Im Airline-Monopoly hat Lufthansa einen starken Lauf

Foto: epa/Clemens Bilan
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FRANKFURT/MAIN (dpa) - Das Urteil der Börse war eindeutig: Die Pleite der Air Berlin ist vor allem für die Lufthansa gut. Sie könnte der große Gewinner bei der Zerschlagung sein, während ihr ärgster Gegner außen vor bleibt.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat stets drei Hindernisse für eine Komplettübernahme der Air Berlin genannt: Die horrenden Schulden, das Kartellrecht und die hohen Produktionskosten der Berliner. Mit der Insolvenz zeichnet sich die Zerschlagung von Deutschlands zweitgrößter Airline ab, bei der Spohrs Bedenken zumindest zu großen Teilen gelöst werden könnten. Im immer rasanter werdenden Airline-Monopoly Europas hat der Kranich-Konzern gerade einen Lauf - während die Konkurrenz nicht recht zum Zuge kommt.

Nach Aussagen von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will die Bundesregierung die Erbmasse von Air Berlin in den Händen der Lufthansa sowie zwei weiterer Airlines sehen. Insidern zufolge sind Easyjet und Tuifly beim Millionenspiel dabei, Interesse hat auch Condor geäußert.

Als sicher gilt, dass die bereits an die Lufthansa vermieteten 38 Mittelstrecken-Flugzeuge weiter für deren Töchter Eurowings und Austrian unterwegs sein werden. Spohrs Blick richtet sich darüber hinaus wohl vor allem auf die Langstreckenflotte von Air Berlin. Die 17 Airbus A330 könnten die noch kleine Fernsparte der Lufthansa-Tochter Eurowings pushen. Für Easyjet könnten vor allem die Europa- und Inlandsflüge von Air Berlin attraktiv sein.

Wer was bekommt, dürfte sich vor allem aus kartellrechtlichen Erwägungen ergeben, sagt Luftverkehrsberater Gerd Pontius. Monopole auf einzelnen Strecken müssten unbedingt verhindert werden, um Kritikern keine Angriffspunkte zu liefern.

Die Aufspaltung von Air Berlin könnte auch die deutsche Ferienflieger-Branche durcheinander wirbeln. Reiseveranstalter wie Tui, Thomas Cook (Neckermann Reisen), DER Touristik oder FTI schicken bisher viele ihrer Kunden mit Air Berlin zu Sonnenzielen etwa ans Mittelmeer. Inzwischen liegt Air Berlins Ferienflug-Geschäft bei ihrer österreichischen Tochter Niki, die noch keine Insolvenz beantragt hat. Ihre Zukunft ist völlig offen. Sie ist mit insgesamt 35 Jets unterwegs, 14 davon hat sie samt Besatzungen von Tuifly geleast. Nach der Pleite könnten diese Maschinen schnell auf dem Hof der Tuifly stehen - auch wenn deren Chef Fritz Joussen bisher lieber weniger eigene Flugzeuge betreiben wollte, zumal Tuifly-Piloten ähnlich gut verdienen wie ihre Kollegen bei der Lufthansa.

Die arabische Fluglinie Etihad hat spätestens mit der Insolvenz von Air Berlin ihre internationale Beteiligungsstrategie begraben. Die Airline aus Abu Dhabi hat den Stecker bei Air Berlin schneller als erwartet gezogen. Die Milliardensummen, die sie in Air Berlin und die ebenfalls in der Insolvenz steckende Alitalia gepumpt hat, muss sie wohl abschreiben. Zugleich flog Etihad wegen Air Berlin, Alitalia sowie ungeschickter Treibstoff-Einkäufe 2016 fast 1,9 Milliarden Dollar Verlust ein.

Doch auch Emirates und Qatar Airways, die europäischen Platzhirschen wie Lufthansa und Air France-KLM mit günstigen Tickets und Spitzenservice über Jahre Fluggäste abjagten, kämpfen mit Schwierigkeiten. Der Preiskampf bei den Flugtickets ließ den Gewinn von Emirates im Geschäftsjahr bis Ende März 2017 um mehr als 80 Prozent einbrechen. Bei Qatar ging es unter dem Strich zwar aufwärts. Doch ein Embargo der Nachbarstaaten macht der Airline zu schaffen.

Neben der Lufthansa sollen noch mindestens zwei Gesellschaften aus der Air-Berlin-Erbmasse bedient werden. Der große Lufthansa- Konkurrent und Passagier-Europameister Ryanair kocht deshalb vor Wut. Denn sie sind nicht dabei. Die Iren vermuten hinter Insolvenz, staatlichem Überbrückungskredit und anschließender Zerschlagung ein «offensichtliches Komplott» der deutschen Airlines mit der Politik. Der nationalen Wettbewerbskontrolle traut Ryanair keine unabhängige Entscheidung zu und legt daher gleich Beschwerde bei der EU ein.

Mindestens in der SPD gibt es gegen den Arbeitgeber Ryanair große Vorbehalte wegen zweifelhafter Beschäftigungsmodelle bei den Piloten und hohem Arbeitsdruck auf das Kabinenpersonal. «Arbeitsplätze à la Ryanair sind keine Lösung für das Land und für die Menschen», schimpft auch Nicoley Baublies von der Kabinengewerkschaft Ufo. Ähnlich äußern sich Verdi und die Vereinigung Cockpit.

Ryanair steht sich aber auch selbst im Weg, schließlich haben es die Iren bislang strikt ausgeschlossen, marode Fluggesellschaften zu übernehmen. Einen Großteil ihrer Kostenvorteile schöpft Ryanair zudem aus der einheitlichen Flotte aus mehr als 300 Boeing 737-Maschinen. Diesen Typ hat Air Berlin nicht zu bieten. Sie passt mit Airbus-Mittelstreckenjets viel besser zu Easyjet, Eurowings oder Condor.

Neben den Kartellklagen bleibt der brexit-gebeutelten Ryanair daher nur der bereits eingeschlagene Weg, immer mehr Jets an kontinental-europäischen Flughäfen zu stationieren und dort nach lohnenden Verbindungen zu suchen. Im Jahr 2024 will Chef Michael O'Leary nicht weniger als 520 Flugzeuge an Europas Himmel haben. Das Airline-Monopoly geht weiter.

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