Heiratstraditionen

Töchter werden von ihren Eltern als wertvoller Schatz betrachtet. Solange die

Verbunden durch die geweihte Schnur, verbunden ein Leben lang.
Verbunden durch die geweihte Schnur, verbunden ein Leben lang.

Tochter nicht verheiratet ist, gehört sie zu ihrem Elternhaus, und nach der Heirat gehört sie dann zu der Familie ihres Mannes. Diese Gewohnheit setzt sich noch bis in die heutigen Tage fort. Es wäre z.B. sehr ungewöhnlich, wenn eine unverheiratete Frau (auch als erwachsene Berufstätige) in eine andere, eigene Wohnung zieht, um allein und selbstständig zu sein. Früher war es sogar generell nicht üblich, Mädchen allein zu lassen, egal ob sie zu Hause waren oder ausgingen, sie wurden ständig von irgendeinem Familienmitglied oder einer Hausangestellten begleitet. Meistens waren sie auf dem Weg zu den älteren Verwandten, oder sie gingen zum Tempel, um die Seeligkeit zu erwerben durch ihre Opfergaben (Tambun). Tempel waren früher der Mittelpunkt und zugleich der Treffpunkt aller Menschen, jung und alt. Sich als Mädchen mit einem Jungen zu treffen und zu zweit zu sein, war ein Tabu. Individualismus und Einzelgängertum waren für die Thailänder immer schon keine erstrebenswerte Eigenschaft; sie genieren sich oder fühlen sich dabei unsicher. Viele junge Leute lernten sich damals im Tempel kennen, und trafen sich dann auch bei der nächsten buddhistischen Feier wieder - und dies alles geschah unter der Aufsicht der Eltern. Besonders bei den Adeligen wurde die Erziehung einer Tochter sehr sorgfältig angegangen, denn auf den guten Ruf der Tochter musste sehr geachtet werden. Jungfräulichkeit bis zur Ehe ist auch heute noch für eine breite Gesellschaftsschicht selbstverständlich. Obwohl die Thais heute in ihrer Haltung viel toleranter geworden sind und die westliche Kultur einen gewissen Einfluss hat, gibt es in Thailand dennoch kaum Zeitungen, die Anzeigen für eine Partnerschaft veröffentlichen. Wer als Thaifrau in Medien ein Inserat aufgibt, um Kontakte mit einem Mann aufzunehmen, wird von der Gesellschaft schief angeschaut. Ein thailändisches Motto sagt: "Wenn man zusammengehört, und die Zeit reif ist, dann fügt sich das Schicksal schon von selbst”.

Früher war es üblich, dass die Eltern für ihre Tochter einen Lebenspartner aussuchten, der ihnen zu garantieren schien, dass es ihrer Tochter bei ihm gut gehen würde. Der zukünftige Mann für die Tochter wurde also von den Eltern vorgestellt. Nach der thailändischen Norm müssen die Kinder folgsam sein, denn die älteren Menschen haben mehr Erfahrung und meinen es gut mit ihren Kindern. Um Konflikte zu vermeiden und Harmonie anzustreben, befolgten die meisten jungen Leute früher die Wünsche ihren Eltern und heirateten oft "den Eltern zuliebe” den Mann, den sie gar nicht liebten.

Manche Grossmütter erzählen, dass sie als Braut ihren Bräutigam am Verlobungstag zum ersten Mal sahen. Die Eltern trösteten ihre Kinder etwa mit : "nach einer Weile Zusammensein werdet ihr euch schon lieben.” Nach der Statistik der Ehen unserer Vorfahren, blieben die Paare, die von ihren Eltern vorgestellten wurden, tatsächlich mehr zusammen als die heutigen Paare, die ihre Partner selber aussuchen.

