Früher war alles besser!

Früher war alles besser!

Wirklich? Wann war früher? Während der Hexenverbrennungen? Unter Hitler? Oder als ich jung war, als körperliche Züchtigung zu Hause und in der Schule noch an der Tagesordnung war? Je älter wir werden, umso häufiger blitzen Erinnerungen aus unserer Kindheit und Jugend in uns auf.

Ich denke oft an die Bunkernächte, an die Ausbombung, an die Notunterkünfte und an Hunger. Andere, etwas jüngere Freunde erinnern sich an die Währungsreform in Deutschland, als es plötzlich über Nacht alles wieder zu kaufen gab, das vorher angeblich nicht vorhanden war, oder was man in den Auslagen der Tauschzentralen sah, abzugeben gegen Zigaretten, Butter oder Speck. Anderen wiederum ist die Fußballmannschaft, die unter Fritz Walter zur Weltmeisterschaft geführt wurde, ein unvergesslicher Augenblick oder die deutsche Wiedervereinigung. Aber war die Vergangenheit deshalb besser?

Selbst Demente, Alzheimer-Kranke erinnern sich an frühe Geschehnisse aus ihrem Leben, während sie das, was ich ihnen vor wenigen Augenblicken erzählte, längst vergessen haben, weil die dafür notwendigen Nervenstränge in ihrem Hirn nicht mehr zueinander finden.

Schön ist es, wenn zwei Menschen nach langer Gemeinschaft miteinander alt werden dürfen. Grauenhaft hingegen, wenn einer von beiden dement wird und zurück fällt ins totale Vergessen, die Partnerin oder den Partner nicht mehr erkennt oder gar aggressiv gegen den plötzlich Unbekannten vorgeht. Ich weiß, wovon ich spreche, zumal der oder die pflegende Angehörige das eigentliche Opfer ist und selbst Gefahr läuft zu erkranken.

Wie schön ist es, einem alten Menschen zu begegnen, der gesund und fröhlich aus seiner Vergangenheit berichtet. Vor Jahren hörte ich einer alten Frau zu, die als jüdische Überlebende des KZ-Lagers Sachsenhausen berichtete und darüber, wie sie es geschafft hatte, ein neues Leben in Deutschland aufzubauen, Freundschaft und Frieden mit diesem Land und vielen seiner Bewohner erneut zu schließen. Sie baut auf die Jugend. Mit 83 Jahren fährt sie immer noch von einer Schule zur anderen und erzählt, wie es damals war und wie es sein könnte, wenn die Menschen sich darauf besinnen würden, ihren Herzen mehr zu gehorchen, als den Botschaften der ewig Gestrigen, die Flüchtlingsheime abfackeln und aberwitzigen Träumen vom „Dritten Reich“ anhängen. Chapeau! Diese Frau hat Verehrung und Respekt verdient und jede Anerkennung, die ein Land zu vergeben hat.

Wenn ich jungen Leuten heute erzähle, wie mit dem Kniefall von Willi Brandt die Wiedervereinigung eingeleitet wurde, schaue ich oft in ahnungslose Gesichter, bis die sich wieder ihrem iPhone zuwenden. Die Mauer. Was war das? Irgendwas mit China? Googelt es mal, ihr Technik-Freaks, bevor ihr den Rattenfängern der AfD folgt, die nichts anderes vorhaben, als mit dubiosen Rassegesetzen erneut deutsch-nationales Gedankengut durchzusetzen.

Klar, mit Geschichten, die anfangen „es war einmal“, kann ich dieser Generation nicht mehr kommen – weder in Europa noch in Asien. Auch die jungen Thais leben in der Zukunft. Hoffentlich auch für die Zukunft. Denn hier gibt es viel zu tun, um das Land voranzubringen. Dabei den Altvorderen zuzuhören wäre sicher nicht der schlechteste Ansatz dafür.

Das Leben hat sich verändert. Für viele ist es leichter und angenehmer geworden. Andere hocken immer noch im Elend, zahlen Wucherzinsen an Geldverleiher und schicken ihre Kinder in die großen Städte, um Geld zu verdienen. Nein! Komme mir keiner mit Gerechtigkeit. Die gibt es nicht. Was es gibt, was es geben könnte, das hieße: Achte deinen Nächsten, und hilf ihm, wenn er in Not ist. Mehr braucht es nicht, um Frieden in diese Welt zu bringen. Aber solange eine Religion die andere als heidnisch bezeichnet, solange bewaffnete Horden über andere Länder herfallen, bleibt dies alles idealis­tische Illusion.

