Einsam und arm

Foto: dpa/Stephanie Pilick
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BERLIN (dpa) - Fast jeder dritte Alleinstehende in Deutschland ist von Armut bedroht. Nach den jüngsten Zahlen des europäischen Statistikamts Eurostat waren dies 2016 32,9 Prozent der Alleinstehenden. Zehn Jahre zuvor waren nur 21,5 Prozent aller Alleinstehenden armutsgefährdet.

In den vergangenen Wochen sind soziale und gesundheitliche Folgen von Einsamkeit verstärkt in den Fokus gerückt, nachdem in Großbritannien ein Regierungsposten gegen Einsamkeit eingerichtet wurde. Auf die aktuellen Eurostat-Zahlen machte die Linke im Bundestag aufmerksam.

Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, die Betroffenen hätten es sich häufig nicht selbst ausgesucht, alleinstehend zu sein. «Das verpflichtet die Gemeinschaft, diesen Menschen strukturell zu helfen.»

Der Anteil der von Armut bedrohten Alleinstehenden nahm laut Eurostat bereits 2007 auf 27,3 Prozent zu und liegt seit 2011 bei über 30 Prozent.

Experten gehen davon aus, dass insbesondere Ältere mit kleinen Renten oder Grundsicherung betroffen sind, Jüngere auf dem Weg von einer Ausbildung ins Berufsleben und Niedrigverdiener.

Als von Armut bedroht gilt, wer bei unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt, 2016 waren dies 1.063,75 Euro pro Monat. Alleinstehende mit einer Beschäftigung waren laut Eurostat zu 17 Prozent armutsgefährdet. Zehn Jahre zuvor waren es nur 10,1 Prozent.

Auch die Gesamtzahl der Alleinstehenden ist in den vergangenen Jahren in Deutschland mit leichten Schwankungen angestiegen und überschritt 2015 die Marke von 16 Millionen. 2016 waren es 16,43 Millionen alleinstehende Erwachsene ohne Kinder. In mehr als zwei von fünf Haushalten leben Alleinstehende (40,8 Prozent).

EU-weit sind nur 32,5 Prozent der privaten Haushalte Alleinstehenden-Haushalte. Auch der Anteil der Armutsgefährdung liegt bei ihnen EU-weit unter dem deutschen Wert, nämlich bei 25,6 Prozent.

Die Linken-Abgeordnete Sabine Zimmermann, die die Eurostat-Zahlen ausgewertet hat, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Armut breitet sich zunehmend in Deutschland aus. Sie ist da und kann sich nicht verstecken.» Im EU-Vergleich habe Deutschland einen ausgeprägten Niedriglohnsektor. «Eine neue Bundesregierung muss hier einen Schwerpunkt setzen», so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Sie forderte unter anderem eine Erhöhung des Mindestlohn auf zwölf Euro, ein Verbot von Leiharbeit und von sachgrundlosen Befristungen.

Diakonie-Präsident Lilie machte darüber hinaus darauf aufmerksam, dass viele alleinerziehende Frauen Probleme hätten, mit ihrem Einkommen zurechtzukommen. Alleinerziehende, die zum Beispiel Unterhaltsansprüche nicht durchsetzen könnten und kein Netz von Verwandten hätten, gerieten rasch in eine Abwärtsspirale. «Viele müssen quasi rund um die Uhr arbeiten und sich um die Kinder kümmern», sagte Lilie. «Soziales Leben findet dann kaum noch statt.» Eine soziale Notlage gehe so oft mit zunehmender Vereinsamung einher.

Lilie begrüßte, dass sich Union und SPD im Entwurf ihres Koalitionsvertrags zum Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland bekannt hätten. «Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.» So seien Kitas heute in vielen Städten mit angespannter Haushaltslage nicht beitragsfrei, während wohlhabende Kommunen beitragsfreie Kitas anböten. Die Politik sei gefordert, beitragsfreie Kitas zu schaffen und Ganztagsbetreuung auch für Schüler auszubauen

