Großrazzia gegen Hells Angels

Foto: epa/Sascha Steinbach
Foto: epa/Sascha Steinbach

DÜSSELDORF (dpa) - Mit vereinten Kräften werden schwere schwarze Motorräder auf Abschleppwagen gehievt und zur Polizei verfrachtet. Ein Großaufgebot von mehr als 700 zum Teil schwer bewaffneten Polizisten ist am Mittwoch im Morgengrauen zu einer Razzia gegen die Hells Angels in Nordrhein-Westfalen ausgerückt. Der Grund: das Verbot von zwei Rockergruppen.

Dass den Rockern dabei auch Motorräder weggenommen wurden, kritisiert ihr Anwalt Wolf Bonn postwendend. Die Polizei sei über das Ziel hinausgeschossen. Sogar Uhren und eine Bachelorarbeit hätten die Beamten mitgenommen. Doch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) widerspricht: Bei den Motorrädern handele es sich um Vereinsvermögen, die Rechtsgrundlage sei «glasklar».

Im übrigen stehe auch den Rockern in diesem Staat der Rechtsweg offen: «Wenn die Damen und Herren aus diesem Club der Meinung sind, das wäre falsch, gibt es die Möglichkeit, das zu beweisen. Die sind jetzt bei uns und stehen sicher verwahrt.» Reuls Botschaft: Null Toleranz.

«Wir prüfen rechtliche Schritte gegen das Vereinsverbot», kündigt Anwalt Bonn an. Ob die Maßnahmen vom Mittwoch zulässig waren, dürfte somit demnächst von einem Gericht überprüft werden.

Die Polizisten, darunter Spezialkräfte, haben Dutzende Rocker in ihren Wohnungen aus dem Schlaf gerissen. Sichergestellt werden dabei elf Motorräder, 45 «Kutten», 13 Messer, Schusswaffen, elf Glücksspielautomaten, eine Armbrust, eine kleinere Menge Drogen und mehr als 88.000 Euro Bargeld. Festnahmen gibt es nicht.

Konkreter Anlass der Razzia: Das am Mittwoch verkündete Verbot des Erkrather Hells-Angels-Charters Concrete City und der «Teilorganisation» Clan 81 Germany. «Es geht um Gewalt, Drogen, Waffen und Zwangsprostitution», sagt Reul. 55 Objekte in 16 Städten - darunter Düsseldorf, Köln, Leverkusen und Wuppertal - werden durchsucht.

«Dieser Club ist auffällig geworden», sagt Reul. Die betroffenen Mitglieder seien nachweislich kriminell. «Das Vereinsvermögen wird beschlagnahmt.» Bei einer brutalen Massenschlägerei seien in Erkrath bei Düsseldorf im vergangenen Jahr Polizisten gezielt von Hells-Angels-Rockern angegriffen und vier Beamte verletzt worden.

Zu der Schlägerei war es zwischen Rockern der nun verbotenen Clubs und Mitgliedern einer rivalisierenden libanesischen Großfamilie gekommen. Die Polizei musste starke Kräfte heranziehen, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Später wurde bei einem der Rocker ein sogenannter Dequiallo-Aufnäher auf der Jacke entdeckt. Die Trophäe wird bei den Hells Angels als «Auszeichnung» für Angriffe auf Polizisten vergeben.

Auf 35 Seiten führt die Verbotsverfügung auf, welcher Straftaten die Rocker noch verdächtigt werden. So sollen minderjährige Mädchen aus dem Raum Trier von Rockern nach Erkrath gebracht, unter Drogen gesetzt und vergewaltigt worden sein, um sie zur Zwangsprostitution zu zwingen. Aufgelistet werden Landfriedensbruch, Bedrohung und immer wieder Gewalttaten.

«Es geht nicht um Motorradfahrer-Romantik. Es handelt sich um kriminelle Organisationen», sagt Reul. Er setzt mit dem Verbot die Linie seines Vorgängers fort. Denn nicht zum ersten Mal sind die Hells Angels in NRW Adressat staatlicher Verbote.

Im Jahr 2000 verbot das Innenministerium in Düsseldorf die Hells Angels Düsseldorf und stürmte mit 900 Polizisten deren Vereinsgelände. In Erddepots wurden dort Waffenlager entdeckt und ausgehoben. 2012 verbot die Landesregierung den Hells Angels MC Cologne in Köln. Im November 2016 folgte das Bundesinnenministerium mit dem Verbot des Hells Angels MC Bonn, der allerdings überwiegend in Rheinland-Pfalz aktiv gewesen sein soll. Allein in NRW gibt es derzeit rund 2.170 Rocker in 91 Gruppen verschiedener Clubs.

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