Grüne, gesunde Kulinarik aus dem Norden Thailands

Grün, wild und anspruchslos: Blätter mit dem gewissen Extra

Florale Gaumenfreuden. Foto: bannafarsai / Fotolia.com
Florale Gaumenfreuden. Foto: bannafarsai / Fotolia.com

CHIANG MAI: Die Vielfalt der Thai-Küche lässt Food-Lovers aus der ganzen Welt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Doch neben bekannten Spezialitäten wie „Tom Yum Goong“ oder „Phad Thai“, gibt es auch noch ganz einzigartige Genuss-Komponenten: Blätter und Blüten, die man essen kann. Die raffinierten Gerichte aus der Blumenküche sehen nicht nur gut aus, sondern ihnen werden auch wohltuende therapeutische Wirkungen auf Körper und Geist nachgesagt.

Es ist so einfach. Den Reis mit ein paar getrockneten Blüten Dok Anchan kochen und schon erleben die Gäste ihr blaues Wunder. Fotos: Konstanze Moos
Es ist so einfach. Den Reis mit ein paar getrockneten Blüten Dok Anchan kochen und schon erleben die Gäste ihr blaues Wunder. Fotos: Konstanze Moos

„Haaalt, nicht drauftreten, das ist...!“ Seit ich in Thailand bin, sensibilisiert sich mein Blick immer mehr für das unscheinbare Blattwerk am Straßenrand, im Rasen und auf den Bäumen. Ich bin froh, kompetente Thai-Frauen in meinem Freundeskreis zu haben, deren Augen leuchten, wenn gewisse Blätter in ihr Gesichtsfeld geraten. Erst muss ich probieren, wenn es dann zu bitter oder sauer wird - man scheint es mir anzusehen - kommt mit Sicherheit der Satz: „Püa Sukapap!“ (für die Gesundheit). Gefolgt von Details über die positiven Auswirkungen auf die Nieren, die Leber, die Herzgesundheit, die Wirkung gegen Krebs, gegen den Alterungsprozess (natürlich) und für die Schönheit (natürlich! natürlich!). Falls der männliche Leser hier die Manneskraft vermissen sollte, sie spielt in unseren Frauen-Fachgesprächen über grüne Blätter keine tragende Rolle. Aus unterschiedliche Gründen.

An die Blätter, fertig, los!

Dok-Anchan-Blüten trocknen an der Sonne.
Dok-Anchan-Blüten trocknen an der Sonne.

Kaffir-Lime, Thaibasilikum, Koriander, Pandanus und Bananenblätter, sie sind allgegenwärtig in der thailändischen Küche, ob als Gewürzkraut, Aromageber oder Verpackungsmaterial. Hier sollen die weniger bekannten grünen Blätter gewürdigt werden. Gewächse mit vielen unterschiedlichen lokalen Namen und umfassenden Anwendungsbereichen. Das macht die Sache nicht unbedingt leichter.

Den Anfang machen zwei, nicht nur im Norden, relativ bekannte „Unkräuter“: Rang Jued (Thunbergia laurifolia, aus der Familie der Akanthusgewächse) und Dok Anchan (Clitoria ternatea, aus der Familie der Hülsenfrüchtler). Sie wachsen hier überall und invasiv in den Gärten und an den Wegesrändern. Sie winden sich der Sonne entgegen, blühen in schönen Blautönen und tragen wertvolle Inhaltsstoffe in sich.

Wer das erste Mal mit den getrockneten dunkelblauen Blüten der Dok Anchan (Butterfly Pea Flower, blaue Schamblume) experimentiert hat, wird sie immer im Haus haben. Reis, Teig und Wasser lassen sich herrlich blau mit ihnen einfärben. Kommt Säure hinzu, wird es violett. Der Geschmack ist eher unaufdringlich. Frische Blüten schmecken erbsig und sehen in der Salatschüssel hübsch aus. Als Tee zubereitet, dazu passen ein Stück Ingwer und einige Spritzer Limone, sind sie ein Gesundheitselixier. Dok Anchan wirkt antidepressiv, entwässernd und krampflösend. Einen hohen Stellenwert hat die blaue Kletterpflanze in der Haarpflege. In erster Linie soll sie das Ergrauen verzögern, wenn nicht sogar verhindern und die Haarwurzeln festigen.

