vertiefung der Union mit einer EU-Regierung und einer zweiten Parlamentskammer zur Debatte gestellt. Merkel und andere Staatenlenker wollen aber keine Reformen, die über die jetzigen EU-Verträge hinausgehen.

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Jürgen Franke 26.02.17 01:32
Tolle Idee, Herr Juncker, nur viel zu spät
und ohne die Britten ist Europa nichts. Außerdem sollte man inzwischen gelernt haben, alle Aktivitäten vorher dem Volk zu erklären, um möglichst anschließend mit dem Volk gestalten zu können.