„Farang-Aufschlag“ hat einem Leser einen geplanten Ausflug vermiest:
Eine Nachbarin erzählte mir, dass es am nächsten Tag „freien Eintritt“ in das Museumsdorf „Muang Boran“ geben sollte. Das interessierte mich und ich wollte mir dieses Museum wieder einmal ansehen. Letztes Jahr hatte ich mich schon über die Eintrittspreise informiert. 400 Baht pro Person. Für einen Elektrowagen für zwei Personen oder die Mitfahrt in einem Elektrobus oder die Benutzung des privaten Autos, dann wäre so und so viel mehr zu bezahlen gewesen, alles mit oder ohne zeitlicher Begrenzung. Damals wollte ich nur einen Eindruck gewinnen, schien mir doch vieles noch kommerzieller als vor Jahren.
Nun brach der neue Tag an und… es regnete in Strömen. Ab und zu auch einmal ein Blitz. Na, dachte ich mir, die – also das Museum – haben sich aber einen guten Tag für eine kostenlose Besichtigung ausgesucht. Es regnete um 9 Uhr und um 10 Uhr – aber allmählich wurde es weniger und hörte dann gegen 11 Uhr ganz auf. Es war zwar immer noch stark bewölkt, aber jetzt wäre eine gute Möglichkeit den geplanten Besuch durchzuführen.
Mit Mühe konnte ich jetzt Jai (das ist der Name meiner Frau) anhalten, sich für die Besichtigung bereit zu machen. Sie hatte keine wirkliche Lust dazu, denn sie hatte dieses Dorf schon einmal gesehen – obwohl das schon vor vielen Jahren war. Ich wusste, dass man in der Zwischenzeit hier viele Veränderungen vorgenommen hatte und das interessierte mich.
So, jetzt noch ein paar Worte zu Muang Boran. Es liegt in der Provinz Samut Prakan, südlich von Bangkok an der Sukhumvit Road. Hier, auf einer Fläche mit den Umrissen von Thailand, hat man seit mindestens 30 Jahren alte Häuser, Tempel sowie Skulpturen aufgebaut oder nachgebaut. Natürlich sind auch Alltagsgegenstände, Holzpuppen, Zimmerausstattungen und Buddha-Figuren ausgestellt. Die Häuser, Tempel bzw. Wats sind aus Stein oder Holz, Straßenzüge sowie Märkte kommen aus allen Teilen Thailands, sind an den Originalplätzen abgebaut und hier wiedererrichtet oder kopiert worden. Man bekommt einen exzellenten Eindruck von der Thai-Architektur und dem Leben von vor hunderten von Jahren.
Ich beruhigte Jai mit der Aussage, wenn hinter diesem Begriff „freier Eintritt“ irgendein Zinken sein sollte, dass wir ja umkehren könnten.
Wir erreichten das Museum und parkten unser Auto auf einem Parkplatz, wo bereits andere Kraftfahrzeuge standen. Etwas weiter entfernt standen die Elektrobusse und links davon ein Kassenhaus. Das war wirklich ein Haus und erinnert zumindest im Inneren an Eingangslobbys von Hotels.
Wir betraten dieses Gebäude und wurden gleich höflich von einem jungen Mädchen, die mit einer weißen Bluse und schwarzer langen Hose bekleidet war, begrüßt. Auffällig bei ihr war die Zahnspange – äh, eigentlich mag ich so etwas nicht gerne sehen. Jedenfalls unterhielt sie sich mit Jai auf Thai und ich hörte schon den Haken heraus. Irgendetwas sollte doch bezahlt werden.
Jai nahm mich an die Hand und wir verließen das Haus. Draußen erklärte sie mir, dass sie 50 Baht zahlen sollte und ich 400. Hier begann eigentlich der erste Fehler. Jai versäumte dem jungen Mädchen zu erklären, dass wir um die Ecke wohnen und ich eigentlich kein Tourist bin, sondern ein langjähriger Einwohner. 50 Baht Eintrittsgeld für Jai war für mich trotz des „freien Eintritts“ akzeptabel aber das von mir verlangte Eintrittsgeld war zu hoch.
