Isetta unter Strom - Revival als E-Mobil

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Eine "Taxi-Isetta" noch ganz ohne modernen Elektroantrieb. Foto: epa/Uwe Zucchi

HANNOVER (dpa) - Die Isetta ist ein Kleinstwagen, den BMW von 1955 bis 1962 baute - wegen seiner Form wurde er auch als «Knutschkugel» bekannt. Auf der Hannover Messe erlebt sie als E-Version nun eine Renaissance. Sie ist exemplarisch auf einer Messe, die der Industrie von morgen nachspürt.

Oliver Ouboter hat das, wovon die Industrie auf der Hannover Messe spricht: ein altes Technik-Konzept in neuem Gewand. In Halle 27 präsentiert er den Microlino - ein zweisitziges Elektroauto im Isetta-Retrolook. Seit es der Schweizer Tretroller-Hersteller Micro Mobility Systems 2016 erstmals auf dem Genfer Automobilsalon präsentiert hat, schnellten die Reservierungen in die Höhe. «Wir liegen momentan bei 2.900 Reservierungen und gehen bis zum Jahresende von 5.000 aus», sagt Ouboter, der die moderne Neuauflage der einst von BMW gebauten legendären Nachkriegslegende gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder zunächst als PR-Gag entworfen hatte.

Gestern trifft auf morgen: Bei der Hannover Messe ist das Thema Programm. Dort hat die Industrie nicht nur die digitale Zukunft fest im Visier, sondern auch den Blick zurück im Programm. Zwar sind die liebevoll restaurierten Shuttle-Bullis von VW für die Messe-Besucher nur eine nostalgisch-verklärte Randnotiz. Doch an anderer Stelle wird die Technik von einst bewusst als Demonstration eingesetzt. Sie soll dem noch immer zaudernden Mittelstand Mut machen, sich auf das Abenteuer der vernetzten Industrie von morgen einzulassen.

Der Bosch-Konzern etwa hat dafür aus dem Museum eine Werkbank aus dem Jahr 1887 aufs Messegelände gekarrt, an der einst Gründerpionier Robert Bosch schon werkelte. Sie dient als Anschauungsstück dafür, dass auch die Industrie 1.0 durchaus mit Software und moderner Technik auf den Stand der heutigen Industrie 4.0 aufgerüstet werden kann. Kurzum: Dass Unternehmer nicht ganze Fabriken neu bauen müssen, sondern die Modernisierung veralteter Technik durchaus ohne allzu große Kosten machbar ist. Denn viele Unternehmen können sich keinen radikalen Umbau ihrer Fertigungsstätten leisten, sondern setzen eher auf einen sanften Umbau während der laufenden Produktion.

Die moderne Version der einst liebevoll als «Knutschkugel» gefeierten Isetta, die mit ihrer nach vorne öffnenden Tür auf ein italienisches Design zurückgeht, ist so ein Beispiel. Auf der Hannover Messe ist die Nachfrage rege. «Das Ding ist ne Wucht - kann ich heute schon einen bestellen?», fragt etwa Guido Rösler, der den kleinen Flitzer für seine Jagdleidenschaft nutzen will und einst als Student mit einer gebrauchten BMW-Isetta durch München gefahren ist.

Als praktisches Elektroauto ohne hohe Ansprüche soll es ohne Schnelllade-Säulen auskommen, da es jede normale Steckdose als Aufladestation nutzen kann. Der 400 Kilogramm leichte Prototyp wurde unter anderem mit 3D-Druck-Komponenten in China zusammengebaut und soll im kommenden Jahr mit einer Faserverbund-Karosse und einem 24-PS-Elektromotor beim italienischen Elektroautomobilhersteller Tazzari in Italien in Serie gehen. So wie das Rollermobil Isetta in den 50er Jahren zur Massenmobilisierung beitrug, soll der Microlino nach der Vorstellung von Ouboter trotz einer Reichweite von gerade mal 100 Kilometern heute der E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen.

Mehr Reichweite hat auch der elektrische Lieferwagen Ursus «Elvi» des gleichnamigen polnischen Traktor- und Bus-Herstellers nicht, der ein paar Stände weiter Aufmerksamkeit erregt. Was den «Elvi» einmalig macht? «Er hat Platz für mindestens zwei Leute und eine Tonne Zuladung», sagt Projektoffizier Michal Wisniewski. Was ihn stolz macht: Die Karosserie des Prototyps wurde komplett per 3-D-Druck gefertigt. Wie die Isetta-Version - die etwa 20 Prozent länger und breiter als das Original ist - soll die Karosserie aber später aus Faserverbund-Werkstoff hergestellt werden. Was BMW zu der Isetta- Kopie meint? «Die haben wir gefragt wegen möglicher Rechte; die haben uns nur recht viel GLück gewünscht bei unserem Projekt», so Ouboter.

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