Türkische Offensive - «Terroristen ausrotten»

Foto: epa/Martial Trezzini
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ANKARA (dpa) - Die türkische Offensive in Nordsyrien ist international umstritten, doch Präsident Erdogan gibt sich kompromisslos. Und er deutet an, die Operation gegen die Kurdenmiliz YPG könnte ausgedehnt werden. Die YPG-Milizionäre nennt Erdogan «Barbaren» und «Mörder».

Trotz internationaler Sorge über die türkische Offensive in Nordsyrien will Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Militäroperation bis zur Vernichtung aller «Terroristen» fortsetzen. «Zuerst werden wir die Terroristen ausrotten, dann werden wir es dort lebenswert machen», sagte Erdogan am Mittwoch in Ankara. Die am Samstag begonnene «Operation Olivenzweig» gegen die Kurdenmiliz YPG in der Region Afrin verlaufe erfolgreich. Die türkischen Streitkräfte und die mit ihnen verbündete Freie Syrische Armee (FSA) brächten Afrin «Schritt für Schritt» unter ihre Kontrolle.

Erdogan deutete an, dass die Militäroperation über Afrin hinaus auch auf andere Gebiete in Nordsyrien unter YPG-Kontrolle ausgedehnt werden könnte. «So Gott will, werden wir, angefangen mit Manbidsch, dieses Spiel entlang unserer Grenzen zunichte machen und unsere Region von diesem Unheil vollständig säubern», sagte Erdogan.

US-Präsident Donald Trump forderte die Türkei auf, den Konflikt zu deeskalieren, die militärischen Aktionen zu begrenzen und Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Durch die Gewalt in Afrin würden die gemeinsamen Ziele in Syrien gefährdet, sagte Trump in einem Telefonat mit Erdogan, wie das Weiße Haus mitteilte. Er drängte die Türkei, vorsichtig zu agieren und alle Handlungen zu vermeiden, die einen Konflikt zwischen türkischen und US-Einheiten auslösen könnten.

Manbidsch liegt östlich von Afrin. Ein Sprecher des mit der YPG verbundenen Militärrates in Manbidsch namens Scherwan Derwisch sagte der dpa, die Milizionäre seien in «in Gefechtsbereitschaft». Auch seien in Manbidsch weiterhin US-Truppen. Die USA haben die YPG unter anderem in Manbidsch trainiert und mit Waffen ausgerüstet, um die im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu unterstützen.

Erdogan sagte, in den ersten vier Tagen der Operation in Afrin seien 268 gegnerische Kämpfer «neutralisiert» worden. Mit «neutralisiert» ist im Sprachgebrauch türkischer Sicherheitskräfte in der Regel getötet gemeint, der Begriff kann aber auch verletzt oder gefangen genommen bedeuten. Eine Bestätigung der YPG dafür gab es nicht. Erdogan fügte hinzu, die türkische Armee und die FSA hätten insgesamt «sieben bis acht Märtyrer» zu beklagen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich nach Angaben des Pariser Élyséepalasts in einem Telefonat mit Erdogan besorgt über die Offensive. Erdogan telefonierte auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Die Türkei hatte die Operation am Samstag mit Artillerie- und Luftangriffen begonnen. Am Sonntag folgte eine Bodenoffensive. Die YPG arbeitet mit der US-geführten Koalition gegen den IS zusammen und wurde von den USA mit Waffen ausgerüstet - gegen den erbitterten Widerstand Ankaras. Die YPG ist der syrische Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft ist.

Auch in Deutschland regte sich Sorge über die Offensive des Nato-Partners Türkei. Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt forderte die Nato zum Handeln auf. Hardt sagte im Südwestrundfunk, «dass wir glauben, dass es völkerrechtswidrig sein könnte, weil die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt ist beim Kampf gegen den Terrorismus». Auch der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich forderte, die Nato müsse sich mit dem Einmarsch befassen.

Mützenich sprach sich im Deutschlandfunk zudem gegen eine Nachrüstung türkischer «Leopard 2»-Panzer durch die deutsche Rüstungsindustrie aus. Die Türkei setzt die Panzer bei der Offensive in Nordsyrien ein. Der SPD-Außenminister Sigmar Gabriel hatte vor zwei Wochen seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu versprochen, eine Ausstattung der Kampfpanzer mit Minenschutz zu prüfen.

Der deutsche Botschafter Martin Erdmann wollte am Mittwoch mit dem türkischen Verteidigungsminister Nurettin Canikli über die Offensive sprechen, wie das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte. Der kurdische Dachverband Nav-Dem rief für Samstag zu einer Großdemonstration in Köln gegen die türkische Militäroperation auf.

Erdogan sagte über die YPG: «Das sind Barbaren, das sind Mörder, das sind Diebe, das sind Triebverbrecher. Das sind die neuen Kollaborateure der postmodernen Kreuzzüge.» Mit der Operation gegen die Kurdenmiliz schütze die Türkei nicht nur ihre Grenze, sondern «rettet auch die Ehre der gesamten Menschheit».

Erdogan fügte hinzu: «Ich lade alle zivilgesellschaftlichen Organisationen und alle Staaten der Welt, die im Namen der Menschenrechte, der Freiheiten und der Verteidigung von Kindern und Frauen arbeiten, dazu ein, die Türkei in diesem ihren Kampf zu unterstützen.» Er sagte an die Adresse separatistischer Kräfte wie der PKK: «Wir werden sie bis in ihre Höhlen verfolgen. Ob drinnen oder draußen. Denn wir werden sie dieses Land nicht teilen lassen.»

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