Rang Jued ist, wenn es nicht gerade wunderschöne, hellblaue Trichterblüten hervorbringt, eine recht unscheinbare, wuchernde Kletterpflanze. Doch mit ihren Blättern stehen wir bereits mit beiden Beinen im Medizinschränkchen. Tee aus den getrockneten Blättern, das Pulver daraus oder die Kapseln, dürften eigentlich in keinem Haushalt fehlen. Vor und nach dem Konsum von Genussgiften eingenommen, helfen sie der Leber bei der Verarbeitung. Als leberschützend, antiallergisch und Blutfette senkend, wird die Wirkung von Rang Jued in Thailand hochgeschätzt. Die Blätter können auch frisch (ca. viertes Blatt von der Spitze lt. Khun Ooy) als Tee zubereitet werden. Das Pulver, auf kleine Hautwunden verteilt, verhilft zu einer schnelleren Heilung.

Phak phai, der vietnamesische Koriander, beruhigt den Magen und soll die Fruchtbarkeit mindern.
Phak phai, der vietnamesische Koriander, beruhigt den Magen und soll die Fruchtbarkeit mindern.

Auch die schönen wilden Betelblätter dürften fast jedem bekannt sein. Der thailändische Name ist Bai Cha Plu (ใบชะพลู), thailändisches Pfefferblatt (Piper sarmentosum). Miang Kham, das kulinarische Geschmacksfeuerwerk, nutzt diese Blätter zum Beispiel als essbare Tüte für all die kulinarischen Puzzleteilchen, die man selbst hinzufügen muss. Auch dies ist quasi ein Unkraut, das sich am richtigen Standort wahllos breitmacht. Oft werden sie mit den echten Betelblättern (Bai Plu, Piper betle) verwechselt, doch es handelt sich um zwei verschiedene Arten aus der Familie der Pfeffergewächse. Als Heilpflanze unterstützt Bai Cha Plu die Verdauung und soll gegen Fieber wirken.

Die grünen Wilden der Thaiküche

Ok, jetzt geht es ans Eingemachte. Bis hierhin war es das reinste Kinderspiel. Wer schon in einschlägigen Straßenrestaurants im Norden oder Nordosten ein Laab (Lab, Larb) -Isaan, -Lanna oder -Nuea dip gegessen hat, bekommt meistens einen guten Einstieg. Mindestens vier verschiedene Kräuter sollten dazu gereicht werden. Im besten Fall ist keines davon Koriander, Minze oder Thaibasilikum, die kennt man ja schließlich schon. Das Abenteuer kann beginnen. Folgendes Blattwerk könnte dabei sein:

Phak phai (ผักไผ่, auch: Chan hom หอมจันทน์), der vietnamesische Koriander (auch: wohlriechende Knöterich, Persicaria odorata) ist ein le­ckeres Kraut mit sehr speziellem Geschmack: frisch bitter, scharf und würzig. Phak phai wächst in einer schattigen, feuchten Hausecke wie von selbst. Es werden immer die frischen Blätter verwendet. Es wirkt beruhigend auf den Magen und soll die Fruchtbarkeit mindern (doch besser nicht gleich als Verhütungsmittel einsetzen!).

Bai Bua Bok (ใบบัวบก), Centella asiatica, asiatischer (indischer) Wassernabel, vielleicht einigen auch als Gotu Kola oder Pennywort bekannt, ist zur Zeit der Aufsteiger in den Kräutercharts. Mit seinem hohen Mineralstoffgehalt wird dieses wasserliebende Kraut auch in der westlichen Welt als kleines Wundermittel, unter anderem für die Gehirnarbeit und als Verjüngungsmittel, gehandelt. So gibt es bereits Gotu Kola Smoothies und Kaugummis. Lange vorher schätzte man dieses kriechende, anspruchslose Gewächs hier als gesundes und geschmacklich unaufdringliches Beiwerk in Salaten und als Teegetränk.

Manche essen die Sadao-Blätter fast roh, andere kochen sie dreimal, um den bitteren Geschmack abzumildern.
Manche essen die Sadao-Blätter fast roh, andere kochen sie dreimal, um den bitteren Geschmack abzumildern.