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Norbert Kurt Leupi 14.02.18 20:44
Einsam und arm
Deutsche Männer ,deutsche Frauen ,deutsches Volk ! Nachdem wieder eine " funktionierende , stabile " (?) Regierung zusammengebastelt wurde , erinnern wir sie, die GroKo , gerne an die Steuerpflicht ! Ohne ihre finanzielle Unterstützung wären unsere Kriege , unsere Rettungsschirme für Banken und Konzerne , die Ueberwachung unserer Bürger , der Betrieb von Propaganda-Medien , unsere Diäten , das Verschenken von U-Booten an Israel ,unsere Waffengeschäfte mit Schurkenstaaten , die Finanzierung von Faschisten und Islamisten unseres humanistischen Staates n i c h t möglich ! Wir nehmen auch gerne Geschenke und Spenden , in Form von grossen Noten dankend entgegen ! " Denkt doch nicht immer an das , was Euch fehlt - sondern an das was ihr habt " !
werner mueller 14.02.18 17:43
wegnehmen
Wenn man den Reichen, welche sowieso den groessten Anteil der Steuern bezahlen, noch mehr wegnehmen will, machen Die dasselbe wie wir, sie gehen dorthin wo sie mit offenen Armen empfangen werden. Und wer dann fuer diese Luecke aufkommt braucht sich nicht mehr zu beklagen. Dass die boesen Konzerne viele Menschen beschaeftigen welche dann auch zu den Steuern beitragen wird von den Sozis wohlweislich verschwiegen...
aurel aurelis 14.02.18 16:32
Funktionärsfeudalismus
Neben vielen Lohnabhängigen leidet längst auch der Mittelstand. Handwerker arbeiten den ganzen Tag und sind dann abends noch mit Bürokratie beschäftigt.
Riesige Steuerüberschüsse, wo bleibt das Geld? Die Funktionäre im Bund und in den 16 Bundesländern werden immer mehr und erzeugen mehr Bürokratie.
judax judaxsa 14.02.18 14:09
Ja Fluechtling sollte man sein
Anstatt Deutschland den eigenen Buergern mehr Hilfe gibt oeffnet die Merkel die Grenzen und verspricht das Schlaraffenland. Bleibt nur uebrig die AFD zu waehlen.
Rudolf Lippert 14.02.18 11:07
Patient bereits aufgegeben
Deutschland als Patient (Sozialaspekt) wäre medizinisch gesehen nicht nur krank, sondern "Backstage" bereits von den Ärzten aufgegeben. Niemand wird etwas vollbringen können/wollen. Nichts darf sich grundlegend ändern. Es gibt zahlreiche Beispiele. Vor Jahren sagte man scherzhaft auf die Frage "Was ist Entwicklungshilfe?" als Antwort: "Geld von den Armen in den reichen Ländern für die Reichen in den armen Ländern".

Deutschlands Strassen und Brücken sind marode, die Situation der Bahn ist bekannt. Internetmässig hängt D manchem 3. Weltland hinterher und die Situation in Schulen? Marode Gebäude, Lehrer unterbezahlt und besetzt, keine Anschaffungen. D hat bereits eine der höchsten Steuerquoten der Welt. Wer soll eine Änderung zusätzlich noch bezahlen? Mill. neue Menschen müssen finanziert werden. Rentner und Arme müssen "ihren Beitrag" doch auch leisten. Wer sonst?

Wer richtig Geld hat, lässt sich nicht von einer Regierung eines Landes dieser Welt enteignen. Er geht.
In Thailand ist Einkommen aus Vorjahren nicht steuerpflichtig, es ist im laufenden Jahr Vermögen und somit steuerfrei. Jedes Ausland-Auslandgeschäft unterliegt nicht der Thai Steuer. Bei guter Gestaltung ist laufendes Einkommen für "Farangs" steuerfrei in Malaysia. Und es gibt viele andere. Panama ist auch glänzend.
Aber bleiben wir in Europa. Wie kommt es dass ein Land wie CH und andere über Jahrzehnte Steuersubstrat usw. abgegriffen haben? Steueroase. AW: unsere Politik wollte das das so war und blieb.








Hans-Dieter Volkmann 13.02.18 21:04
Herr jürgen Franke / einsam und arm
Herr Franke Sie haben es durchaus richtig erkannt. Ich meinte die ehemalige SPD. Die heutige ist nicht mehr vergleichbar mit der Partei vor dem Sozialverräter Schröder. Deshalb brauchen wir eine neue oder erneuerte soziale Partei deren Priorität das Wohl des gesamten Volkes ist. Jedoch ich sehe niemanden der das schaffen könnte.
Jürgen Franke 13.02.18 19:00
Herr Volkmann, nennen Sie uns doch
noch mal zur Erinnerung diese Partei, die sich angeblich um Arbeitnehmer und sozial Schwache gekümmert hat, denn die SPD meinen Sie doch sicherlich nicht, denn die gibt es ja noch.
Hans-Dieter Volkmann 13.02.18 17:55
Einsam und arm
Der Anteil der von Armut bedrohten Bürger in Deutschland liegt bei über 30 %. Eine erschreckende Erkenntnis. Die Wohlhabenden aber werden immer reicher. Das ist eine Tatsache. Solange diese wohlhabende Minderheit politisch so stark ist wird sich auch nichts ändern. Was Deutschland braucht ist eine starke politische Vertretung der wirtschaftlich unteren Hälfte. Deutschland braucht eine Partei der Arbeitnehmer, Rentner und aller sozial Schwachen. Eine solche Partei gab es einmal. Sie müsste neu erfunden werden. Wenn es je Menschen gäbe die sich diesbezüglich an die Arbeit machen würden, sie würden den starken Gegenwind der etablierten Kapitalisten zu spüren bekommen.
Jürgen Franke 13.02.18 15:18
Eine fürchterliche Diagnose der Situation
in Deutschland. Obwohl ich hier im Forum gelesen habe, dass wir nicht so rummeckern sollten, denn den meisten Menschen gehe es doch gut. Offensichtlich sieht die Realität, nach diesem Redaktionsbericht erheblich anders aus.