Europa zittert vor der Niederlande-Wahl

Foto: epa/Bas Czerwinski
Foto: epa/Bas Czerwinski

BRÜSSEL/BERLIN (dpa) - Europa und die Niederlande: Das ist schon länger eine heikle Beziehung. Vor knapp einem Jahr steckte der niederländische Regierungschef Mark Rutte eine schwere Niederlage ein, als die Wähler das EU-Abkommen mit der Ukraine bei einem Referendum zurückwiesen. Nun macht der Rechtspopulist Geert Wilders - bewundert von deutschen Gleichgesinnten in der AfD - im Wahlkampf wieder offen Stimmung gegen die EU. Europa und auch Deutschland müssen sich Sorgen machen.

Zwar deuten Umfragen darauf hin, dass die Parlamentswahl am Mittwoch an der politischen Führung in Den Haag wenig ändern wird: Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass Rutte Regierungschef bleibt. Zuletzt lag seine rechtsliberale VVD mit 16 Prozent auf Platz eins und ließ Wilders Partei für die Freiheit hinter sich. Trotzdem treibt Wilders den moderaten Rutte längst politisch vor sich her. Seit er mit Fundamentalopposition gegen Brüssel punktet, duckt sich auch Rutte europapolitisch weg.

Beim EU-Gipfel in Brüssel vorige Woche zeigte sich das in einer Vignette am Rande. Die 28 Staats- und Regierungschefs analysierten gemeinsam die Lage auf dem Westbalkan, den die EU eigentlich gerne an sich binden möchte, statt ihn dem Einfluss Russlands oder der Türkei zu überlassen. Von einem möglichen EU-Beitritt weiterer Staaten durfte aber im Schlusspapier bitte auf keinen Fall die Rede sein. Denn eine noch größere EU käme in Ruttes Wahlkampf gar nicht gut an.

Die EU-Partner machen da klaglos mit, denn keiner will ein Gründungsmitglied der Gemeinschaft zum Wackelkandidaten machen. Außerdem wird vor der Niederlande-Wahl - im Sinne einer düsteren Dominotheorie - stets ein potenziell viel größeres Desaster mitgedacht: ein Sieg der Rechtspopulistin Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich. Das wäre «das Ende Europas, wie wir es kennen», sagte der aus Frankreich stammende EU-Kommissar Pierre Moscovici zuletzt der «Zeit».

Selbst wenn es so weit nicht kommt, könnten auch Achtungserfolge von Wilders und Le Pen Europas politische Landschaft ins Rutschen bringen - bis hin zur Bundestagswahl im September. Denn die zuletzt schwächelnde Alternative für Deutschland könnte so wieder Wind unter die Flügel bekommen.

Auch Deutschland blickt also gespannt und mit Sorge auf die Wahlen im Nachbarland. Über einen Erfolg für Wilders würde sich außer der AfD niemand freuen. Deren Chefin Frauke Petry, derzeit alles andere als unangefochten, hatte im Januar den demonstrativen Schulterschluss mit Wilders und Le Pen gesucht und bei einer gemeinsamen Veranstaltung in Koblenz auch gefunden.

Allerdings läuft die AfD nun auch Gefahr, bei einem mäßigen Abschneiden des Niederländers und seiner Partei für die Freiheit mit nach unten gezogen zu werden. In den letzten Wochen, seit der angekündigten Kandidatur des SPD-Hoffnungsträgers Martin Schulz, gingen die Umfragewerte zurück. Der innerparteiliche Streit um den Rechtsaußen Bernd Höcke hat seinen Teil dazu beigetragen.

Kanzlerin Angela Merkel zeigt sich vor den Wahlen in den Niederlanden gelassen. Wenn die Rechtspopulisten in Europa insgesamt an Zustimmung verlieren, darf sie sich bestätigt fühlen. Legen Wilders und dann auch wieder die AfD zu, werden die Chancen auf eine weitere Amtszeit Merkels auch nicht schlechter. Denn je stärker die AfD, umso weniger Wege führen an einer Fortsetzung der großen Koalition nach der Bundestagswahl am 24. September vorbei.

Auch für die EU insgesamt ist die Wahl im größten Mitgliedsland Deutschland ein zentrales Datum in diesem Jahr. Denn bis dahin wird sich nicht viel bewegen auf europäischer Ebene. Griechenlands Schulden, Italiens Forderungen, der Streit mit Polen: Merkel wird bis dahin alles vermeiden, was ihre Wahlchancen schmälern könnte.

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