Gipfeltreffen in Davos: China will die Trump-Lücke füllen

Foto: epa/Gian Ehrenzeller
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DAVOS (dpa) - Protektionismus und neue Handelsschranken hat der künftige US-Präsident Trump mehrfach angekündigt. Das Weltwirtschaftsforum sucht nun nach Antworten auf diese Herausforderungen. Einer, der Visionen aufzeigen will, ist überraschend Chinas starker Mann Xi.

Die USA warten auf den Amtsantritt von Präsident Donald Trump, die EU ist nach dem britischen Brexit-Votum mit sich selbst beschäftigt - nun will China die daraus entstehende Lücke nutzen. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos tritt Staats- und Parteichef Xi Jinping auf die Bühne und hält an diesem Dienstag die Eröffnungsrede. Es ist das erste Mal, dass ein chinesischer Präsident an dem Gipfeltreffen in den Schweizer Bergen teilnimmt. Im Vorfeld gibt sich China betont offen - und grenzt sich zugleich von populistischen Kräften wie Trump ab.

«Wir treffen uns in einer Zeit der Angst über die Perspektiven der Weltwirtschaft, wachsender Gegenreaktionen gegen die wirtschaftliche Globalisierung sowie steigendem Populismus und Handelsprotektionismus», schreibt Xi Jinping in einem Gastbeitrag für die «Neue Züricher Zeitung». China werde als riesiger Markt das Wachstum der Weltwirtschaft weiter unterstützen.

Noch deutlicher wird Jiang Jianguo, Chef des Informationsamtes des Staatsrates. In einer Rede bei der Welthandelsorganisation WTO in Genf sah Jiang die Welt kürzlich an einer historischen Weggabelung angelangt. Es gelte sich zu entscheiden «zwischen Krieg und Frieden, Armut und Entwicklung, Konfrontation und Zusammenarbeit, Monopol und einer Lösung zum Wohle aller». Und Jiang machte klar, auf welcher Seite China steht: Xi Jinping werde sich in Davos für friedliche Entwicklung einsetzen sowie für den wirtschaftlichen Erfolg aller und die «Einrichtung einer gemeinsamen Schicksalsgemeinschaft für die Menschheit».

Damit kommt der chinesische Staatschef dem Motto der 47. WEF-Jahrestagung auf dem Papier sehr nahe. Angesichts der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umbrüche steht «anpassungsfähige und verantwortungsvolle Führung» («responsive and responsible leadership») im Mittelpunkt des viertägigen Treffens. «Es ist die respekteinflößende Aufgabe der heutigen Anführer, die richtigen Entscheidungen zu treffen in einer komplexen Welt, die an vielen lange bestehenden Problemen und emotionalem Aufruhr leidet», gibt WEF-Gründer Klaus Schwab (78) den etwa 3000 Gästen auf den Weg.

Schließlich steht das Treffen stark im Schatten von Trumps Amtsübernahme in Washington an diesem Freitag (20. Januar), dem Schlusstag des WEF. Von Trumps Übergangsteam wird der frühere Hedgefonds-Manager Anthony Scaramucci in Davos erwartet. Gespannt warten Spitzenpolitiker, Top-Manager und Wirtschaftswissenschaftler auf Antworten zum künftigen Kurs der US-Regierung. Wiederholt hatte Trump eine protektionistischere Wirtschaftspolitik und den Austritt aus internationalen Freihandelsabkommen angekündigt.

Chinas Vize-Außenminister Li Baodong betonte nun demonstrativ, sein Land sei ein Gegner von Handelsschranken und Protektionismus. Dabei bemängeln Kritiker, dass auch in China mächtige Staatsbetriebe und lokaler Protektionismus Reformen behinderten. Von «ökonomischem Nationalismus» ist die Rede, die Vorwürfe umfassen Wirtschaftsspionage und das Abgreifen wichtiger Unternehmensdaten. Gespannt warten Davos-Teilnehmer, ob Xi darauf eingehen wird. Zudem kritisieren Menschenrechtler jahrelange Haftstrafen für Dissidenten, Anwälte und Aktivisten.

Auf dem WEF könnte es zudem zu einem Treffen zwischen dem Trump-Team und der chinesischen Delegation kommen. Zuletzt hatte der künftige US-Präsident kräftig gegen China ausgeteilt und auch mit einem Telefonat mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen für Ärger in Peking gesorgt. Nun zeigte sich China grundsätzlich bereit für Gespräche in Davos - nötig seien aber «Bereitschaft und eine geeignete Zeit», mahnt Vize-Außenminister Li. Man stehe mit dem Trump-Team in Kontakt.

Angela Merkel wird Xi Jinping auf keinen Fall in Davos treffen. Die Bundeskanzlerin verzichtet das zweite Jahr in Folge auf das WEF. Für die Bundesregierung sind Finanzminister Wolfgang Schäuble, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Gesundheitsminister Hermann Gröhe (alle CDU) dabei. Der Tagungsort ist weitreichend abgeschottet: Bis zu 5000 Soldaten sollen die Gäste in der «Berg-Festung» schützen, der Luftraum wird von Kampfjets überwacht.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Jack Norbert Kurt Leupi 18.01.17 14:45
EU für Briten kein Thema mehr
Ist Europa uneuropäisch oder muss Europa europäisch sein ? Die Idee eines gemeinsamen Europas war von Anfang an eine Kopfgeburt (oder Missgeburt), eine begrüssenswerte Vision oder eine zum Scheitern verurteilte Utopie ? Wir könnten vielleicht europäisch sprechen , aber wir wollen es gar nicht ! Europa war nie eine Familie , sondern nur eine Zweckgemeinschaft ! Die Briten mussten sich deshalb die Augen nicht lange öffnen lassen , sie benutzten nur den normal-gesunden Menschenverstand und verlassen nun die unnütze Gemeinschaft ! Ungeachtet der Vor-und Nachteile ?
Jürgen Franke 18.01.17 11:47
In Davos hat Deutschland drei Zimmer gebucht,
da die Merkel keine Lust hat, auch dort auf ihre Flüchtlingspolitik angesprochen zu werden, ist es Herrn Schäuble zu gönnen, auch mal ein paar Tage in Davos zu verweilen. Was der Gröhe, als Gesundheitsminister da zu suchen hat, wird man sicherlich noch erfahren. Außer das er bei öffentlichen Auftritten immer neben der Merkel steht, ist er noch nicht sonderlich aufgefallen. Der Frau von der Leyen wird man sicherlich klarmachen, dass die Nato nun völlig überflüssig geworden ist, da der Warschauer Pakt seit 25 Jahren nicht mehr existiert und als Bedrohung gegen Putin nicht geeignet ist.
Jürgen Franke 17.01.17 23:26
Die EU ist in Davos kein Thema mehr,
da es der Merkel gelungen ist, die Gemeinschaft zu zertrümmern. Die Flüchtlingspolitik hat für die Entscheidung der Briten die EU zu verlassen, den entscheidenden Ausschlag gegeben. Damit verliert die EU einen Partner, der so mächtig ist, als würden 20 der kleinsten Saaten die EU verlassen. Man gewinnt jedoch den Eindruck, dass dieses Ergebnis für die Zukunft Europas, noch nicht in Brüssel und Berlin angekommen ist..