Endspiel um den Balkan

 US-Vizepräsident Mike Pence zu Besuch beim montenegrinischen Ministerpräsidenten Dusko Markovic (r.) am 02. August 2017 in Podgorica, Montenegro. Foto: epa/Montenegro Government Pool
US-Vizepräsident Mike Pence zu Besuch beim montenegrinischen Ministerpräsidenten Dusko Markovic (r.) am 02. August 2017 in Podgorica, Montenegro. Foto: epa/Montenegro Government Pool

BELGRAD (dpa) - In der Fußballsprache ist es das Endspiel der Weltmächte um Kontrolle und Einflusssphären in Südosteuropa. Zurzeit steht es 1:0 für die USA. Doch Russland hat noch nicht aufgegeben und sieht seine Chancen.

Seit Jahrhunderten ist der westliche Balkan Spielfeld für die Großmächte. Habsburg gegen Osmanen, westliches Wertesystem gegen kommunistische Staaten, hießen in der Geschichte die Paarungen. Jetzt geht es wieder um Macht und Einfluss in der Region. Diesmal sind die USA und Russland in der Offensive. Aber auch China und die Türkei mischen mit, während die EU trotz größtem personellen und finanziellen Aufwand ins Hintertreffen gerät.

«Auf dem Balkan prallen Russland und die USA immer heftiger aufeinander», analysierte vor wenigen Tagen die renommierte Nachrichtenseite «t-portal» des jüngsten EU-Mitglieds Kroatien: «Schon ein kleiner Konflikt kann das Pulverfass in Brand setzen.» «Serbien jongliert zwischen Brüssel und Moskau», sorgt sich in dieser Woche die größte Belgrader Zeitung «Blic». Und das serbische «Novi Magazin» sieht einen «russisch-amerikanischen Energiekrieg auf dem Boden Europas» - und den Balkan mittendrin.

Vor zwei Wochen besuchte US-Vizepräsident Mike Pence das kleine Montenegro, das in diesem Jahr trotz heftigster Gegenwehr Russlands der Nato beigetreten ist. «Hier auf dem Westbalkan arbeitet Russland an der Destabilisierung der Region, um Ihre Demokratie zu untergraben und Sie auseinanderzudividieren», sagte er vor praktisch allen Regierungschefs der Region. Die USA unterstützten auch unter Präsident Donald Trump Südosteuropa gegen Moskau.

Solche Kampfestöne riefen vor allem in Serbien Kritik hervor. Nicht Russland, der Westen sei es, der hier alles destabilisiere, schimpfte Außenminister Ivica Dacic. Belgrad versucht seit Jahren einen wahren Eiertanz. Dem EU-Kandidaten kann es mit einem Beitritt zur Union gar nicht schnell genug gehen. Mit dem historischen Freund Russland werden gleichzeitig Sonderbeziehungen gepflegt. So gibt es das «Serbisch-Russische Humanitäre Zentrum» in der zweitgrößten Stadt Nis, das von Washington als Spionagezentrum bezeichnet wird. Zurzeit wird mit Moskau verhandelt über sechs gebrauchte MIG-29-Flugzeuge, neuere Panzer und Flugabwehrsysteme.

Die USA setzen auf die Energieversorgung. Sie drängen Kroatien, endlich das geplante Flüssiggas-Terminal auf der Insel Krk an der nördlichen Adria zu bauen. Das soll von Tankschiffen der USA gespeist und mit einem ähnlichen Anlandepunkt im polnischen Swinemünde verbunden werden. Südosteuropa soll so unabhängiger vom Gas aus Russland werden. Auf Initiative Kroatiens und Polens wurde im letzten Jahr die «Drei-Meere»-Region (Ostsee-Adria-Schwarzes Meer) ins Leben gerufen. Zwölf Staaten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa wollen sich mit tatkräftiger Unterstützung der USA besonders intensiv gegen Moskau zur Wehr setzen.

Die EU beäugt den möglichen neuen Mitspieler mit Misstrauen. Ohnehin hat man in Brüssel bemerkt, dass trotz vieler Milliarden Euro Hilfen und trotz eines Heeres an Diplomaten und Experten Ansehen und Einfluss auf dem Balkan begrenzt sind. Lösungen für Politkrisen wie in Albanien und Mazedonien wurden zwar vorgeschlagen, aber erst durch das massive Auftreten von US-Diplomaten durchgesetzt.

China hat in den letzten Jahren im Zuge seiner «neuen Seidenstraße» hier Straßen und Brücken gebaut, Kredite vergeben und Kraftwerke modernisiert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan besucht im nächsten Monat Serbien und bringt gleich 150 Geschäftsleute mit. Bisher hatte die Türkei die traditionell guten Beziehungen zu den Muslimen in Bosnien-Herzegowina noch verbessert. Großzügig wurden die im Bürgerkrieg zerstörten historischen Moscheen wieder aufgebaut.

Schließlich wird der Kampf um Einfluss auf dem Balkan über die Medien ausgefochten. Die russische Agentur Sputnik schafft es mit ihrem eigenen serbischen Programm tagtäglich in die Medien - und verstärkt so die russische Sicht auf die Welt. Die US-Firma KKR, der schon wichtige TV-Sender in der Region gehören, hat soeben Nova TV in Kroatien und POP TV in Slowenien gekauft - die beliebtesten Fernsehstationen. Auch die türkische Nachrichtenagentur Anadolu ist vor allem in Bosnien stark. Vom TV- und Nachrichtenportal «Al Jazeera Balkans» aus Katar in den Landessprachen ganz zu schweigen.

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