„Moment mal“ sagte ich zu Jai, machte eine Kehrtwendung und ging allein wieder in das Gebäude. Ich wandte mich schnurstracks an das junge Mädchen und fragte: „Do you speak English?“ „Just a little bit“, antwortete sie und nun wechselte ich die Sprache und benutzte meine Thai-Kenntnisse. Ich fragte, wie viel Eintritt ich bezahlen sollte. Sie antwortete: „Für Touristen 400 Baht.“ „Halt“, erwiderte ich, „ich bin kein Tourist und wohne seit 2 Jahren ein paar Querstraßen von hier.“ „Oh“ oder so, entgegnete sie und fragte, ob ich eine Arbeitserlaubnis hätte. „Viel besser“, sagte ich und zückte meinen Thai-Führerschein.
Mit diesem Führerschein ging sie zu einem jungen Mann hinter dem Tresen. Sie befragte ihn und kam wenige Augenblicke später zu mir zurück. Ja, man akzeptiere diesen Ausweis und ich bräuchte auch nur, so wie die Thais, 50 Baht bezahlen. Damit war ich einverstanden.
Sie begleitete mich zur Tür, weil ich meine Frau hereinholen wollte, die vor dem Eingang wartete. Ich fragte das Fräulein noch einmal nach den Preisen, bzw. Zulagen für die Benutzung eines zweisitzigen Wagens, wenn ich mein Auto nutzen oder mit dem Elektrobus fahren würde. Wenn ich den Bus benutze, würde es keine extra Kosten geben, bestätigte sie. Wann der nächste Bus fahren würde, war meine letzte Frage. „In 10 Minuten“, antwortet das junge Mädchen.
Jai war verschwunden. Ich suchte sie und fand sie etwa 100 Meter entfernt von dem Kassenhäuschen bei unserem Wagen stehen. Ich winkte ihr zu und sie kam zurück zum Ticket-Verkaufsgebäude. Ich teilte ihr freudig mit, dass auch ich nur 50 Baht zahlen sollte, also insgesamt 100 Baht für uns beide. Sie hatte eigentlich Angst, dass ich auf den Tisch hauen würde, weil die Ausländer von vielen Thais, von Firmen, Organisationen, Museen und Wats ausgenommen werden und ich mir das nicht gefallen lasse, jedenfalls mich darüber aufrege. Das kannte sie ja schon von mir.
Im Grunde genommen besteht Thailand aus einer zwei oder sogar drei Klassen Gesellschaft, ähnlich wie in Indien, mit deren vielen Kasten. Erste Gruppe: die Thais natürlich, zweite Gruppe: Ausländer die hier leben und arbeiten sowie etwas Thai sprechen können und die dritte Gruppe sind die Touristen ohne Thaikenntnisse. Was mich ärgert ist, dass viele Thais reicher sind als wir aber nur den günstigen „Thai“-Preis bezahlen müssen und wir als weiße Ausländer oder „Fallang“, wie wir betitelt werden, 100, 200 oder mehr Prozent zum eigentlichen Preis berappen sollen. Aber mein Gespräch mit dem jungen Mädchen verlief freundlich und ruhig – immerhin hatte ich ja auch ohne Schwierigkeiten mein Ziel erreicht.
Ich ging wieder in die Halle und ich suchte eine Kasse um das Eintrittsgeld zu bezahlen. Meine Gattin wartete draußen vor der Tür. Jetzt machte ich dummerweise den zweiten Fehler in dieser Geschichte und wandte mich nicht an das junge Mädchen, sondern ging zu einem anderen, etwas korpulenten jungen Mann, der hinter dem Tresen saß. Der wollte auf einmal 400 Baht, also zwei Personen à 200 Baht, von mir und nicht die vereinbarten 100 Baht haben. „Arrai wah???“, rief ich. Das heißt „was?“ auf Deutsch und drückt auch ein Erstaunen aus.
