EU hatte schon Anfang Juli Informationen zu Fipronil-Eiern

Foto: epa/Sander Koning
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BRÜSSEL (dpa) - Belgien hat andere Staaten erst am 20. Juli offiziell über mögliche Gesundheitsrisiken durch Fipronil-Eier informiert. Die EU-Kommission hätte sich wohl schon deutlich früher einschalten können. Doch Angaben zu Fipronil-Funden erregten dort keine Aufmerksamkeit.

Die EU-Kommission hat entgegen erster eigener Angaben schon Anfang Juli Informationen zu Fipronil-Eiern erhalten. Dies geht aus einem Bericht der belgischen Lebensmittelsicherheitsbehörde FASNK vom Mittwoch hervor, der der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. Die EU-Kommission bestätigte die Meldung an die EU-Plattform auf dpa-Anfrage.

Eine Sprecherin der EU-Behörde hatte noch am Dienstag verneint, dass ihre Behörde Infomationen zu den mit dem Insektengift Fipronil belasteten Eiern in Belgien vor dem 20. Juli hatte. Im dem Eier-Skandal erhob unterdessen der belgische Agrarminister schwere Vorwürfe gegen die Niederlande, die diese zurückwiesen.

Es gab Dutzende Nachweise in Eiern niederländischer Produzenten, Millionen dieser Eier waren nach Deutschland, die Schweiz und Schweden geliefert worden. Alle Bundesländer - mit Ausnahme Sachsens - waren betroffen. Millionen Eier wurden aus den Regalen von Supermärkten genommen und vernichtet.

Belgien hatte laut FASNK-Bericht am 6. Juli über diese EU-Plattform Informationen aus den Niederlanden angefragt, um die mutmaßliche Verbreitung des Insektengifts im Geflügelsektor nachzuvollziehen zu können. Belgische Ermittler pochten damals auf Mithilfe ihrer niederländischen Kollegen.

Im Bericht der FASNK heißt es: «06.07.2017: Frage an die Niederlande gerichtet über das Antibetrugssystem AAC-FF, mit Erläuterung der Hypothesen betreffend die ursprüngliche Verunreinigung. Diese Nachricht wird auch von den europäischen Instanzen gelesen, die das System betreiben.» Betreiber ist die EU-Kommission.

Die EU-Kommission erklärte am Mittwoch auf Nachfrage der dpa, es habe sich lediglich um einen Austausch zwischen den beiden Staaten gehandelt. «Am 6. Juli gab es einen bilateralen Austausch zwischen Belgien und den Niederlanden im Rahmen des so genannten Administrativen Unterstützungs- und Kooperationssystems», sagte ein Sprecher der dpa. «Die Kommission überwacht den Austausch im Administrativen Unterstützungs- und Kooperationssystem (ACC) nicht aktiv wie es beim Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF) der Fall ist.»

In der relevanten EU-Regelung heißt es zur Rolle der EU-Kommission: «Sie überwacht den Informationsaustausch über das AAC-System (...) im Hinblick auf Aktivitäten, die gegen Lebensmittel- oder Futtermittelrecht verstoßen oder zu verstoßen scheinen und die auf Unionsebene von besonderem Interesse sind». In einer anderen EU-Verordnung steht: «Die Kommission koordiniert unverzüglich die Maßnahmen der Mitgliedstaaten, wenn sie aufgrund von Informationen aus den Mitgliedstaaten oder aus anderen Quellen Kenntnis von Handlungen erhält, die gegen das Futtermittel- oder Lebensmittelrecht verstoßen oder vermutlich verstoßen und für die Gemeinschaft von besonderem Interesse sind.»

Am Dienstag hatte eine Sprecherin der EU-Kommission erklärt: «Die EU-Kommission erfuhr erst am 20. Juli von mit Fipronil kontaminierten Eiern, als die belgischen Behörden die Kommission über unser Schnellwarnsystem informierten. Keinerlei Informationen über diesen Verunreinigungs-Vorfall wurden der Kommission vor dem 20. Juli geliefert, über technische oder irgendwelche anderen Kanäle.»

Erst am 20. Juli hatten die belgischen Behörden eine offizielle Risikomeldung zu Fipronil in Eiern an das Schnellwarnsystem zur Lebensmittelsicherheit geschickt, das ebenfalls dem Austausch unter EU-Staaten dient und von der EU-Kommission betrieben wird. Im Gegensatz zu dem Aufruf zur Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden vom 6. Juli geht es hier um Verbraucherschutz.

Der belgische Agrarminister Denis Ducarme erklärte am Mittwoch, seinem niederländischen Kollegen liege ein Bericht vor, wonach schon im November 2016 bei Eiern im Land Fipronil gemessen wurde. Die belgische Lebensmittelsicherheitsbehörde habe von einem internen niederländischen Bericht nur über gute Kontakte in die Niederlande erfahren, sagte Ducarme. Die niederländische Behörde für Lebensmittelsicherheit (NVWA) bestritt, schon seit Ende 2016 über Fipronil in niederländischen Hühnereiern informiert gewesen zu sein. «Der Vorwurf, wir hätten im November 2016 von Fipronil in Eiern gewusst, trifft nicht zu», heißt es in einer Erklärung des NVWA-Chefs Rob van Lint vom Mittwoch.

Allerdings habe es einen anonymen Hinweis gegeben, dass das Insektengift bei der Reinigung von Ställen zur Bekämpfung der Blutlaus eingesetzt worden sei. «Die NVWA bekommt jedes Jahr Hunderte von Tipps über vermutete Unregelmäßigkeiten», erklärte van Lint. Ein solcher Hinweis sei auch im November 2016 hinsichtlich der Stallreinigung eingegangen. «Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Hinweise darauf, dass es ein akutes Risiko für die Lebensmittelsicherheit geben könnte. Es gab keinen einzigen Hinweis darauf, dass Fipronil sich auch in Eiern befinden könnte.»

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) forderte von den Niederlanden und Belgien Aufklärung. In einem Gespräch mit der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Donnerstag) sagte Schmidt: «In dieser trüben Suppe muss endlich Klarheit geschaffen werden.» Sollte der Vorwurf Belgiens an die Niederlande stimmen, wäre er «sehr enttäuscht». Er erwarte, dass genau rekonstruiert werde, wer wann welche Eier geliefert habe und ob Deutschland betroffen war.

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