Farang im Isaan

Neues von Günther Ruffert
Neues von Günther Ruffert

Die meisten Mädchen, die in den Bars in Pattaya oder Phuket arbeiten, stammen aus dem armen Nordosten Thailands, dem Isaan. Es ist deshalb nur logisch, dass die meisten Thai-Farang-Romanzen irgendwo im Isaan landen. So mancher Farang, der sich in eines dieser samthäutigen und mandeläugigen Wesen an der Bar verguckt hat, wird sich von ihr überreden lassen, ihre Familie im fernen Isaandorf zu besuchen. Bei diesem Besuch im Dorf seiner Freundin wird er vielleicht von dem völlig anderen Lebensrhythmus und der allgemein freundlichen, wenn nicht herzlichen Art, mit der ihm alle Dorfbewohner entgegenkommen, angetan sein und überlegen, dort auf Dauer sein Domizil zu nehmen. Dabei muss er sich aber über folgende Dinge klar sein.

Wie viele Postings in Thaiforen zu diesem Thema zeigen, sehen alle, die hierher kommen, den gleichen Isaan, aber aus unterschiedlichem Blickwinkel, oder besser gesagt, mit anderer Einstellung und Lebenserwartung: Jeder Farang, der sich entschliesst hier zu leben, muss viele Dinge abschreiben, die er in seinem bisherigen Leben im Farangland als selbstverständlich, wenn nicht für unverzichtbar erachtet hat. Er bekommt dafür andere Dinge, wie schönes Wetter, geringere Lebenshaltungskosten und meist auch eine junge Frau. Er muss sich aber vorher, an Hand der eigenen Erfahrung bei gelegentlichen Besuchen im Isaan, darüber klar sein, ob er das eine gegen das andere eintauschen will. Man steigt nie einfach aus etwas aus, sondern man steigt auch immer in etwas hinein. Und meistens ist es ganz anders, als man es sich vorgestellt hat. Mancher hat die Vorstellung gehabt, ins Paradies zu ziehen und hat nach einiger Zeit den Eindruck, am Ende der Welt gelandet zu sein!

Es ist aber hier so wie mit allen Dingen in Thailand, die immer wieder kritisiert werden. Da bejammert man einerseits den für uns Farang primitiven Lebensstil der Menschen und beklagt andererseits, dass die rustikalen und traditionellen Gepflogenheiten auf dem Land mehr oder weniger schnell von den guten und schlechten Dingen überwuchert werden, die unsere westliche Zivilisation den Menschen ständig vor Augen führt.

Das Leben im Isaan ist bestimmt nichts für jeden. Aus der Erfahrung mit den Farang, die hier in meiner Umgebung leben, würde ich sagen, dass weniger als die Hälfte von ihnen langfristig mit den Lebensumständen zurechtkommt. Wer aber die Menschen hier so akzeptiert wie sie sind, mit all ihren in unseren Augen guten und schlechten Gepflogenheiten, sich vor allem bemüht, sich in die Dorfgemeinschaft einzufügen, der kann vielleicht einiges von den Träumen realisieren, die wir wohl alle mal gehabt haben.

Er muss vor allem mit den Thai-Eigenarten, wie ich sie mal vorsichtig pauschal nennen will, fertig werden. Das heisst, er wird seine Ansprüche und seine Lebensweise weitgehend dem Thai-Lebensstil anpassen müssen, wenn er auf Dauer hier zufrieden leben will. Er wird zwar je nach Können und finanziellen Möglichkeiten versuchen, sich seine engere Umgebung etwas nach seinem Farang-Geschmack zu gestalten, dabei aber bald merken, dass das ständige Anrennen gegen die Thai-Mentalität, also vor allem was Ordnung, Sauberkeit, sinnvolle Planung der Tagesaktivitäten und auch Sparsamkeit betrifft, ein Kampf gegen Windmühlenflügel ist. Dafür hat er aber Dinge, von denen er in Deutschland nur träumen konnte, also ausser der hübschen jungen Frau das warme Wetter, die billigen Lebenshaltungskosten und wenn er versucht, die Sprache der Menschen zu sprechen und sich nicht abkapselt, auch viele Freunde im ganzen Dorf.

Wer aber länger so lebt, wird bald merken, dass das Interesse und die manchmal den etwas zurückhaltenden Farang überwältigende Freundlichkeit, mit der ihm die Menschen im Dorf zunächst entgegenkommen, mit der Zeit nachlässt. Er gehört dann zum Alltag im Dorf, und niemand denkt daran, ihm gefälliger entgegenzukommen als allen anderen Nachbarn auch. Welches Ansehen er nun im Dorf geniesst, hängt ganz davon ab, wie er sich den Menschen präsentiert. Das hat natürlich auch etwas mit Geld zu tun; wer Geld hat, ist in Thailand nun mal besser angesehen als ein armer Schlucker. Das hat aber auch etwas mit der Bereitschaft zu tun, sich in das Leben im Dorf einzupassen und zu zeigen, dass man bereit ist, die Menschen hier zu akzeptieren so wie sie sind.

