Facettenreichtum als Joker

Qualitätstouristen verlangen mehr, als eine Neuetikettierung

Ist die Sexindustrie wirklich das einzige Übel der Stadt? Oder gibt es vielleicht ganz andere Problemlagen, die dringender angepackt werden sollten, um mehr Qualitätstouristen anzulocken? Mit einer bloßen Neuetikettierung ist es nicht getan.
Ist die Sexindustrie wirklich das einzige Übel der Stadt? Oder gibt es vielleicht ganz andere Problemlagen, die dringender angepackt werden sollten, um mehr Qualitätstouristen anzulocken? Mit einer bloßen Neuetikettierung ist es nicht getan.

PATTAYA: Der Imagewechsel Pattayas, weg von einer sündigen Stadt, hin zu einem familienfreundlichen Urlaubsziel für jedermann, ist in den vergangenen Monaten im Gespräch wie nie zuvor. Mit aller Gewalt soll der Sin City ein neuer Stempel aufgedrückt werden, nachdem die Regierung sowie die im Tourismusgeschäft involvierten Ministerien und Verbände das Sexgeschäft als Grund allen Übels ausgemacht haben. Doch ist das wirklich so? Ist die Touristenmetropole wirklich so schlimm wie ihr Ruf?

Ohne Zweifel ist das Sexgewerbe in Pattaya sichtbarer als in jeder anderen Touristendestination Thailands. Jahrzehntelange behördliche Nichtregulierung und das Auge-zudrücken-Prinzip der Ordnungshüter aus bekannten Gründen, sind ohne Zweifel mit dafür verantwortlich, dass sich das horizontale Gewerbe so omnipräsent entwickeln konnte, wie es sich heute darstellt, vermutlich sogar den größten Wirtschaftszweig der Stadt bildet.

Dennoch lässt sich in den vergangenen Jahren durchaus ein Wandel in den Touristenschichten beobachten. Mit dem Aufkommen moderner Hotels in jeder Preisklasse und abwechslungsreichen Freizeitangeboten für Groß und Klein, entscheiden sich immer mehr Pärchen und Familien für einen Urlaub in Pattaya, wohlwissend über das Negativ­image der Stadt als „Sexmetropole der Welt“.

Etwas verrucht ist „hip“

Insbesondere junge asiatische Paare, vorwiegend aus Korea, Japan oder China, empfinden das buntgemischte Angebot der Partystadt am Golf von Thailand als „spannend“. Man könnte sogar fast behaupten, etwas verrucht ist angesagt, was auch die Zunahme gut situierter Wochenendurlauber aus Bangkok beweist. Nach einem Ausflug am Vormittag auf die vorgelagerte Insel Larn zum Baden und Relaxen, geht es am Nachmittag ins 3D-Museum „Art in Paradise“ oder in die „Pattaya Sheep Farm“, bevor am Abend in der Walking Street die Nacht zum Tag gemacht wird.

Egal, ob Gastronomie, Hotellerie oder Freizeitangebote: Pattaya hat sich zu einer Destination entwickelt, die sich stets neu erfindet und im Vergleich zu anderen Reisezielen im Land die Besonderheit aufweist, Spaß und Unterhaltung für die unterschiedlichsten Urlauberschichten zu bieten. Millionenschwere Großprojekte wie die beiden Wasserparks „Ramayana“ und „Cartoon Network“ sind nur zwei Beispiele, die beweisen, dass das ausgelutschte Klischee Pattayas als ausschließliche Destination für Sextouristen, längst überholt ist.

Problemlagen erkennen

Um mehr sogenannte Qualitätstouristen anzulocken, bedarf es keines aufgedrückten Imagewandels, sondern Taten statt Worte: so fließen seit Jahren die Abwässer ungeklärt ins Meer, die Straßen präsentieren sich im maroden Zustand, Fußgängerwege erweisen sich als gefährliche Stolperfallen, rußende Busse verstopfen die Straßen, Ratten bevölkern die Strände…, die Liste könnte endlos fortgeführt werden.

