Jamaika - Grüne verlangen Zugeständnisse

Foto: epa/Felipe Trueba
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BERLIN (dpa) - Die Grünen treten dem Eindruck entgegen, sie seien im Verhandlungspoker mit den anderen Jamaika-Parteien zu schnell von wichtigen Positionen abgerückt. In der Innenpolitik sind CDU, CSU, FDP und Grüne noch ziemlich uneins.

Die Grünen haben Union und FDP vorgeworfen, sie seien bei den Jamaika-Sondierungsgesprächen bisher zu wenig kompromissbereit. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der «Bild am Sonntag»: «Bei der Europa-, Außen- und Innenpolitik, beim bezahlbaren Wohnen, bei guter Arbeit, der Verkehrs- und Agrarwende spüren wir keinerlei Entgegenkommen.»

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin nannte die Abschaltung der Kohlekraftwerke als einen wesentlichen grünen Standpunkt. Wenn Angela Merkel mit den Stimmen der Grünen zur Kanzlerin gewählt werde wolle, müsse sie sich bewegen, sagte der Ex-Umweltminister am Samstag bei einer Landesdelegiertenkonferenz seiner Partei in Hameln. «Komm mal rüber», rief er der CDU-Vorsitzenden zu.

Die Grünen-Verhandlungsführerin Katrin Göring-Eckardt sagte, die Grünen seien von den international und national vereinbarten Klimazielen mitnichten abgerückt. Sie hätten nur gesagt, «wir können gerne darüber reden, wie man sie erreicht - zurückgekommen ist nicht sehr viel in dieser Woche.» Die Klimaexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte den Grünen im Nachrichtenportal t-online.de vorgeworfen, «wichtige Klimaschutz-Ziele ohne Not aufgegeben» zu haben.

Die Jamaika-Parteien wollen bis kommenden Donnerstag ihre laufenden Sondierungen abschließen und mögliche Koalitionsverhandlungen prüfen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warnte Merkel davor, auf Zeit zu spielen. «Es darf nicht sein, dass die zentralen Streitpunkte erst in der Nacht zu Freitag auf den Tisch kommen», sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND, Montag). «Die Kanzlerin täuscht sich, sollte sie glauben, uns Grüne unter Zeitdruck überrumpeln zu können.»

Die Grünen-Politikerin Claudia Roth forderte, die nächste Bundesregierung dürfe keine Rüstungsgüter mehr an Saudi-Arabien liefern. «Leider gibt es in dieser Hinsicht noch keine Bewegung bei Union und FDP», fügte sie hinzu.

Auch in der Sicherheits- und Innenpolitik sind sich die Sondierer nach dpa-Informationen in zentralen Punkten noch uneins. Vor allem bei der Vorratsdatenspeicherung und der Telekommunikationsüberwachung gibt es bisher keine Annäherung. Für FDP und Grüne ist die anlasslose Speicherung von Daten «ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Grundrechte». Die Union will an der Vorratsdatenspeicherung «als notwendigem Instrument zur Verhinderung von Terroranschlägen und Aufklärung schwerster Kriminalität» festhalten. Sie solle zudem auf Wohnungseinbrüche ausgeweitet werden.

Auch bei Telekommunikationsüberwachung und Onlinedurchsuchung werden schwer zu überbrückende Differenzen deutlich. FDP und Grüne halten fest: «Keinesfalls darf sich der Staat als Hacker betätigen oder Sicherheitslücken auf dem Schwarzmarkt ankaufen und ausnutzen.»

Beim strittigen Thema Volksbefragung stellen CSU, Grüne und FDP fest: «Wir wollen die parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzen.» Minderheiten- und Grundrechte stünden dabei nicht zur Disposition. Die CDU hält nichts von bundesweiten Volksbefragungen.

Einig sind die die Jamaika-Unterhändler dagegen beim Vorsatz, so schnell wie möglich zusätzliche Stellen für die Polizei in Bund und Ländern, die Justiz sowie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu schaffen. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Kampf gegen den Terrorismus soll gestärkt und der Einsatz von Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten ermöglicht werden. Außerdem wollen alle ein Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern bei der Aufdeckung von Missständen in Konzernen («Whistleblower»).

Eine grundsätzliche Einigung gibt es einem Medienbericht zufolge auch im Themenbereich Arbeit, Soziales, Gesundheit und Pflege. «Uns eint der Wille, dass jemand, der länger gearbeitet hat, im Alter mehr haben soll als die Grundsicherung», zitierte die «Rheinische Post» aus einem entsprechenden Papier. Jamaika wolle auch die Erwerbsminderungsrente verbessern sowie die private Vorsorge stärken. Beim Thema Pflege setzen die Unterhändler demnach auf ein Programm für mehr Personal sowie die Unterstützung von Angehörigen.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, betonte: «Auch bei der Rente gilt, dass von einer Einigung nur die Rede sein kann, wenn das Paket stimmt. Für die FDP gehört in dieses Paket der flexible Renteneintritt.»

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