Es gibt aber ausserdem noch einige andere Dinge, über die sich der angehende Expat klar sein muss. In den letzten Jahren hat sich der Zuzug der Farang, bzw. die Zahl der von Farang-Geld gebauten Villen hier so rapide vermehrt, dass selbst ich, als alt eingesessener Isaaner und kontaktfreudiger Mensch, keine 20% der im Umkreis von 30 km lebenden Farangs mehr persönlich kenne. Aber bei denen, die ich kenne, erlebe ich immer wieder die gleichen Probleme:

1.) Geld! Wer hier leben will, ohne eine entsprechende finanzielle Grundlage zu haben, wie Rente, oder ein während seiner Lebensarbeitszeit angespartes Vermögen im Depot einer heimatlichen Bank, kommt über kurz oder lang in die Bredouille. Das gilt natürlich vor allem für diejenigen, die schon lange vor Erreichen des Rentenalters hierher ziehen, im Vertrauen auf ein paar zigtausend angesparte Euros, mit dem Gedanken, hier mit dem Geld irgendeine gewinnbringende Tätigkeit in Gang bringen zu können. Das meiste Geld geht für den Hausbau drauf, der fast immer erheblich teurer wird als ursprünglich angenommen. Jede Tätigkeit, und damit vor allem jede Investition, die mit dem restlichen Geld unternommen wird, um mit dem Gewinn den Lebensunterhalt bestreiten zu können, läuft zwangsläufig auf den Namen der Frau und löst sich mitsamt dem Haus in Luft auf, wenn die Verbindung in die Brüche geht.

2.) Nun mag mancher, der mit seiner Frau schon jahrelang in Deutschland oder der Schweiz lebte, der Meinung sein, seine Frau so gut zu kennen, dass er ein Scheitern der Verbindung für unmöglich hält. Er muss dann oft feststellen, dass die Frau, die jetzt hier in ihrer Heimat in täglichem Kontakt mit ihrer Familie lebt, nicht mehr die gleiche Frau ist, mit der er in Deutschland lebte. Kommen dann noch finanzielle Probleme hinzu, dann ist der Anfang vom Ende vorprogrammiert.

3.) Wer sich nicht gleich von Anfang an bemüht, sich in die Thai-Mentalität hineinzudenken (soweit das für einen Farang überhaupt möglich ist) und darauf einzustellen, es unterlässt, die Sprache zu lernen, weil er sich mit seiner Frau ja gut auf Pidgin-Englisch verständigen kann, keinen Wert darauf legt, mit den Nachbarn guten Kontakt zu halten und auch am gesellschaftlichen Leben des Dorfes teilzunehmen, der endet in der Isolation. Als Trost bleiben ihm dann oft nur die Flasche oder immer ausgedehntere Besuche in Pattaya, was dann wieder über kurz oder lang die Ehefrau nicht mehr mitmacht.

Es ist vielleicht kein sehr optimistisches Szenario, das ich hier zeichne. Aber ich zeige hier ja nur die wesentlichen Gründe auf, warum die Träume, die man einmal in der kalten Heimat geträumt hat, sich hier nicht realisieren. Und das ist nach meinen Erfahrungen bei mehr als der Hälfte der Farang die ich hier kenne, der Fall. Ganz ausser Acht gelassen habe ich dabei hier die Probleme, die sich aus den nicht gerade farangfreundlichen Massnahmen der Thairegierung ergeben. So kenne ich z.B. einige Leute, die als Verheiratete bisher ein Jahresvisum besassen, jetzt aber nicht in der Lage sind, die 40.000 Baht regelmässiges Monatseinkommen nachzuweisen, die zur Erteilung eines neuen Jahresvisums notwendig sind.

Zusammengefasst: Jeder träumt wohl mal davon, sein Leben und seine Umgebung zu ändern, dem Stress und dem kalten Wetter zu entfliehen und mit einer jungen Frau neu anzufangen. Aber nicht jeder, der davon träumt, hat die seelische, körperliche und finanzielle Konstitution, um diese Träume hier im Isaan zu verwirklichen. Und jeder Farang, der mit grossen Versprechungen hierher kam und dann scheiterte oder gar als Alkoholiker dahinvegetiert, trägt nicht gerade zum Ansehen der Farang unter den Einheimischen bei.
Günther Ruffert

Ich lebe seit über 20 Jahren in Thailand, davon fast 15 Jahre in einem typischen kleinen Isaan-Dorf. Natürlich hängt der Standpunkt, den man bei der Beschreibung von Land und Leuten einnimmt, von den persönlichen Verhältnissen ab. Ich erhebe deshalb keineswegs den Anspruch, eine objektive Beschreibung der Sitten und Gebräuche in diesem Land zu Papier zu bringen.

In den Jahren hat sich vieles verändert, auch meine Meinung zu dem, was um mich herum passiert. Ich finde aber, dass gerade in den Dörfern im Isaan die meisten Veränderungen nur oberflächlich sind. Wenn man ein bisschen daran kratzt, kommt schnell das alte Thailand zum Vorschein.

Für den Farang ist es schwierig, das Denken und Handeln der Thai zu verstehen, genauso wie es für den Thai schwierig ist, das Denken und Handeln der Farang zu verstehen. Vor allem bei den Farang, die das Land noch nicht gut kennen, können meine Geschichten vielleicht zum besseren Verständnis all dessen beitragen, was ihnen in Thailand zunächst unverständlich erscheint. Und sie können helfen, Stolpersteine zu vermeiden.

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