Sadao (สะเดา), der thailändische Niem- oder Neembaum (Azadirachta siamensis), auch Sweet Neem, ist ein hoher, tiefwurzelnder, anspruchsloser und schnell wachsender Baum. Begehrt sind die Astspitzen mit den winzigen, kugeligen Blüten und jungen Blättern (dok sadao ดอกสะเดา, bai sadao ใบสะเดา). Mit seinen an die einhundert analysierten bioaktiven Wirkstoffen ist er als biologisches Schädlingsbekämpfungsmittel ebenso begehrt, wie in der Heilkunde. Und wird natürlich schon lange in den thailändischen Garküchen geschätzt. Die Triebe werden gekocht und harmonieren, leicht bitter, gut zu Fisch oder mit einer süßen Soße (Sadao Nam Pla Wan). Blüten und Triebe haben gerade in der kalten Jahreszeit im Norden Saison. Noch bevor es überall Zahnbürsten gab, kaute man für die Zahngesundheit auf den jungen verholzten Trieben herum. Die Wirkstoffe des Neems sind begehrt. In der biologischen Schädlingsbekämpfung genau so wie im Einsatz für einen gesunden Stoffwechsel, gegen Hämorriden und gegen viele weitere körperliche Unpässlichkeiten.

Phak khao thong, der kleine „Stinker“, hier in Chiang Mai, botanischer Garten Tweechol.
Phak khao thong, der kleine „Stinker“, hier in Chiang Mai, botanischer Garten Tweechol.

Phak Khao thong (ผักคาวทอง), Houttuynia cordata, der Molchschwanz (engl. Fishwort) aus der Familie der Eidechsenschwanzgewächse, ist ein Kraut, dessen Geschmack sich irgendwo zwischen fischig-stinkig, limonenartig-frisch und bitter ansiedeln lässt. Liebe auf den ersten Biss ist jedenfalls selten, obwohl die dunkelgrünen Blätter herzförmig sind. Wer sich mit dem Geschmack nicht anfreunden kann, den versöhnen vielleicht die zahlreichen positiven Auswirkungen auf die Gesundheit. Mit antioxidativ, immunstimulierend und entgiftend seien hier schon mal drei der positiven Eigenschaften erwähnt. An schattig-feuchten Standorten wächst er kriechend in die Breite.

Zusammen mit jungen Sadao-Blättern und dem vietnamesischen Koriander wird Phak Khao Thong hier im Norden gern zu roh angerichtetem Laab gereicht. Aus Gründen? Vielleicht. Aber auch als kulinarische Beilage zum gegarten Laab Muang Moo ist dieses Blattwerk ein köstlicher Aromageber mit gesundheitlichem Benefit.

Fazit

An dieser kleinen Einführung merkt man schon, wie komplex und zugleich interessant das Thema ist. Die oben beschriebenen „grünen Blätter“ sind nur ein Bruchteil dessen, was uns Thailand, speziell der Norden, auf diesem Gebiet präsentiert. Und über jede erwähnte Pflanze ließen sich natürlich auch noch seitenweise interessante Details berichten.

Ja, so üppig muss die frische, grüne Beilage bei einigen Gerichten einfach sein. Hier sind es Meeresfrüchte-Omeletts.
Ja, so üppig muss die frische, grüne Beilage bei einigen Gerichten einfach sein. Hier sind es Meeresfrüchte-Omeletts.

Eine kurze Randnotiz zum Schluss (vielleicht, um das grüne Feuer endgültig zu entfachen): Die wild wachsenden Kräuter und Bäume bieten uns einen großen Vorteil gegenüber den kultivierten Gemüsesorten oder Salaten. Die gesunden Inhaltsstoffe (meist Gerb- und Bitterstoffe) sind hier noch nicht, zugunsten des süßen Geschmacks, der Größe und des Aussehens, herausgezüchtet worden. Mit diesen Stoffen können sich die Pflanzen in der Regel auch wunderbar selbst gegen Schädlinge und Krankheiten wehren, sie benötigen keine Pestizide. Ein weiterer Vorteil, zumindest hier in Thailand, ist es, dass sie überall in der Natur und auf den Märkten zu finden sind. Haben diese Gewächse erst einmal den richtigen Standort für sich gefunden (schattig, sonnig, feucht oder trocken), wachsen sie wie Unkraut und ohne jeglichen Pflegeaufwand.

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