Gedenken in Nizza

 Präsident Emmanuel Macron in Nizza. Foto: epa/Sebastien Nogier
Präsident Emmanuel Macron in Nizza. Foto: epa/Sebastien Nogier

PARIS/NIZZA (dpa) - Mit einem Militärspektakel auf den Champs-Élysées feiert Frankreich seinen Nationalfeiertag - und umschmeichelt US-Präsident Trump. Doch dieser 14. Juli hat ein doppeltes Gesicht.

Die Kampfflugzeuge sind schon vorbeigedonnert und die Panzer über die Champs-Élysées gerollt, als eine musikalische Geste an den Schatten auf diesem Nationalfeiertag erinnert. Am Ende der traditionellen Militärparade in Paris nimmt eine Kapelle Aufstellung und spielt das Lied «Nissa la bella», «Nizza die Schöne». Die Musiker formen dabei den Namen der Mittelmeerstadt, in der genau ein Jahr zuvor bei einem Lastwagen-Anschlag auf der Strandpromenade 86 Menschen ermordet wurden.

Frankreich zeigt seine Muskeln, Frankreich leckt seine Wunden: Der mit großem Pomp inszenierte 14. Juli hat in diesem Jahr ein doppeltes Gesicht. Morgens fährt Präsident Emmanuel Macron als Oberbefehlshaber über die «schönste Avenue der Welt» und beschwört neben Ehrengast Donald Trump die Freundschaft zu den USA, am Nachmittag reist er ins schwer getroffene Nizza.

Der Anschlag an diesem symbolischen Datum wurde damals als Angriff auf Frankreich und seine Werte empfunden. Das schwingt mit, als Macron jetzt in Paris vom Preis für die Verteidigung «unserer Rechte» spricht. Bis zu 10.000 französische Soldaten sind bei der Anti-Terror-Mission «Sentinelle» im Inland im Einsatz, patrouillieren in Bahnhöfen oder auf dem Strandboulevard von Nizza - mehr als in den Kampfeinsätzen in der Sahelzone und bei den Luftschlägen im Irak und in Syrien.

Das alljährliche waffenstarrende Spektakel auf den Champs-Élysées ist nicht weniger als eine Demonstration der Stärke, minutiös vorbereitet und vom Fernsehen in voller Länge übertragen. Auch wenn die Schlagkraft des Landes im Vergleich zu den USA natürlich klein ist: Frankreich ist Atommacht, Veto-Land im UN-Sicherheitsrat, und schickt seine Truppen vergleichsweise häufig in Auslandseinsätze. Mit dabei sind diesmal etwa Leclerc-Panzer und Artilleriegeschütze vom Typ César. Genau solche hat Frankreich gerade auch bei der Schlacht um Mossul eingesetzt, wo es die irakischen Streitkräfte im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat unterstützte.

Den US-Präsidenten Trump umschmeichelt Macron so mit eindrucksvollen Bildern, wie sie die französische Hauptstadt bei den großen Feierstunden der Republik produziert. Offensichtlich gelöst verfolgt der Amerikaner die Parade, salutiert vor den amerikanischen Truppen, die anlässlich des 100. Jahrestags des Eintritts der USA in den Ersten Weltkrieg mitlaufen. Und Macron bekommt die gewünschten Bilder: Frankreich als wichtiger Akteur auf der Weltbühne, der trotz Meinungsverschiedenheiten mit allen reden kann.

In Nizza legen Menschen zu diesem Zeitpunkt schon seit Stunden Plaketten in Blau, Weiß und Rot - den französischen Nationalfarben - in der Nähe des Ortes ab, wo der weiße 19-Tonner vor einem Jahr ein Blutbad anrichtete. Auf Fernsehbildern ist zu sehen, wie sich langsam die Nationaldevise «Liberté, Égalité, Fraternité abzeichnet - «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit». Blumenhändler verteilten auf der Strandpromenade weiße Rosen zum Gedenken an die Opfer, wie die Regionalzeitung «Nice Matin» berichtete.

Mit einer emotionalen Zeremonie gedenkt die Stadt am Abend der Toten. Während ein Chor ein Stück von Mozart singt, werden nacheinander die Namen der Opfer verlesen. «Ein Lastwagen ist in die Menge gerast und hat Frankreich zerrissen», sagt eine Vertreterin der Opferorganisation «Promenade des Anges» mit Tränen in den Augen. «86 Engel sind zu schnell davongeflogen, und haben die Stadt in eine erstarrte Stille gestürzt.»

Neben Macron sitzen die Ex-Präsidenten François Hollande und Nicolas Sarkozy sowie Fürst Albert II. von Monaco auf der Tribüne, auch die Familien der Opfer und die Verletzten waren eingeladen. «Der 14 Juli in Nizza wird nie mehr der gleiche sein, und er wird in Frankreich nie mehr ganz der gleiche sein», sagt der Staatschef. Der Anschlag am Nationalfeiertag habe das Land brutal an den Preis der Freiheit erinnert.

Die Gedenkzeremonien gehen noch bis in den späten Abend weiter. Nach einem Gedenkkonzert verstummen die Zuschauer um kurz nach halb elf - dem Zeitpunkt des Anschlags - zu einer Schweigeminute. Anschließend trägt ein Sänger ein Lied mit dem Titel «Les feux d'artifice» («Das Feuerwerk») vor - der Anschlag wurde unmittelbar nach einem Feuerwerk zum Nationalfeiertag begangen. Zum ersten Jahrestag hat die Stadt jegliche Böller und Raketen verboten. Dafür steigen am Abend weiße Ballons und 86 Lichtstrahlen in den Himmel, um an die Opfer erinnern.

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