„Warum gibst du diesem Bettler Geld?“, fragte mich kürzlich ein guter Bekannter. „Der verdient wahrscheinlich mehr, als du an Rente bekommst.“ Vielleicht hat er Recht. Aber damals, als wir bitterarm waren und niemand uns unterstützte, da habe ich mir geschworen, wenn ich jemals in die Lage kommen sollte, anderen, denen es schlechter geht als mir, zu helfen, dann werde ich es tun. Und dafür erwarte ich auch keinen Dank. Was kann ich dafür, dass es mir gut geht? Und die kleinen Spenden machen mich nicht ärmer. Aber vielleicht bewirke ich damit, dass andere satt werden. Und komme mir keiner mit dem Satz: „Wenn jeder an sich selbst denkt, dann ist allen geholfen“. Das ist Zynismus in seiner ekelhaftesten Form!

Für mich gilt (gar nicht religiös gemeint): Geben ist seliger als nehmen.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Jack N.Kurt Leupi 22.12.16 18:00
Rattenfänger /Herr Obermeier
Die rechtsradikalen Rattenfänger und Mauerbauer vergessen immer wieder, dass sie zuerst ihre eigenen "Sperren"und "Gräben" im Gehirn überwinden sollten !
Jürgen Franke 14.05.16 09:26
Nur noch ein Satz zur AFD
Hier wurde eine Partei von Bürgern gewählt, die mit ihrer gewählten Regierung nicht unbedingt einverstanden sind. Das zu Maßregeln sollte man nicht unbedingt, denn durch kurzes Nachdenken fällt Ihnen sicherlich auch ein Land ein, wo noch nicht einmal das möglich ist.
Jürgen Franke 13.05.16 20:09
Herr Pflugfelder,
den letzten Satz Ihres Kommentars (12.05. 23:23) sollte man ganz dick herausstreichen. Ich hoffe sehr, dass wir uns auch noch weiterhin über die AFD ohne große Emotionen austauschen können, denn die sitzen jetzt, ob es uns nun gefällt oder nicht, in den meisten Parlamenten, da es leider in den Schulen nicht gelungen ist, der Jugend einen Geschichtsunterricht zu vermitteln, der sie in die Lage versetzen konnte, eine Meinung über unsere Vergangenheit bilden zu können. Dann haben eben Rattenfänger Erfolg.
Jürgen Franke 13.05.16 09:44
Herr Krüger, Sie haben wieder einmal sehr
viel hineingepackt in Ihrer Kolumne und leider stürzen sich die bisherigen Kommentare gleich auf die AFD, die Sie als Rattenfänger bezeichnen. Übrigens der Kniefall Brandts leitete nicht die Wiedervereinigung ein sondern eine geänderte Ostpolitik. In den Jahren 66 bis 75 hatten wir auch die erste Ölkrise. Alles vergessen. Dann kam der Misstrauensantrag gegen Brandt. Hier "regierte" schon kräftig die DDR mit. Die AFD hat schon mal erreicht, das es der SPD eingefallen ist, sich auch mal an die Sozialschwächeren zu kümmern. Das wird aber nicht ausreichen für eine nächste Regierung. Die Rentenreformen, die wir jetzt alle ertragen müssen, sollte uns daran erinnern, dass diese Partei nicht mehr wählbar ist. Aber in einer Demokratie muss man sich nun mal für eine Partei entscheiden. Die AFD benötigt lediglich nur noch eine Person, die das Programm, wenn es dann mal fertig ist, rhetorisch formvollendet präsentieren kann. Denn die Wähler wählen erst einmal die Person und dann das Programm. In einem Jahr sind die dann soweit und können den Bundestag aufmischen. Diese Schlafmützen, die weder das Problem Griechenland in den Griff bekommen haben, noch in der Lage waren die Flüchtlinge auf die Länder zu verteilen. Auf die Länder zumindest, die von den Geldern der EU sehr gut leben.