EU-Flüchtlingslager in Niger? Schwierige Vorschläge aus Wien

Hans Peter Doskozil. Foto: epa/Marija Kanizaj
Hans Peter Doskozil. Foto: epa/Marija Kanizaj

WIEN (dpa) - Wer Asyl in Europa haben will, braucht nicht nur einen guten Grund, sondern auch Glück, Geld und Schlepper. Denn nur, wer es bis auf europäischen Boden schafft, kommt dazu, dort Schutz zu beantragen. Wäre es nicht viel einfacher, wenn Migranten schon lange vor der gefahrvollen Reise über das Mittelmeer um Asyl in Europa bitten könnten? Ja, meint Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. Die vermeintlich einfache Lösung wirft schwierige Fragen auf - dürfte hier und dort aber Unterstützung finden.

Doskozil ist längst nicht der Erste, der für Flüchtlingslager weit jenseits der europäischen Grenzen plädiert. Bereits im Oktober 2014 hielten die EU-Innenminister solche Überlegungen in einer gemeinsamen Erklärung fest, die damals auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lancierte. Aus diesen Gedankenspielen wurde aber nichts - nicht zuletzt, weil sie die Verteilung der Schutzsuchenden unter den EU-Staaten vorsahen.

Doch genau in dieser Frage sind die EU-Staaten so gespalten wie sonst nirgends in der Asylpolitik. Schon die mehrheitlich beschlossene Umverteilung von bis zu 120.000 Flüchtlingen kommt nur langsam voran, die Slowakei und Ungarn klagten sogar dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Pläne für einen dauerhaften Verteilschlüssel kommen nicht von der Stelle.

Möglich wäre allerdings, dass der heftige Widerstand ein wenig bröckelt, wenn die EU den Zuzug von Asylsuchenden wirklich stoppen kann. Länder wie Ungarn argumentieren, dass die Politik mit einer innereuropäischen Umverteilung das Pferd von hinten aufzäumt. Solange der Zuzug von Migranten nicht gestoppt ist, stellt Budapest sich stur. Flüchtlingslager außerhalb Europas befürwortet die ungarische Regierung aber, und auch andere Staaten wie Italien dürften nicht abgeneigt sein.

Doch Doskozil geht es längst nicht nur um Lager für Migranten in Nordafrika oder dem Nahen Osten. «In sichere Schutzzonen sollen auch jene Menschen gebracht werden, die illegal in die EU eingereist sind», heißt es in einem Entwurf des Papiers, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den zuvor die «Bild»-Zeitung berichtet hatte. Im Klartext: Asylanträge könnten Migranten nur noch außerhalb Europas stellen. Viele Antragsteller aus afrikanischen Ländern würden weder Einreiseerlaubnis noch Asyl bekommen, weil sie vor wirtschaftlicher Not fliehen, aber daheim nicht unbedingt verfolgt werden.

Die Abwicklung von Asylverfahren in Drittländern ist aus Sicht der EU-Kommission indes nicht mit derzeitigem europäischem Recht vereinbar. Eine Änderung der entsprechenden EU-Gesetzgebung wäre aber möglich, falls die EU-Staaten sie fordern und dafür auch eine Mehrheit im Europaparlament finden.

Denn die Türkei-Vereinbarung und die Grenzschließungen entlang der Balkanroute haben gezeigt, dass Abschottung die Zahl ankommender Migranten deutlich senken kann. Im vergangenen Jahr hätten 79 Prozent weniger Migranten die griechischen Ägäis-Inseln und das Festland erreicht als im Jahr davor, meldete die EU-Grenzschutzagentur Frontex am Freitag.

Fraglich ist, ob die EU Staaten afrikanische Staaten wie Niger oder Länder des Nahen Ostens für die Einrichtung europäischer Lager gewinnen kann. Helfen könnten dabei aber die so genannten Migrationspartnerschaften, die die EU gerade mit mehreren afrikanischen Ländern vorantreibt. Kooperativen Staaten winkt europäische Unterstützung, Unwillige müssen fürchten, bei der Vergabe von Entwicklungsgeldern oder Investitionen schlechter davonzukommen. Die EU wehrt sich immer entschiedener gegen den Zuzug von Migranten - vielleicht wird sie eines Tages auch Asylverfahren jenseits der eigenen Grenzen abwickeln.

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