G7-Gipfel auf Sinnsuche

Sie ist 41 Jahre alt, nicht mehr ganz zeitgemäß, aber trotzdem unverzichtbar: die G7, früher mal die größten Wirtschaftsmächte der Welt. Jetzt wirken ihre Treffen wie Selbstfindungsseminare eines Clubs, der nach Bedeutung sucht. Foto: epa/Manan Vatsyayana
Sie ist 41 Jahre alt, nicht mehr ganz zeitgemäß, aber trotzdem unverzichtbar: die G7, früher mal die größten Wirtschaftsmächte der Welt. Jetzt wirken ihre Treffen wie Selbstfindungsseminare eines Clubs, der nach Bedeutung sucht. Foto: epa/Manan Vatsyayana

Ise-Shima (dpa) – Barack Obama kann es nicht lassen. Am Freitagfrüh, kurz nach dem Frühstück im Inselhotel «Kanko», macht er seiner Lieblings-Regierungschefin schon wieder Komplimente. Ein deutscher Fotograf ruft nach der Frau Bundeskanzlerin. Obama ergreift Angela Merkels Hand und sagt in die Kamera: «Wir lieben Ihre Kanzlerin.»

Der US-Präsident hat Merkel schon bei seinem Deutschlandbesuch in Hannover vor wenigen Wochen geschmeichelt, wo es nur ging. Jetzt geht das beim G7-Gipfel in der japanischen Ferienregion Ise-Shima gleich weiter. Der Kanzlerin gefällt es. Sie lächelt.

Die Gipfelchemie zwischen Obama und Merkel stimmt. Die beiden sind hier so etwas wie die Oberchefs. Am runden Tisch sitzen sie stets nebeneinander - quasi als Klassenälteste. Obama ist seit sieben Jahren dabei. Es ist sein letzter G7-Gipfel. Für Merkel ist es schon das elfte Treffen dieser Art.

Es geht wie immer um alle größeren Probleme dieser Welt. Klimaschutz, Terrorbekämpfung, Flüchtlingskrise, Konjunktur, Syrien, Libyen, Ukraine. Die Abschlusserklärung umfasst 32 Seiten und zehn Hauptthemen. Die Unterhändler haben monatelang daran gefeilt, damit die Chefs nur noch kleinere Änderungen vornehmen müssen.

Viel Konkretes kommt dabei allerdings nicht heraus. Und das Wenige ist dann noch nicht einmal verbindlich. Trotzdem gibt es am Ende für jeden etwas Vorzeigbares. Für den Japaner Shinzo Abe ist es ein Bekenntnis zur Ankurbelung der schwachen Weltwirtschaft. Der britischen Premierminister David Cameron bekommt ein Statement gegen den Brexit, den drohenden Austritt seines Landes aus der EU.

Für Merkel ist die Feststellung wichtig, dass die Flüchtlingskrise ein globales Problem ist, an dessen Lösung alle mitarbeiten müssen. Es geht ihr aber auch gar nicht in erster Linie um konkrete Ergebnisse. «Vieles ist Psychologie. Da ist es wichtig, Vertrauen aufzubauen.»

Ein Aufgebot von etlichen hundert Journalisten, der Einsatz von 23 000 Polizisten und Kosten im dreistelligen Millionenbereich haben die Erwartungen aber auch in diesem Jahr wieder hochschnellen lassen. Sie sind aber immer schwerer zu erfüllen. Das liegt auch daran, dass der Gipfel 41 Jahre nach seiner Erfindung nicht mehr ganz zeitgemäß ist.

Die «Gruppe der Sieben» wurde 1975 als Club der sechs größten Industrienationen gegründet. Die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan waren von Anfang an dabei. Kanada kam ein Jahr später als Nummer sieben hinzu.

Damals ging es um die Bewältigung einer Weltwirtschaftskrise. Später entwickelten sich die G7-Treffen immer mehr zu einem globalen Krisenbewältigungsforum. 2002 erhielt Russland die Vollmitgliedschaft, wurde aber 2014 wegen der Annexion der Krim wieder ausgeschlossen.

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hält das für einen Fehler. «Die G7-Gruppe ist nicht im Stande, große internationale Krisen alleine zu lösen», sagt er. Das gelte sowohl für die Ukraine-Krise als auch für den Syrien-Konflikt.

Aber nicht nur deswegen leidet die G7 unter Bedeutungsverlust. Neben Russland fehlt mit China ein weiteres Mitglied des UN-Sicherheitsrats und die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Peking und Moskau sind bei G20 dabei, das der Siebener-Gruppe inzwischen den Rang abläuft.

Der G7 bleibt nun die Aufgabe sich unter anderem für die Verhandlungen in diesem größeren Format gemeinsam zu positionieren - als ein Kreis von Ländern mit gemeinsamen Werten und demokratischen Vorstellungen, wie Merkel es ausdrückt.

Dazu gehört auch, dass man in einer Gipfelerklärung klare Kante gegen diejenigen zeigt, die gewisse Wertvorstellungen nicht teilen. Russland drohte die G7 härtere Sanktionen an, wenn es seinen Verpflichtungen aus dem Ukraine-Friedensabkommen nicht nachkomme. Und im Streit um Inseln im Süd- und Ostchinesischen Meer bezog die G7 ebenfalls klar Partei für die Nachbarn Chinas.

Auch wenn die G7 bei der Krisenbewältigung alleine nichts mehr ausrichten kann, wird sie sich sicher nicht selbst abschaffen - auch, weil das dem ausgeschlossenen russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Triumph bescheren würde. Der reiste während des G7-Gipfels im Fernen Osten am Freitag übrigens Richtung Westen, in eines der letzten Nato- und EU-Länder, das ihm noch einigermaßen freundlich gesonnen ist: Griechenland. An Zufall mag man da kaum glauben.

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