Der genaue Termin und die Stunde der Trauungszeremonie mit Wasserbegiessung wird von einem Astrologen bzw. von einem Mönch festgelegt. Früh am Morgen des Verlobungstages muss der Bräutigam traditionsgemäss den Brauteltern eine entsprechende "Sinsord” - das sind Gold, Verlobungsring und Geld als Brautgeschenk ”vorlegen”, um zu beweisen, dass er in der Lage ist, eine Familie zu gründen und sie auch ernähren kann. Ausserdem gilt das Sinsordgeld sozusagen symbolisch als eine Bezahlung für die Muttermilch, Versorgung, Erziehung, Betreuung seiner Braut. Der Bräutigam darf nicht vergessen, dass die Brauteltern durch die Heirat der Tochter einen grossen Schatz verlieren. Die Höhe der Summe richtet sich nach der sozialen Stellung und dem Reichtum der Familie. Das Brautgeschenk wird nach der Hochzeit an das Brautpaar zurückgegeben für den Aufbau einer neuen Familie. Viele Ausländer wissen nichts von der eigentlichen Absicht dieses Brauches und sehen das Verhandeln um einen Brautpreis wie einen "Warenverkauf” an.

Diese Dinge gehören zur Zeremonie.
Diese Dinge gehören zur Zeremonie.

Nach der Verlobung, meist im Brauthaus gefeiert, werden die Mönche zum Essen eingeladen. Mönche beten vor jeder Mahlzeit - nicht als Dankgebet wie bei den Christen, sondern um die Gläubigen an Buddhas Gebote zu erinnern und für sich selbst das Bewusstsein zu festigen, dass sie die Speise zu sich nehmen, um Kraft und Verstand zu bekommen, und nicht, um zu geniessen. Nach dem Essen beten sie noch einmal, um die Gastgeber und alle Gäste zu segnen. Eine dünne, weisse, Schnur wird während des Gebetes vom ersten bis zum letzten Mönch weitergereicht (meistens sind es 9 Mönche - bei erfreulichen Feiern eine ungerade Zahl). Der erste Mönch in der Reihe ist der leitende Mönch und sitzt immer neben dem Altar, wo die Buddha-Statue steht. Der Altar muss auf seiner rechten Seite stehen. Eine Schale mit sauberem Wasser steht auch in seiner Nähe, dort kann er beim Beten und Segnen den schmelzenden Kerzenwachs hineintropfen lassen. Die gesegnete und geweihte Schnur, die von einem ranghöheren Mönch zusammen geflochten ist, nennt man "Mongkhon”. Das Weihwasser mit Kerzentropfen, zusammen mit dem Mongkhon werden bis zur Trauungszeremonie aufgehoben.

Während der Hochzeitsfeier wird heute wie früher dem neben einander sitzenden Paar die geweihte Schnur (Mongkhon) von einer besonders respektierten Person, welche als Vorsitzende der Zeremonie gewählt wurde, um die Häupter gelegt. Dieser Mongkhon (vom Mönch geflochtene Schnur) sieht aus wie 2 weisse, kopfgrosse Ringe, die miteinander festgebundenen sind und um die Häupter der heiratenden Personen geschlungen wurden - als Zeichen der zukünftigen Vereinigung von Körper und Seele. Das von den Mönchen gesegnete Weihwasser wird in einem "Giessbehälter” gefüllt, der wie eine Schneckenmuschel aussieht. Eltern beiderseits, Verwandte und andere wichtige Gäste, einer nach dem anderen, giesst aus dieser Schneckenmuschel langsam, tropfenweise das Weihwasser auf die zusammengelegten Hände des Brautpaares. Während des Begiessens beglückwünscht man das Paar mit Segensworten.

Nachdem die Gäste gegangen sind, geben die Brauteltern beider Seiten, dem Brautpaar noch einige Ratschläge. Z.B. als Ehefrau sollte sie ihren Mann ehren, ihm gehorchen und ihn bedienen. Und als Ehemann sollte er mit seiner Frau behutsam umgehen mit Worten und Taten, sie schonen und behüten. Bei Spannungen sollten sie nicht gewalttätig werden, sondern friedlich und gelassen miteinander über die Probleme reden. Früher, vor allem bei den Familien, die in der Landwirtschaft tätig waren, zog meistens der Ehemann nach der Trauung ins Haus der Braut. Dadurch gewannen die Brauteltern eine zusätzliche Arbeitskraft, die wichtig war. Heute bemüht sich das junge Paar um eine eigene Wohnung, um ein selbstständiges Leben führen zu können.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.