Gibt es bald Helikoptergeld in Europa?

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
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Endlich! Die Kritik an der Europäischen Zentralbank (EZB) wird nun auch bei den großen Medienhäusern der zahlenden Staaten der Union lauter. Gott sei Dank, lange genug hat es gedauert. Es besteht nun Hoffnung, eine kritische Masse an Bürgern, die die Politik zu Veränderungen zwingen kann, aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken und die Ausverkäufer der Inte­ressen der zahlenden Staaten der Währungsgemeinschaft in ihre Schranken zu weisen.

Wo stehen wir? Die EZB hat in den letzten Monaten mehr als tausend Milliarden Euro in die Märkte gepumpt, um in Not geratene Mitgliedsstaaten der Währungsunion vor der Pleite zu bewahren. Der Fairness halber sei hinzugefügt, dass seitens der Zentralbank stets hinzugefügt wurde, das billige Geld löse keine Probleme, sondern gebe den jeweiligen Politikern nur Zeit, die Probleme im jeweiligen Land in den Griff zu bekommen. Bedauerlicherweise ist das nicht geschehen. Griechenland ist das Paradebeispiel: Der Reformprozess ist komplett zum Erliegen gekommen und es ist nur eine Frage der Zeit, wann der nächste Ruf nach Schuldenerleichterungen laut werden wird. An diesem Beispiel wird die ganze Problematik sichtbar: Selbst Befürworter des Zentralbankschirms als einmaliges Rettungswerkzeug müssen erkennen, dass er auf längere Sicht fatal wirkt. Laut Süddeutscher Zeitung entgehen alleine dem deutschen Sparer seit 2010 nach Schätzungen 200 Milliarden Euro Zinsen, die Altersvorsorge der Menschen leidet entsprechend gewaltig.

Die Politik des billigen Geldes…

Die Politik des billigen Geldes der EZB stößt an ihre Grenzen. Mario Draghi, der Italiener an der Spitze der EZB hat nun „Helikoptergeld“ als sehr inte­ressante Idee bezeichnet. „Helikoptergeld“ würde bedeuten, die EZB versorgt Unternehmen und Bürger direkt mit Zentralbankgeld. Der bedeutende Unterschied zur bisherigen Politik ist rechtlicher Natur: Wenn die Zentralbank selbst diese Entscheidungen trifft, umgeht sie jegliche Schranken, die sich einzelne Staaten – beispielsweise zur Begrenzung der Schuldenaufnahme – selbst gesetzt haben. Die Bedeutung der nationalen Parlamente wird folglich ausgehöhlt und nimmt weiter ab.

Es gibt also Anlass genug, sich aufzuregen. Der Staat kassiert die arbeitende Mittelschicht immer mehr ab. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat gerade die neuesten Zahlen veröffentlicht. Danach liefert ein unverheirateter kinderloser Durchschnittsverdiener in Deutschland derzeit 49,4 Prozent seiner Arbeitskosten beim Staat ab. Was mit dem Geld passiert, ist weitgehend intransparent. Wäre es nicht Zeit für einen Aufschrei und Zeit den regierenden Politikern auf die Pelle zu Rücken und die vermeintliche Zukunftssicherheit der aktuellen Systeme skeptisch zu hinterfragen?

…stößt an ihre Grenzen.

Sowohl auf nationaler und auf europäischer Ebene sind die Systeme nicht so zukunftssicher, wie es die Verantwortlichen gerne hätten. Die Bürger sind mehr denn je gefragt, sich kundig zu machen, und aktiv zu werden. Wenn es nicht gelingt, eine hinreichende Anzahl von Wählern zeitnah aus der aktuellen Lethargie zu bekommen, werden sich zwingende ökonomische Prinzipien, die derzeit in Abrede gestellt werden, eben per se Gehör verschaffen.

Letztendlich gibt es – wie schon in den letzten Jahren – nur zwei Wege aus der derzeit herrschenden Dauerkrise in Europa: Entweder die Staaten der Währungsunion geben das Haushaltsrecht nach Brüssel ab oder die solide wirtschaftenden Staaten der Union setzen einen Kurswechsel der EZB-Politik dahingehend durch, dass sie nicht dauerhaft für die Schulden der weniger solide wirtschaftenden Staaten einspringen müssen. Alternative eins ist vor dem Hintergrund der Renationalisierungs­tendenzen in vielen Staaten, sehr unwahrscheinlich und vor dem Hintergrund der Geschehnisse in den letzten Jahren auch nicht wünschenswert. Alternative zwei könnte dauerhaft aus der Krise führen. Es spricht nichts dagegen, gemeinsam Grenzen einer vernünftigen Verschuldung zu definieren. Der entscheidende Unterschied zur gegenwärtigen

Politik muss aber sein, dass Staaten, die mehr Geld ausgeben als vereinbart, dafür selbst aufkommen und nicht die Gemeinschaft.

Deutschland und die anderen ordentlich wirtschaften Staaten der Währungsunion haben berechtigte Interessen auf nationaler Ebene. Wer dies zum Ausdruck bringt, denkt nicht notwendig nationalistisch.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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Hermann Auer 02.05.16 11:09
Die Deflation kommt aus Deutschland.
Woher auch sonst?

Sehr geehrter Herr Rasp,

es ist unter Deutschen nicht en vogue, die wirtschaftlichen Zusammenhänge ideologielos zu hinterfragen. Das ist ja auch ein schwieriges Unterfangen, weil die gesamte Mainstream-Presse davon geschlossen ablenkt.

Die EZB kann gar nicht viel ausrichten, solange sich in Deutschland nicht die Einsicht verbreitet, dass nur Deutschland (durch Änderung der Wirtschafts- und Lohnpolitik) den Euro retten kann.

Deutschland ist nämlich nicht die "Lokomotive", sondern, um beim Gleichnis zu bleiben, der "Trittbrettfahrer". Die Produktivität Deutschlands ist nicht so optimal wie die Deutschen immer meinen: Frankreich ist geringfügig produktiver als Deutschland und hat trotzdem Probleme, weil Deutschland eine "beggar thy neighbour"-Politik betreibt.

Fazit: die Deutschen (die breite Masse) können sich die Waren gar nicht leisten, die sie produzieren. Darum müssen sie exportieren und das Ausland jährlich um 250 Mrd. Euro verschulden (nur so ist die deutsche "schwarze Null" überhaupt möglich).

Das ist auch der Grund für den Exportüberschuss: aufgrund der zu niedrigen Löhne kaufen die Deutschen weniger ein als sie produzieren - inländische Produkte und gleichermaßen Importwaren. Überall im Ausland sind die Löhne höher als in Deutschland, daher wird auch mehr gekauft - auch deutsche Produkte. Kapiert?

Einer der Artikel, die die Zusammenhänge darstellen, findet sich hier: http://www.trend.at/standpunkte/deflation-deutschland-woher-6340973