Geld zählt mehr als die Liebe

Der Zwang, die Familie zu versorgen, lässt Frauen in die Bierbars gehen

Von Günther Ruffert

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau undTochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau undErnte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf inseinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen:

„Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten Thailands aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG-Geschäftsstellean der Thepprasit Road, im FARANG Service Center an der Soi Post Office, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der SoiDiamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

Es gibt nicht wenige Thailand-Besucher, die setzen Pattaya mit Thailand gleich oder übertragen ihre Erfahrungen, die sie dort an den Bierbars gewonnen haben, auf ganz Thailand. Diese„Thailandfreunde“ sind in Wirklichkeit „Pattayafreunde“. Sie haben ausser an dem, was an den Bars abläuft, keinerlei Interesse, weder an Land, Menschen und Kultur.

Viele von ihnen glauben, sich nach nur einer Woche Aufenthalt in den Touristenzentren ein Urteil über Thailand und seine Bevölkerung anmassen zu können. Ihr Wissen haben sie von den Girls anden unzähligen Bars erworben.

Das gilt vor allem für die Spätzünder-Casanovas, die trotz ihres für deutsche Frauen bereits abgelaufenen Verfallsdatums an Pattayas Bierbars den Big-Boss markieren und sich von einer jungenFrau verwöhnen lassen. Von dem Eindruck, den die Mädchen auf sie gemacht haben, gewinnen sie ihre Meinung vom ganze Land.

Die stets vergnügten Bargirls tragen so eine Menge dazu bei, dass Thailand in der westlichen Welt einen negativen Ruf bekommen hat. Alle diese Frauen arbeiten aber nicht an der Bar, weil sienicht schlafen können, sondern weil ihnen dies Gelegenheit gibt, einen Freier einzufangen. Sie sind aber, ganz anders als Prostituierte in Europa oder Amerika, nicht auf eine möglichst schnelleAbwicklung des Geschäfts bedacht. Sie werden versuchen, lange, am besten die gesamte Urlaubszeit mit dem Gast zu verbringen.

Das Mädchen ist natürlich lieber mit einem netten Kerl zusammen, der sie verwöhnt, als mit einem Rüpel, für den sie nur ein Sexualgegenstand ist. Es wird aber nie sein Ziel, Geld aus ihmherauszuholen, und zwar so viel wie möglich, aus den Augen verlieren.

Aus solch einer längeren Beziehung entsteht dann häufig sogar Liebe. Die ist allerdings meistens auf den Mann beschränkt. Er verliebt sich in das sanfte Wesen, das ihn während der UrlaubswochenTag und Nacht umsorgt und verwöhnt, und vergisst, dass es für das Mädchen in erster Linie ein Job ist, um Geld zu verdienen. Der Farang ist wahnsinnig enttäuscht, wenn er eines Tages aus seinenTräumen gerissen wird und feststellt, dass es sich für das Mädchen nicht um die grosse Liebe handelte, auch wenn es ihm das mit „I love you to much" oft beteuert hat.

Die Frauen an den Bars machen diesen Job freiwillig. Wenn es einen Zwang gibt, dann den des Geldes. Immerhin kann eine Thai, wenn sie es richtig trifft, in einer Nacht so viel verdienen, wiesie in ihrem Heimatdorf im ganzen Monat verdienen würde.

Fast alle Barfrauen kommen aus ärmsten Verhältnissen. Viele haben keine richtige Schulbildung und erst recht keine Berufsausbildung. Fast alle haben Kinder, und der Ehemann hat sie verlassen.Sie brauchen Geld, für ihre Kinder und für ihre Familie, bei der die Kinder aufwachsen. Das verdiente Geld schicken sie nach Hause. Wer sich ein bisschen in Pattaya auskennt, der weiss aberauch, dass von den Mädchen an den Bars nur wenige so viel verdienen, dass sie davon mehr nach Hause schicken können, als zum Lebensunterhalt der Familie erforderlich ist. Nicht einmal jede 10.dürfte einen betuchten Sponsor finden, der so viel Geld rausrückt, dass es für den Bau eines Hauses im Isaan ausreicht.

Deutsche haben zumindest eine gesicherte soziale Versorgung mit Netz und doppeltem Boden für sich und ihre Familie. Diese Grundsicherung mitsamt bester ärztlicher Versorgung hat bei uns jeder,egal ob er zu alt, zu dumm oder zu faul ist, um sich mit Arbeit über Wasser zu halten. Aus dieser gesicherten Position heraus nun auf die „unmoralischen“ Thaifrauen herunterzublicken oder deneigenen Zeigefinger moralisch-mahnend zu erheben, wäre pure Heuchelei.

Wir Farang sollten uns lieber jeden Tag darüber freuen, nicht im Land der Reisfelder ohne jegliche soziale Hängematte geboren worden zu sein, anstatt hier die Nase zu rümpfen über dieunmoralische Tätigkeit einer Thai. Eine junge Frau, die einem oft mehr als doppelt so alten Urlauber ihren Körper für eine läppische Gebühr leihweise zur Verfügung stellt, um ihre Familie imIsaan zu ernähren, verdient mehr Achtung, als die vielen persönlichkeitsgespaltenen Männer, die in Pattayas Bierbars und in den Thai-Foren im Internet reihenweise herumgeistern und inSelbstmitleid und gnadenlose Verdammung der Thaifrauen ausbrechen, wenn sie der Meinung sind, trotz des grosszügigen Einsatzes von einigen 500-Bahtscheinen nicht genug „echte Liebe“ von ihrer Lady bekommen zu haben.

Selbst wer mit seiner angetrauten Thai auf die Nase gefallen ist, sollte nicht sofort nach billigen Ausflüchten suchen und alle Schuld von sich weisen. Wem es nicht gelungen ist, sich seinexotisches Weib „untertan“ zu machen, so dass es ihm nicht mehr auf Dauer ohne Entlohnung nachts als Langzeitprostituierte und tagsüber als züchtige Hausfrau in der Küche zur Verfügung stehenwill, der sollte sich die Frage stellen, was er falsch gemacht haben könnte. Thaifrauen sind sehr selbstbewusst und erwarten, dass sie von ihrem Partner so akzeptiert werden wie sie sind. Werdazu ehrlich bereit ist, für den ist die Ehe mit einem ehemaligen Barmädchen kein grösseres Risiko als mit einer Frau aus Deutschland. Dies auch dann, wenn - wie in den meisten Fällen - einerheblicher Altersunterschied besteht.

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