Hochaktuell: Die aufwühlende Doku «The Look of Silence»

BERLIN: Die Geschichte wird bei uns nur wenigen bekannt sein: Nach einem Militärputsch 1965 wurden in Indonesien Hunderttausende Menschen als angebliche Kommunisten verfolgt und umgebracht. Unzählige wurden gefoltert und gequält, ihre Leichen in Flüsse geworfen.

Von diesen grausamen Massakern erzählt nun der US-Amerikaner Joshua Oppenheimer in seiner berührenden Dokumentation «The Look of Silence». Der Werk verknüpft dabei einprägsam, wie die Gräuel der Vergangenheit auch die Menschen in der Gegenwart traumatisieren können - ein hochaktuelles Thema.

Schon in seiner Oscar-nominierten Doku «The Act of Killing» hatte sich Regisseur Oppenheimer mit dieser Thematik vor allem aus Sicht der Mörder beschäftigt. Einige Jahre später kehrte er zurück und fokussiert in «The Look of Silence» auf eine Familie, die die Mörder ihres Sohnes von damals aufsucht. Die mittlerweile alten Eltern leiden noch immer unter dem Geschehen, leben die Mörder von einst doch weiterhin offen mitten in der Gesellschaft. Die unmittelbare Nähe zu denen, die ihnen dieses Leid zugefügt haben, ist für sie unerträglich.

Ihr Sohn, der zum Zeitpunkt der Massaker noch nicht geboren war, möchte das Schweigen nicht länger hinnehmen und konfrontiert die Mörder von einst mit ihren Taten. Dabei gerät er aber selber in Gefahr. Kritische Fragen? Die sind nicht erwünscht, stattdessen wird die Familie von den wenig einsichtigen Tätern auch noch bedroht, sollte sie ihre Nachforschungen nicht einstellen.

Besonders eindringlich sind dabei die Szenen, in denen Oppenheimer die Männer ihre Morde nachstellen lässt. Sie gerieren sich wie in einem Actionfilm als Helden, die ihren Opfern die Penisse abschnitten, bevor sie sie mit Messern oder Macheten hinrichteten. Reue oder Mitleid ist da auch Jahrzehnte später nicht zu spüren - viele dieser Täter kamen ungestraft davon und haben einflussreiche Positionen in Politik und Verwaltung. Auch wegen dieser Einblicke in die Abgründe menschlicher Seelen lässt einen dieser aufwühlende und außergewöhnliche Film nicht so schnell los.

«Ich wollte die Zuschauer die Stille hören lassen, die nach Gräueltaten folgt, insbesondere wenn es keine Gerechtigkeit gibt», sagte Oppenheimer im vergangenen Jahr in Venedig, wo sein Werk mit dem Großen Preis der Jury, der zweithöchsten Auszeichnung des Filmfestivals, geehrt wurde. Außerdem habe er zeigen wollen, wie es ist, wenn man mit den Tätern zusammenlebt. Sein Protagonist Adi Rukun betonte, wie stark die Lügen und Anfeindungen von einst noch immer in den Köpfen der Menschen verhaftet seien. «Erst wenn wir tot sind, können wir das Trauma beenden, das wir fühlen.»

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