Eiszeit

Eiszeit

Die ersten warmen Frühlingstage in Europa. Vor den Eisdielen drängeln sich die Menschen „Zitrone? Vanille? Schokolade?“ Irrtum! Nichts davon.

Die Rede ist von der Eiszeit, die unseren Kontinent überzogen hat. Osten gegen Westen. Westen gegen Osten. Und dazwischen all die Kriege um Macht, Ressourcen und Religion – so überflüssig wie Schneefall im Sommer und so tödlich wie die Gräuel des letzten Weltkrieges. Haben wir denn in den letzten Jahren nichts hinzugelernt?

Ich war sieben Jahre alt, als der zweite Weltkrieg zu Ende ging. Seit siebzig Jahren habe ich in Deutschland und in Thailand in Frieden gelebt – solange wie kaum eine Generation vor uns.

Zwischendurch gab es Situationen, in denen man Angst haben musste, dass es wieder zu einem Krieg – diesmal mit noch schrecklicheren Waffen – kommen konnte. Als Beispiel nenne ich nur die Kuba-Krise.

Damals hieß unsere Devise: Nie wieder Krieg! Inzwischen gibt es auf der Welt mehr bewaffnete Auseinandersetzungen, als je zuvor. Die Angst wächst ebenso wie die Aufrüs­tung in fast allen Staaten. Deutschland als Mitglied der Nato wäre im Ernstfall dabei und wahrscheinlich im Zentrum der Auseinandersetzungen um die Ukraine und den Nahen Osten.

Thailand hingegen gehört keinem Militärbündnis an, aber die Streitereien um einen alten Tempel im Grenzbereich zu Kambodscha – bei denen es auch schon Tote gab – zeigen, wie schnell der Ernstfall eintreten kann.

Wenn die Hälfte eines Landes gegen die andere ankämpft – wie nennt man das? Rote gegen Gelbe, vom offenen Kampf nur abgehalten durch ein Militär-Regime. Und im Süden terrorbereite Separatisten, die schon unzählige unschuldiger Menschen auf dem Gewissen haben. Von einem friedlichen Land kann man auch in Thailand nicht sprechen.

Dafür werden Menschen, die sich an Friedensinitiativen beteiligen, die sich für Abrüstung und gegenseitiges Verständnis engagieren immer weniger. Stattdessen nimmt die Zahl rechtsextremer Ausschreitungen zu, Rassismus und der Glaube an die allein selig machenden Religionen beflügeln die Kämpfe im Nahen Osten. Und überall steigen die Kosten für neue Kampfmaschinen. Dabei fällt mir gerade eine vielleicht absurde Idee ein: Wie wäre es, wenn alle Waffenproduzenten der Welt dem Beispiel von Heckler & Koch folgen würden, den Herstellern des G36 Sturmgewehres, dessen Gewehrläufe sich bei Hitze oder Kälte so sehr verbiegen, dass kein feindliches Ziel damit mehr getroffen werden kann? Ich finde das wäre eine friedenssichernde Maßnahme, die möglicherweise für den Friedensnobelpreis in Frage käme.

Stattdessen erleben wir die Auferstehung des „Kalten Krieges“. Moskau fühlt sich von den näher kommenden Nato-Staaten bedroht und reißt sich – unbeschadet aller rechtsstaatlichen Vereinbarungen die Krim unter den Nagel. Der Westen glaubt immer noch als Weltmacht Nr. 1 agieren zu können und lässt jegliche Sensibilität vermissen.

Machtbesessenheit auf beiden Seiten, Gier nach Bodenschätzen und Wasser. Die Leidenden sind immer die Bevölkerung. Ohne Nahrung und Wasser fliehen viele aus ihren zerstörten Städten und Ländern und suchen Asyl im Westen – wo sie nicht selten vom Regen in die Traufe kommen. Es sind Einzelfälle, wenn Asylunterkünfte in Brand gesetzt werden, Menschen mit anderer Hautfarbe zusammengeschlagen und zu Tode getreten werden, aber sie bestimmen das Klima, heizen es weiter an. Ein Übriges tun häufig die Medien, die mit ihren Schlagzeilen Hass säen und Emotionen schüren, während das Mittelmeer zur Todesfalle wird für unzählige Flüchtlinge, die nichts anderes wollen, als in Frieden und Sicherheit zu leben. Die Würde des Menschen ist unantastbar. So steht es nicht nur in unserem Grundgesetz. Es steht auf Papier geschrieben. Und Papier ist bekanntlich geduldig.

Nein, nein und nochmals nein! Die Würde des Menschen ist antastbar. Wir erleben es täglich und das „Christliche Abendland“ schaut dabei zu - abends am Fernseher und wartet dabei auf den „Tatort“.

Ich habe immer an die Fortsetzung bzw. an die Beendigung der Kriege durch die Diplomatie geglaubt, an den Austausch der Meinungen, an die Herbeiführung von Kompromissen. Aber da lag ich wohl daneben. So unsicher wie heute war der Weltfrieden schon lange nicht mehr. Wer das nicht glaubt, sollte froh sein, wenn er nicht eines Tages selbst daran glauben muss. Die Politiker, die dafür verantwortlich sind, dass der Frieden auf der Welt erhalten bleibt, müssen wieder miteinander reden. Aber das tun sie nicht. Sie lassen Waffen sprechen. Womit bewiesen wäre: Schweigen ist nicht immer Gold.

Wie gerne würde ich, statt über dieses schreckliche Thema nachzudenken, ein leckeres Eis schlecken. Aber darf man das in diesen Zeiten? Klar, man muss es sogar tun, sonst wird man doch irre! Also gut: „Einmal Zitrone. Aber bitte mit Sahne.“

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