Solange die Verantwortlichen nicht begreifen, dass für das Aufkommen wohlhabender Qualitätstouristen Anreize in Form von langfristigen Aufwertungen in der Infrastruktur unerlässlich sind, wird ihnen auch die Verbannung des Sexgewerbes nicht den erwünschten Erfolg bescheren. Statt ausschließlich zu jammern und das Rotlichtgewerbe als den vermeintlichen Grund allen Übels zu deklarieren, empfiehlt es sich, an Gegebenem anzuknüpfen und den Facettenreichtum der Touris­tenmetropole in den touristischen Marketing-Fokus zu rücken. Denn genau das macht für viele den ganz besonderen Reiz an „ihrem“ Pattaya aus.

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Leserkommentare

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Norbert Kurt Leupi 01.06.17 23:13
Alles klar ? Herr M.Meier
Lieber Michael ! Mir ist nicht alles klar betreffend der Qualität , aber es gibt eben nur wenige Dinge , die wir ganz richtig zu beurteilen vermögen , weil wir an den Meisten auf die eine oder andere Art allzu persönlichen Anteil nehmen ! " Klarer " kann ich mich nicht ausdrücken ! Uebrigens bin ich in Basel wegen "Leibesvisitationen ", pardon , General-Body-Check und Zahnbehandlungen ! MfG Jack
Jürgen Franke 01.06.17 22:10
Die Thailandtouristen wissen exakt, warum sie
ausgerechnet dieses Land als Urlaubsziel gewählt haben und werden auf Nachfrage immer sagen, um Land, Leute und die Kultur kennenzulernen. Aber das sind lediglich 5% der Besucher, die 95% hat Michael Meier beschrieben. Pattaya wird weiterhin beliebt bleiben, und kann nicht mit anderen Orten verglichen werden, denn der Dreck im Meer und der Müll werden aus Zeitgründen nicht zur Kenntnis genommen.
Mike Dong 01.06.17 16:49
Qualität
Qualität hat ja auch was mit Stil zu tun. Wer Promenaden in Nice, Barcelona, Lisboa, etc. kennt, wird die in Pattaya wohl kaum schön finden. Selbst der Ballerino in Mallorca ist ein Traum verglichen mit hier. Wenn es keinen Sex in Pattaya gäbe, wäre kein Mensch hier. Und "Sex sells". Das scheinen die Stadtobereren zu vergessen. Pattaya ist erfolgreich, weil es "billig, schmutzig, verrufen, verlottert" ist. Diese Marktnische aufzugeben wäre dämlich.
Hans-Dieter Volkmann 01.06.17 16:43
michael meier 01.06.17
Werter Herr Meier, ich tu mich schwer mit jenen Menschen die Pattaya im gleichen Atemzug als Seebad bezeichnen, ausgenommen die zynische Weise. Pattaya hat sicherlich für manche Gesellschaftsschichten auch seine Qualitäten. Sylt hat eben ein anderes Niveau. Ich kann mir vorstellen das Sie sich auf Sylt nicht wohlfühlen.
Norbert Kurt Leupi 01.06.17 15:44
Herr M.Meier@JNKL
Geehrter Michael ! Deine Frage : Was macht Qualitätstouristen aus ? Das hat Herr Dong doch richtig beschrieben : Die Umwelt und Umgebung muss stimmen , ein gepflegter Strand muss sein, wenn man aus dem Hotelzimmer schaut will man doch keine Müllberge ,Abfallhaufen und schlafende Clochards am Strassenrand sehen etc. Uebrigens , wenn Du nur "Nobelschlitten " und " Superjachten "sehen willst , bist Du in Monaco am Besten dran ! Du weisst doch ,Qualität hat seinen Preis und in Pattaya hat vieles einen noblen Preis , aber die Qualität stimmt nicht ! Qualität heisst auch ,dass der Kunde zurückkommt und nicht die Ware ! Viele verwechseln auch Qualität mit Quantität ! MfG Jack
Norbert Kurt Leupi 01.06.17 12:39
Qualitätstouristen
Wer Qualitätstouristen ins Land locken will, der muss auch Qualität bieten .Da haben Sie absolut Recht ,Herr M. Dong ! Darum findet man Qualitätstouristen auf Sylt , in St.Moritz , in Monaco ,Marbella und überall dort ,wo man weiss, was Qualität ist und bedeutet und das Qualitätsmanagement stimmt !
Mike Dong 01.06.17 11:24
Qualitätstouristen
Qualitätstouristen ? In Pattaya ? Das ich nicht lache. Das Sammelbecken für selbsternannte Lebenskünstler, Alkis u Raucher, Bierbäuche u Schnitzelesser wird niemals den "gehobenen Tourismus" ansprechen können. Die Umwelt und Umgebung ist kaputt, Strand ist ein Witz. Dreck und Ratten fühlen sich hier wohl. Ist auch ok, solche Plätze muß es auch geben. Aber das die Verantwortlichen nicht sehen, was sie hier haben, kann nur mir Betriebsblindheit erklärt werden.
khun_dan 01.06.17 10:56
Problemlagen erkennen
die beiden letzten absätze beschreiben treffend die probleme nicht nur in dieser stadt sondern überall in den tourismus-centren in thailand...
danke björn, top artikel!

