BERLIN (dpa) - Dass ein ganzer Stadtteil quasi komplett stillsteht, kommt in Deutschlands Hauptstadt Berlin auch nicht so oft vor. Jetzt ist genau das passiert. Der Grund ist mehr als 70 Jahre alt - eine britische 500-Kilo-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg.
10 000 in Sicherheit gebrachte Menschen, ein leerer Hauptbahnhof, Stillstand im Zugverkehr, geschlossene Schulen und Behördengebäude: Die Entschärfung einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg hat am Freitag Teile der Berliner Innenstadt lahmgelegt.
Am frühen Freitagnachmittag gelang es Sprengmeistern der Kriminalpolizei, den Zünder der vor wenigen Tagen entdeckten Bombe zu entfernen und unschädlich zu machen. «Entschärft», twitterte die Polizei.
Vorausgegangen war eine der größten Evakuierungsaktionen der vergangenen Jahre in Deutschlands Hauptstadt. Die Polizei bildete einen Sperrkreis mit einem Radius von 800 Metern um den Fundort nahe dem Hauptbahnhof im Stadtbezirk Berlin-Mitte; alle Bewohner dieses Gebietes mussten ihre Wohnungen zeitweise verlassen. Aus einem Mietshaus barg die Feuerwehr mittels Drehleiter einen Bettlägerigen durch ein Wohnungsfenster.
Der Regierungssitz der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, das Reichstagsgebäude - der Sitz des deutschen Parlaments - und die Botschaft der Schweiz liegen in der Nähe, nicht aber innerhalb des Radius.
Von der Evakuierung waren ferner Unternehmen, das Sozialgericht, das Bundeswirtschaftsministerium, der Bundesnachrichtendienst und ein Teil des Verkehrsministeriums betroffen. Charité und Bundeswehrkrankenhaus mussten ebenfalls teilweise geräumt werden. Das Museum für Gegenwartskunst und einige Schulen blieben ganztägig zu.
Die britische 500-Kilo-Bombe, 1,20 Meter lang und mit einem Durchmesser von rund 50 Zentimetern, war bei Bauarbeiten gefunden worden. Berlin war im Zweiten Weltkrieg öfter Ziel von Luftangriffen. Bei etwa 380 Bombenangriffen bis 1945 warfen Amerikaner, Briten und Russen Historikern zufolge mehr als 45 000 Tonnen Sprengstoff ab.
Der Berliner Hauptbahnhof, ein Verkehrsknoten, der normalerweise von bis zu 300 000 Menschen täglich frequentiert wird, glich einem Geisterbahnhof. Bereits ab 10.00 Uhr wurde er nicht mehr von Fernzügen angefahren, Reisende mussten auf umliegende Bahnhöfe ausweichen. Der öffentliche Nahverkehr wurde teilweise gesperrt.
«Eine vergleichbare Situation in diesem Ausmaß hatten wir noch nicht», sagte Friedemann Keßler, Leiter des Regionalbereichs Ost bei der Deutschen Bahn und verantwortlich für den Hauptbahnhof. Bahnsprecher Achim Stauß scherzte: «Der Hauptbahnhof ist schon zwölf Jahre alt, den können wir auch mal für ein paar Stunden alleine lassen.»
Im Nahverkehr sollte der normale Betrieb relativ rasch wieder anlaufen. Beim Fernverkehr sollte sich die Situation nach Angaben der Deutschen Bahn im Verlauf des Nachmittags wieder langsam normalisieren.
Die Entschärfung der Bombe nahm ein fünfköpfiges Team um Polizeioberkommissar Engin Laumer vor. «Alles lief völlig problemlos ab», schilderte er. «Nach diesem Einsatz ist wohl jeder von uns froh, wenn er abends nach Hause gehen kann.» Die Sprengmeister seien ein gut eingespieltes Team. Aber: «Ich lebe jeden Tag, als wäre es mein letzter», sagte Laumer. «Das gehört zum Job.»
Polizeisprecher Winfrid Wenzel zog eine positive Bilanz. «Die Menschen waren gut informiert. Viele waren vernünftig, sind zu Hause geblieben, haben das Auto stehen lassen, sind aufs Fahrrad umgestiegen und haben den Sperrkreis gemieden. Echtes Verkehrschaos gab es nicht.»
In der Vergangenheit gab es immer wieder Entschärfungen mit teils größeren Auswirkungen. Noch immer liegen nach Schätzungen der Berliner Umweltverwaltung etwa 3000 Bomben, Granaten und Munitionsreste unter der Erde.
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