JU macht Druck auf Merkel

JU-Chef Paul Ziemiak im Gespräch mit Angela Merkel. Foto: epa/GUIDO KIRCHNER
JU-Chef Paul Ziemiak im Gespräch mit Angela Merkel. Foto: epa/GUIDO KIRCHNER

BERLIN/DRESDEN (dpa) - Kurz vor dem Krisentreffen von CDU und CSU wächst der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel hin zu einem Politik- und Personalwechsel in der Union. Die Junge Union (JU) pochte zum Auftakt ihres «Deutschlandtags» in Dresden auf eine Schärfung des konservativen Profils der Schwesterparteien.

CDU und CSU müssten ihre Differenzen rasch beilegen, damit unmittelbar darauf Jamaika-Sondierungsgespräche mit FDP und Grünen starten könnten. «Am Montag muss es losgehen», sagte JU-Chef Paul Ziemiak am Freitagabend. Zudem müsse die Parteibasis über einen Koalitionsvertrag abstimmen. Der als Merkel-Kritiker bekannte CDU-Finanzstaatssekretär Jens Spahn forderte eine striktere Flüchtlingspolitik.

Beim «Deutschlandtag» stellt sich Merkel an diesem Samstag in Dresden erstmals nach der Bundestagswahl der Parteibasis. Nicht nur innerhalb des Tagungszentrums könnte es für sie ungemütlich werden. Weil Anhänger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung im Internet zu Störaktionen aufgerufen haben, verstärkt die Dresdner Polizei ihre Kräfte. Man rechne mit Störungen, sagte der leitende Polizeiführer am Freitagabend. Offiziell ist aber keine Demonstration angemeldet.

Ziemiak fordert Konsequenzen aus dem historisch schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl. Jamaika sei nicht die Wunschkoalition der Union, heißt es in der «Dresdner Erklärung», die der «Deutschlandtag» beschließen wollte. CDU und CSU müssten mit neuen Köpfen sicht- und hörbarer werden. «Dazu muss sich die Union breiter aufstellen und den Mut haben, durch neue Gesichter in Regierung, Fraktion und Partei das gesamte Spektrum einer Volkspartei abzubilden.» Das stärke auch Merkel, heißt es darin.

Eine zentrale Forderung in dem JU-Papier bezieht sich auf die Begrenzung der Zuwanderung. Diese müsse von einem Jamaika-Bündnis in einem Einwanderungsgesetz festgeschrieben werden. «Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Was wir nicht brauchen, ist eine ungesteuerte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme.» Das Wort Obergrenze taucht in der fünfseitigen Erklärung nicht auf.

Der Streit über eine Obergrenze wird zentrales Thema des Spitzentreffens von CDU und CSU am Sonntag zur Vorbereitung von Sondierungsgesprächen über eine Jamaika-Koalition sein. Die CSU fordert die Aufnahme von höchstens 200.000 Flüchtlingen pro Jahr. Merkel lehnt eine solche pauschale Festlegung klar ab - Grüne und FDP auch. Ziemiak sagte, weil die Zahl der Kriegsflüchtlinge und Asylberechtigen stark gesunken sei, stelle sich die Frage nach einer Obergrenze in dem Zusammenhang nicht mehr. Zuwanderung aus wirtschaftlichen Gründen müsse aber strikt beschränkt werden.

Finanzstaatssekretär Spahn sagte am Abend vor der Parteijugend zum Streit über eine Obergrenze, es sei ihm «total egal, wie das heißt, entscheidend ist das Signal». Spahn wurde mit großem Beifall von der Jungen Union empfangen. Trotz Bedenken gegen eine Zusammenarbeit mit den Grünen warb er für Verhandlungen über eine Regierung mit FDP und Grünen. Wenn man in einem Jamaika-Bündnis gute Kompromisse finde, «haben wir die Chance, einen der größten gesellschaftlichen Konflikte der vergangenen Jahre zu befrieden».

Die Junge Union erwartet, dass sich die Union auf eine gemeinsame Linie bereits am Sonntag einigt - um gleich darauf Sondierungsgespräche zu beginnen. Vor Weihnachten müsse eine neue Regierung gebildet sein, sagte Ziemiak. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hatte zuvor angedeutet, dass eine Regierungsbildung bis 2018 dauern könne.

CSU-Chef Horst Seehofer gibt sich vor dem Spitzentreffen aber unnachgiebig. «Ich kann ohne eine Lösung zur Obergrenze zu meiner Basis nicht zurück», sagte er in München. Ob er auf dem Wort Obergrenze bestehen wird, ließ er offen. Auch der Vorsitzende der Jungen Union Bayern, Hans Reichhart, bekräftigte die CSU-Obergrenzenforderung. «Es muss einen Mechanismus geben, und zwar in Gesetzesform, der verhindert, dass sich das Jahr 2015 wiederholt - das muss die rote Linie der CSU sein», sagte er der dpa.

56 Prozent der Bevölkerung unterstützen die Forderung der CSU nach einer Obergrenze, 28 Prozent sind dagegen, eine konkrete Zahl im neuen Koalitionsvertrag zu verankern, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa ergab.

Neben einer strikteren Einwanderungspolitik richtet der Parteinachwuchs der Union einen Katalog an Forderungen an eine unionsgeführte Jamaika-Regierung. Sie müsse eine generationengerechte Politik verfolgen. «Es darf keine weiteren Rentengeschenke zu Lasten der jungen Generation geben.» Ein Jamaika-Bündnis müsse die digitale Infrastruktur ausbauen, Familie und Bildung fördern. Die JU spricht sich zudem klar gegen Verbot von Verbrennungsmotoren bis 2030 aus.

Die Junge Union pocht zudem darauf, dass ein CDU-Parteitag über einen Koalitionsvertrag für eine Jamaika-Bündnis abstimmt. «Ohne einen ordentlichen Bundesparteitag wird es keinen Koalitionsvertrag geben», sagte Ziemiak am Abend. Früher habe ein kleiner Kreis über solche Vereinbarungen entschieden. «Zeiten ändern sich. Und die Mitglieder wollen auch an diesen Entscheidungen beteiligt werden.» Ein Parteitag müsse diskutieren, wie die Union in die Zukunft gehen soll.

Auch die Kommunalpolitische Vereinigung der Union (KPV) forderte eine Abstimmung auf einem Parteitag. Die CDU-Führung hat sich noch nicht festgelegt, ob in den Spitzengremien oder auf einem Parteitag über einen möglichen Jamaika-Vertrag abgestimmt werden soll. Vorschriften dafür gibt es nicht. Vor vier Jahren hatte die CDU auf einem Kleinen Parteitag über den Koalitionsvertrag mit der SPD entschieden. Dem Bundesausschuss genannten Gremium der CDU gehören knapp 200 Delegierte an. Ein regulärer Parteitag hat 1001 Delegierte.

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