FPÖ auf dem Sprung in die Regierung

Foto: epa/Christian Bruna
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WIEN (dpa) - Vor zehn Monaten gab sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache trotzig-optimistisch. «2017 wird das Jahr der Freiheitlichen! Unser Tag kommt!» Der Kandidat der Rechtspopulisten, Norbert Hofer, war damals in letzter Sekunde durch eine breite Anti-FPÖ-Bewegung als österreichischer Bundespräsident verhindert worden. 46,2 Prozent reichten im Duell mit dem Grünen-nahen Alexander Van der Bellen nicht.

Zehn Monate später hat die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) alle Trümpfe in der Hand, um Teil einer neuen Regierung in der Alpenrepublik zu werden. Das Zerwürfnis zwischen den regierungsgewohnten Sozialdemokraten und der konservativen ÖVP ist zu groß, um an eine Neuauflage von Rot-Schwarz zu glauben. Der Rechtsruck in Österreich scheint programmiert.

Dabei hat das Abdriften nach rechts schon lange vor der Wahl am 15. Oktober begonnen. Sinnbild mag eine Frage in einem TV-Duell sein: «Sollen anerkannte Flüchtlinge dieselben Sozialleistungen bekommen wie Österreicher?», fragten die Moderatoren auf dem Privatsender Puls 4 Ende September die sechs Spitzenkandidaten. ÖVP-Chef Sebastian Kurz, Strache und auch der SPÖ-Vorsitzende Christian Kern hielten eine Tafel mit ihrer Antwort in die Höhe: «Nein».

In der Alpenrepublik ist - so sind die Meinungsforscher überzeugt - keine Wahl zu gewinnen ohne harten Kurs in der Migrationsfrage. Spätestens seit der Flüchtlingskrise sind die ausländerkritischen Stimmen in Österreich absolut gesellschaftsfähig. Gerade auf dem Land, wo am allerwenigsten Veränderung zu spüren ist, sind Themen wie Sicherheit, Ordnung und «Austria first» zu Hause.

Strache ist als Wahlkämpfer der erfahrenste aller sechs Spitzenkandidaten. Der 48-jährige Zahntechniker, der die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) seit zwölf Jahren führt, tingelte auf Stimmenfang konsequent auch durch die kleinen und kleinsten Ortschaften.

Seine Freunde nennen ihn nur HC - und er erntet für seinen Einsatz Bewunderung. «Der HC macht die Ochsentour. Wir sind in jedem Tal unterwegs. Kein anderer Spitzenkandidat macht das, weil es keiner aushält», sagte die Salzburger FPÖ-Chefin Marlene Svazek zur Zeitung «Die Presse».

Im Gegensatz zum 31-jährigen ÖVP-Spitzenkandidaten Sebastian Kurz, der vom extrem intensiven Wahlkampf äußerlich völlig unbeeindruckt scheint, wirkt Strache immer wieder einmal müde und abgekämpft. Der fehlende Elan unterstreicht aber seinen Imagewandel: Der Mann, der keinen Kontrahenten ausreden ließ, der polterte und schimpfte, gibt sich mittlerweile meist staatstragend. «Ich bin gelassener und ruhiger geworden», sagt er über sich.

Über die AfD-Provokationen («Wir werden sie jagen») sagt er verständnisvoll wie herablassend: «Die Alternative für Deutschland ist ja eine Partei, die sich in den Geburtswehen befindet.» Brüder im national-konservativen Geist sind AfD und FPÖ allemal, aber die FPÖ hat eine jahrzehntelange Tradition mit breitem Programm und Verwurzelung in fast allen Schichten.

Dass Strache sich als junger Mann im Umfeld von Neonazis bewegte, thematisiert aktuell die «Süddeutsche Zeitung». Jahrelang sei Strache unter anderem bei Aktionen der rechtsextremen Wiking-Jugend dabei gewesen. Fotos von Wehrsportübungen kommentiert Strache mit einem Dementi: «Ich war nie ein Neonazi und ich bin kein Neonazi.»

Aus Sicht des Rechtsextremismus-Experten Andreas Peham ist eine direkte Bestätigung durch Strache nicht nötig. «De facto hat er es zugegeben, dass er in der Jugend in diesen Kreisen war, von denen er sich nun aber distanziert habe, weil er gescheiter geworden sei», sagt der Fachmann am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands.

Als vor zehn Jahren Fotos in Uniform von Strache auftauchten, schien dessen Polit-Karriere bedroht. Doch der damalige SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zeigte Milde und nannte das Verhalten des FPÖ-Chefs «Jugendtorheiten». Straches Vergangenheit bewegt heute eher das Ausland als die Österreicher, so scheint es.

So war der nun absehbare Triumph nur durch eine Personalie hochgradig gefährdet. Als im Mai Kurz neuer ÖVP-Chef wurde, ließ er mit seiner Haltung zur Einwanderung und seiner Popularität die Umfragekurve der FPÖ von 32 auf zwischenzeitlich 22 Prozent abstürzen. Die Schlammschlacht zwischen SPÖ und ÖVP gibt aber einem seit Jahrzehnten gepflegten Feindbild neue Nahrung: Ein rot-schwarzes Bündnis sei immer eine Zwangsehe zum Schaden des Landes, so die FPÖ-Erzählung.

Auf dem Weg in die Regierung will Strache nun keinen Platz für rechtsextreme Entgleisungen lassen. Ein FPÖ-Politiker der zweiten Reihe verzichtete auf eine Kandidatur, weil er in einer Rede antisemitische Anspielungen gemacht haben soll. Die Mitgliedschaft eines Parteifreunds in der Steiermark wurde ruhend gestellt, weil er in einer Gemeinderatssitzung den Hitler-Gruß gezeigt haben soll.

Die Medien - bisher eines der Feindbilder Straches - werden nun charmant umworben. Am Ende eines TV-Duells überreichte Strache ganz nach alter Schule der Moderatorin einen riesigen Blumenstrauß, weil es seine letzte Wahlsendung mit ihr vor dem Urnengang war.

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