Auf einer Glastafel vor dem Tresen stand in Thai-Schrift aber mit arabischen Ziffern 200 Baht und auf Englisch: „Tourist 400 Baht“ als Ticket-Gebühren. Warum sie nicht auch die Thai-Zahlen verwendeten, wie ich es schon in Ayutthaya erlebte, weiß ich nicht, diese Zeichen können nur sehr wenige Ausländer lesen.
Naja, ich wurde jetzt sauer und meckerte, dass das Museum die Ausländer und in diesem Fall mich ausnutzen wollten. Ich warf ihm das Wort „Passat“ an den Kopf, was so viel wie verrückt heißt. Eine ältere Frau, was immer die für eine Position bekleidete, schimpfte auf Thai auf mich ein. Ich verstand nur Bahnhof.
Also dieser junge Mann musste beobachtet haben, dass ich in Begleitung einer Thai war, die den normalen Preis von 200 Baht zahlen sollte und ich aufgrund meiner anfänglichen Einwände und Nachweis durch den Führerschein nicht den Touristenpreis von 400 Baht, sondern auch nur den „Thai“-Preis von 200 Baht zahlen sollte. Insgesamt 400 Baht. Von „Eintritt frei“ oder pro Person 50 Baht war keine Rede mehr. Ich verließ das Gebäude und besprach und erklärte die Situation meiner Frau gegenüber. Ich hatte die Nase voll und kein Interesse mehr am heutigen Tag eine Besichtigung zu machen. Wir schlenderten zu unserem Wagen.
Und jetzt der eigentliche Hammer des Tages. Das junge Mädchen von vorhin kam zu uns auf den Parkplatz und machte einen „Wai“ und sagte auf Thai „Entschuldigung“. Dann fingen sie noch zu weinen an. Richtige Tränen flossen. Ich war mehr als betroffen von ihrer Reaktion. Jai und ich trösteten sie. Meine Gattin nahm sie in ihre Arme und ich legte meine Hand auf ihre Schulter, also die Schulter des jungen Mädchens. Ich vermute, dass die junge Frau etwa 18 Jahre alt war.
Zwei junge Männer, die waren wohl Museumsangestellte, kamen zu uns und fragten, was denn wohl los sei. Jai antwortete, dass es keine Probleme gebe. Auch diese Reaktion der beiden Jugendlichen fand ich interessant, sich um andere Menschen zu kümmern. Das junge Mädchen ging dann weinend zur Toilette. Die jungen Männer drehten sich um, sie verließen den Parkplatz und meine Frau und ich gingen zu unserem Pkw.
Wir fuhren nach Hause. Für wen sollte eigentlich der „freie Eintritt“ gelten? Jai sagte, im Fernsehen wurde darüber berichtet, aber war das für alle oder nur für eine bestimmte Gruppe gemeint? Für Schüler oder Soldaten, Schwerbehinderte, Blinde oder für wen?
Dort zu Hause schaute ich in meinen Unterlagen nach, wann ich das letzte Mal die Besichtigung dieses Museums durchführte, es war schon vor 10 Jahren, und vor genau 30 Jahren war ich mit meinem Vater hier. Die Besichtigung hatte ich abgehakt aber machte mir nur noch Gedanken um das junge Mädchen und ihre sensationelle Verhaltensweise. Sollte ich ihr einen Blumenstrauß als Trost, oder Schokolade oder ein Essen spendieren?
Leider bin ich davon abgekommen, denn man hat ja so vieles andere im Kopf. Jahre später habe ich dann mit einem deutschen Freund die Besichtigungstour durchgeführt, natürlich gab es inzwischen eine erhebliche Eintrittspreiserhöhung, aber das junge Mädchen von damals traf ich nicht wieder an.
Henry Birkenhagen
Leserkommentare
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