in pattaya gehts ja nun vorwärts, tunnel wird bald eröffnet, tramlinien sind in planung, baht-bus haltestellen werden rigoros durchgesetzt, drainage-tunnels werden gesäubert, elektr. leitungen in den boden verlegt, weitere happy-zones eröffnet, nichtssagende S-kampagnen lanciert und und und.
alles kommt gut! 555
Norbert Kurt Leupi 31.05.17 16:18
Pattaya - wer/wo ist das Uebel ?
Pattaya muss und darf nicht richtig " sauber " werden ! Sex-City ist weltbekannt und das besonders wegen dem Rotlichtviertel ! Aber deswegen alleine , ist der Ruf nicht so schlimm , wie man Pattaya nachsagt ! Hier gibts zwar Puffs, Massage-Salons versch.Arten, AGoGo-Läden etc.und alles was zu einem ausschweifenden Nachtleben gehört und deswegen viele Touristen , auch solche mit gefüllten Geldtaschen , das SEEBAD besuchen ! Hier wird wahrscheinlich das meiste Geld mit und wegen dem Sex-Geschäft verdient ! Somit muss man aufpassen , dass man nicht alles "zu gerade " macht oder zu" Pingelig " wird ,weil dann stirbt die Szene weg und dann wird der Stadt und den Menschen die "Ernährung " fehlen ! Auch haben wir hier Menschen mit verschiedenen Lebensläufen und somit es halt auch Unschönes zu erzählen gibt! Das alles gehört zur integrativen Kraft und der Verlust der vertrauten Mentalität wie auch das "Zukommen " einer neuen Gesellschaft wäre Pattaya nicht dienlich ! Klar ist , wie oben von Herr B.Jahner erwähnt, es muss vieles verbessert werden und es müssen für Neuankommende wie auch Familien Attraktivitäten geschaffen werden ! Dass aber das Ausbleiben von Qualitäts-Touris das Nacht-und Sexleben angeprangert wird , halte ich aus der Luft gegriffen denn es gibt auch viele Einheimische und Residenten, die zu "Hause essen " ,aber die Nachspeise in den amüsanten und dunkleren Neben-Sois der Walkingstreet "einnehmen " ! Also Pattaya , bleib`wie Du bist, denn so bist Du einzigartig!
Ingo Kerp 31.05.17 14:29
Den beiden letzten Absätzen des Artikels kann man nichts mehr hinzufügen. Allerdings, so fürchte ich, wird an diesen Dingen nichts ge- und verändert werden. Die kleinen Ausschmückungen und Veranstaltungen in Pattaya, sind wie ein schönes Kleid, das man über einen häßlichen Körper zieht.
Thomas Doll 31.05.17 12:04
Facettenreichtum......
Ihr Artikel trifft den Nagel exakt auf den Kopf, sicherlich muss das Rotlichtmillieu reguliert und strengstens kontrolliert werden, aber um Pattaya als Badeort und Urlaubsziel für Qualitätstouristen attraktiv zu machen benötigt es den Willen der Verantwortlichen Stadtoberen und natürlich sehr viel Geld. Pattayas Infrastruktur befindet sich in einem Zustand die eines weltbekannten Badeorts unwürdig ist.
Oliver Rudolph 31.05.17 11:05
Björn
Du triefst den Nagel genau auf dem Punkt.Sie sollen doch erstmal die großen Probleme lösen.
Und dies wird meine Generation ( Bj.1960) nicht mehr erleben.
Mehr gibt es nicht zu sagen.