Gemälde sprengt alle Rekorde

Foto: epa/Peter Foley
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NEW YORK (dpa) - Schon bei 200 Millionen Dollar klatschen und jubeln die 1.000 Kunstsammler und Schaulustigen im Saal. «Bitte», versucht Jussi Pylkkanen, Auktionator und Chef des Auktionshauses Christie's, die Menge zu beruhigen. Denn das war es noch lange nicht: 205, 220, 225, 230, 235 - ein Angebot jagt am Mittwochabend (Ortszeit) in New York das nächste, so dass irgendwann sogar Pylkkanen mit den Zahlen durcheinander kommt.

Bei 300 spricht der Auktionator dann von einem «historischen Moment», bei 400 Millionen Dollar fällt nach 19 Minuten Bieterwettstreit der Hammer: Mit Gebühren ist der Posten 9B, das Gemälde «Salvator Mundi» von Leonardo da Vinci (1452-1519), für 450 312 500 Millionen Dollar verkauft worden - das sind etwa 383,6 Millionen Euro und mehr als bislang jemals weltweit bei einer Auktion für ein Kunstwerk bezahlt worden ist. Rekord. Pylkkanens Stimme überschlägt sich fast, als er den Preis verkündet. «Danke euch allen für eure Gebote.» Die Zuschauer im Saal brechen in Jubel, Johlen und Klatschen aus, viele knipsen Erinnerungsfotos mit ihren Handys.

Wer die Rekordsumme nun bezahlen muss und dafür ein von Vielen in Anlehnung an das wohl bekannteste Da Vinci-Bild als «männliche Mona Lisa» gefeiertes Werk bekommt, gibt das Auktionshaus zunächst nicht bekannt. Das Gebot wurde per Telefon dem Christie's-Spezialisten Alex Rotter überbracht, daraufhin gab ein anderer Telefonbieter, der lange mitgehalten hatte, auf. Den bisherigen Rekord für das teuerste bei einer Auktion versteigerte Werk hatte das Gemälde «Les femmes d'Alger» von Pablo Picasso gehalten, das 2015 für rund 180 Millionen Dollar versteigert worden war.

«Salvator Mundi» übt eine spezielle Anziehungskraft aus. Laut Christie's ist es das letzte bekannte Gemälde von Da Vinci in Privatbesitz, insgesamt sind von dem italienischen Künstler überhaupt nur weniger als 20 Gemälde bekannt. Vor der Versteigerung hatte Christie's das um 1500 entstandene Porträt von Jesus Christus in Öl auf Walnussholz in Hongkong, London, San Francisco und der New Yorker Filiale nahe dem Rockefeller Center gezeigt. Fast 30.000 Menschen kamen, um es anzuschauen, darunter Stars wie Leonardo DiCaprio, Alex Rodriguez, Patti Smith und Jennifer Lopez. Einen größeren Andrang hat Christie's noch nie für ein einzelnes Werk verbucht. Erstmals hatte das Auktionshaus auch eine eigene PR-Agentur für ein einzelnes Werk engagiert.

Die Versteigerung war mit großer Spannung erwartet worden - aber von Kunstexperten hatte es im Vorfeld auch reichlich Kritik gehagelt. Viele bezweifeln, dass Da Vinci das Werk wirklich alleine erstellt hat und nicht noch Kollegen aus seiner Werkstatt daran beteiligt waren. Zudem bereiten Herkunft und Zustand Sorgen: Christie's betont, das Gemälde habe einst drei englischen Königen gehört, aber dann galt es auch lange als zerstört oder verschollen. 2005 wurde es bei einem kleinen US-Auktionshaus verkauft, gesäubert und restauriert - zu sehr, wie viele Kunstexperten meinen. Der Zustand des Werkes sei schlecht. Zuletzt gehörte es dem russischen Milliardär Dmitri Rybolowlew, der sich deswegen aber auch gerade mit seinen Kunsthändlern per Anwalt zofft.

Eigentlich alles schlechte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Auktion. Christie's hatte den Preis im Voraus dann auch auf nur rund 100 Millionen Dollar geschätzt - und einen gewagten Schachzug betrieben: Das Auktionshaus platzierte das 500 Jahre alte Werk in der Versteigerung für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst im Rahmen der alljährlichen Herbstauktionen, die traditionell am meisten Umsatz macht, denn alte Meister gelten unter Sammlern weitgehend als out. Preistreiberei, kritisierten viele Kunstexperten, aber Christie's lacht nach dem Rekord nun zuletzt. «Das war ein epischer Triumph von Marketing und Sehnsucht über Expertenwissen und Realität», sagte der Kunstberater Todd Levin der «New York Times».

Wer das Bild gekauft haben könnte? «Die Anziehungskraft geht vor allem von der unbeschreiblichen Verbindung des Werkes zu Geschichte und Nachwelt aus», hatte Kunstexperte Marion Maneker im Vorfeld der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Das Bild könne beispielsweise von jemandem erworben werden, der ein eigenes Museum aufmachen wolle und ein zentrales Werk als Publikumsmagneten suche. Eines sei aber sicher, sagte der New Yorker Kunsthändler Lawrence Luhring der «New York Times»: «Es gibt einfach zu viel Geld auf der Welt. Das ist verrückt. Ich bin fassungslos.»

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