Jamaika-Sondierungen: Zähes Ringen

Foto: dpa/Michael Kappeler
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BERLIN (dpa) - Nach der Verlängerung der Sondierungen haben sich die Jamaika-Unterhändler von CDU, CSU und FDP bis spätestens Sonntagabend eine Frist für eine Lösung gegeben.

«Allen Beteiligten ist klar, dass wir Sonntag um 18.00 Uhr die Sache abschließen müssen», sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki am Freitag nach Beratungen in Berlin. Nur die Grünen äußerten sich nicht so deutlich hinsichtlich einer Frist bis zum Sonntagabend. Bei den zentralen Streitthemen kamen die Parteien auch am Freitag nicht wesentlich voran. Es klemmt nach wie vor bei den Themen Zuwanderung, Klimaschutz und Finanzen.

Die Unterhändler waren am Nachmittag erneut zusammengekommen, nachdem zuvor in der angeblich entscheidenden Runde auch nach 15 Stunden noch kein Ergebnis auf dem Tisch lag. Nun sollen bis Sonntagabend alle Themen nochmals aufgerufen werden.

Auch CSU-Chef Horst Seehofer dringt auf eine Entscheidung möglichst an diesem Sonntag. «Wir haben das Ziel, dass wir am Sonntag fertig werden. Die Bevölkerung hat jetzt die Erwartung und auch den Anspruch darauf, zu wissen, ob eine Regierungsbildung möglich ist oder nicht», sagte Seehofer der Deutschen Presse-Agentur. Zu Gerüchten über einen angeblichen Machtkampf zwischen ihm und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in den Sondierungsgesprächen sagte Seehofer: «Vollkommener Blödsinn, Schwachsinn, Unsinn.»

Dobrindt hofft trotz der vielen offenen Streitpunkte auf einen Erfolg der Sondierungsgespräche. «Wir sollten den Versuch dringend machen», sagte er auf die Frage, ob er wolle, dass die Gespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen gelingen. Dobrindt hatte sich während der Verhandlungen heftige Wortgefechte mit Vertretern der Grünen geliefert.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki erwartet ebenfalls an diesem Wochenende ein Ergebnis der Sondierungen. «Allen Beteiligten ist klar, dass wir Sonntag um 18 Uhr die Sache abschließen müssen», sagte er. Dieses Land warte wirklich darauf, «dass wir endlich zu Potte kommen». Es wäre ein Ausweis von mangelnder Politikfähigkeit, «wenn wir trotz unterschiedlicher Auffassungen im Ausgangspunkt uns jetzt nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können».

Hessens CDU-Chef Volker Bouffier rief die Jamaika-Partner zum Einlenken in den Streitfragen auf. «Es muss sich eine Kultur entwickeln des gegenseitigen Vertrauens», sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende im Hessen Fernsehen. Auch er betonte: «Am Sonntag ist Feierabend. Da muss man wissen, was herauskommt.»

CDU-Generalsekretär Peter Tauber betonte in einem Youtube-Beitrag, man müsse bei den Themen Klima, Migration und Finanzen «wirklich nochmals hart miteinander ins Gericht gehen». An anderen Stellen habe die CDU viel durchsetzen können. «Die Handschrift der CDU ist beim jetzigen Stand klar erkennbar», etwa bei der besseren Unterstützung von Familien oder etwa mehr Stellen für die Polizei.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte, in den Kernfragen habe sich «nicht genug bewegt». So seien sich zwar alle einig, dass mehr in die Bildung investiert werden müsse. Nötig sei aber auch eine Aufweichung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern in der Bildung. Dennoch machte Buschmann deutlich, dass er weiter auf den Erfolg hofft.

Kanzlerin Angela Merkel, die die Unterhändler für Freitagmittag in die CDU-Parteizentrale geladen hatte, sagte, sie gehe trotz aller Schwierigkeiten mit dem Willen in die Verhandlungen, «den Auftrag, den uns die Wähler gegeben haben, eine Regierung zu bilden, auch umzusetzen. Es wird sicherlich nicht einfach, es wird sicherlich hart, aber es lohnt sich, heute Runde zwei nochmals zu drehen». Merkel sagte: «Die Aufgabe, eine Regierung für Deutschland zu bilden, die ist eine so wichtige Aufgabe, dass sich die Anstrengung lohnt.»

Die Grünen unterbreiteten beim Streitthema Verkehr ein neues Kompromissangebot. Darin fehlt unter anderem die von der Ökopartei bisher geforderte höhere Besteuerung von Diesel. Von einem festen Datum für ein Verbot der Neuzulassung von fossilen Verbrennungsmotoren hatten sich die Grünen in den Sondierungen schon verabschiedet. Stattdessen heißt es in dem Textvorschlag nur noch: «Wir setzen uns als Ziel in den nächsten zwei Dekaden den Zeitpunkt zu erreichen, ab dem ausschließlich emissionsfreie Neuwagen auf den Markt kommen.»

Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte: «Trotz der schwierigen Gespräche bin ich optimistisch, dass es gelingen kann.» Nun gelte es, dem Land eine gute Regierung zu stellen. Dafür trügen alle Beteiligten an den Sondierungen eine Verantwortung.

Nach dem Fahrplan fürs Wochenende soll am Samstagvormittag der Klimaschutz wieder aufgerufen werden, mittags Migration und nachmittags Verkehr sowie Landwirtschaft. Am Sonntag soll dann über die Themen Inneres, Familie, Kommunales, Soziales und dann wieder Finanzen beraten werden.

SPD-Chef Martin Schulz fürchtet, dass eine Jamaika-Koalition unter Führung Merkels Europa schweren Schaden zufügen wird. Es gebe dramatische Widersprüche in der Europa-Politik von CDU, CSU, FDP und Grünen. Deutschland werde als Partner des mutigen französischen Präsidenten Emmanuel Macron ausfallen, sagte der frühere EU-Parlamentspräsident in Berlin.

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