Hamilton nutzt Vettel-Crash zum Sieg in Singapur

Foto: epa/Diego Azubel
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SINGAPUR (dpa) - Das könnte die WM-Vorentscheidung gewesen sein: Statt des fest eingeplanten Sieges in Singapur muss Sebastian Vettel nach einem Start-Unfall tatenlos zusehen, wie Titelrivale Lewis Hamilton gewinnt. Der Mercedes-Star ist nun im WM-Rennen schon weit enteilt.

Nach dem roten Crash-Alptraum von Singapur blieb Sebastian Vettel kurz vor Mitternacht immerhin ein weiterer Rückschlag erspart. Der Start-Unfall beim Großen Preis von Singapur, bei dem Vettel und sein Ferrari-Teamkollege Kimi Räikkönen sich gegenseitig und auch noch den Red-Bull-Teenager Max Verstappen spektakulär abgeräumt hatten, wurde von den Rennrichtern nicht weiter geahndet. Vettel war aber ohnehin schon gestraft genug bei dieser zehnten Auflage des schillernden Formel-1-Flutlichtrennens. «Es geht weiter, es ist jetzt kein Weltuntergang, aber natürlich hilft es nicht», sagte er ernüchtert.

Vettel war als großer Favorit in das 14. Saisonrennen von der Pole Position aus gestartet. Nach wenigen Metern waren die Hoffnungen auf den Sieg durch den Crash in Trümmern und der Weg frei für WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton im Mercedes. Der Brite baute mit dem 60. Erfolg in seiner Karriere und dem siebten in dieser Saison die Führung um 25 Punkte auf 28 Zähler vor Vettel aus. So groß war der Vorsprung von Platz eins auf Platz zwei in dieser Saison noch nie. «Natürlich hatten wir Glück, der liebe Gott hat mich gesegnet und ich habe die Situation mit den Ferrari genutzt», sagte Hamilton.

Vettel rang unterdessen um Erklärungen für den Unfall, den er selbst mitverursacht hatte. Einen Hauptschuldigen konnten die Formel-1-Verkehrswacht aber nicht ausmachen. Daher gab es auch keine Strafen.

Hinter Hamilton fuhr Daniel Ricciardo im Red Bull auf Rang zwei, Valtteri Bottas wurde im zweiten Mercedes Dritter. Und das an einem Wochenende, bei dem sich Mercedes eigentlich nur auf Schadensbegrenzung eingestellt hatte. «Das ist das Unglaubliche am Sport», sagte Teamchef Toto Wolff. «Das nehmen wir natürlich gern.»

Zumal nun Strecken kommen, die zumindest in den vergangenen drei Jahren dem Silberpfeil lagen: 15 von 17 möglichen Siegen holte das deutsche Werksteam auf den Kursen in Malaysia, Japan, den USA, Mexiko, Brasilien und Abu Dhabi.

In Singapur hatte die Startaufstellung noch wie eine Verheißung für Vettel gewirkt. Mit einer Zauberrunde holte sich der viermalige Sieger des Rennens unter härtesten klimatischen Bedingungen am Samstag die Pole, Hamilton wurde nur Fünfter. Nach den Niederlagen von Spa und Monza, die den Deutschen erstmals in diesem Jahr die WM-Führung gekostet hatten, schien alles für eine Rückkehr an die Spitze der Gesamtwertung bereitet.

Doch der Dauerregen am Sonntag ließ einiges erahnen. Noch nie seit der Premiere 2008 hatte es an der Marina Bay geregnet, dennoch entschied sich die Rennleitung gegen einen Start hinter dem Safety Car. Als die roten Ampeln erloschen, schoss Räikkönen von Platz vier links neben den vor ihm gestarteten Verstappen. Vettel kam mittelprächtig weg und drängte von rechts neben den Niederländer.

«Wenn man um die WM fährt, sollte man solche Risiken nicht eingehen», sagte Verstappen und gab Vettel die Schuld für die Kollision. Zunächst rutschten Räikkönen und Verstappen mit schweren Blechschäden von der Piste. Kurz darauf drehte sich auch Vettel in die Mauer, riss sich die Frontpartie ab und strandete mit seinem Wrack neben der Strecke. «Ich wollte Max vor der Kurve ein bisschen die Linie zumachen, habe gesehen, dass er schon neben mir war. Im nächsten Moment hat es schon geknallt», berichtete Vettel.

Auf dem Rücksitz eines Motorrollers war er zur Garage zurückgekehrt und schlurfte in Bermuda-Shorts schon durch das Fahrerlager, als die Konkurrenz erst die zehnte Runde absolvierte. Er habe Räikkönen einfach nicht gesehen, versicherte Vettel. «Das ist natürlich blöd gelaufen, weil wir beide draußen sind», sagte er.

Zu allem Überfluss war Hamilton der große Gewinner inmitten des Chaos. Schon nach der dritten Kurve führte der Silberpfeil-Star das Rennen an und behielt auch danach den Durchblick. Weder das Durcheinander nach dem Vettel-Aus noch die erneute Safety-Car-Phase elf Runden später, als der Russe Daniil Kwjat seinen Toro Rosso in die Begrenzung jagte, konnte Verfolger Ricciardo zur Attacke nutzen.

Mit schnellen Runden auf dem nur langsam abtrocknenden Stadtkurs hielt Hamilton den Australier auf Distanz. Unter normalen Bedingungen im Training hatten die Red Bull noch deutlich stärker als die Mercedes gewirkt, aber Hamilton zeigte seine ganze Klasse. Auch ein weiterer Safety-Car-Einsatz nach einem Unfall des schwedischen Sauber-Piloten Marcus Ericsson änderte am Ergebnis nichts mehr.

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