Tollkühne Flitzer „made in Isaan

Zu Besuch beim deutschen Karosseriebauer Klaus Goergen in Buriram

Tollkühne Flitzer „made in Isaan

In den ländlichen Weiten des Isaan, umgeben von fruchtbaren Maniok-Feldern, hat sich der deutsche Karosserie- und Fahrzeugbau-Meister Klaus Goergen zwischen Nong Man und Nong Ki in der Provinz Buriram niedergelassen. Doch nicht etwa, um sich zur Ruhe zu setzen: Der rastlose Auswanderer konstruiert tollkühne Klassiker auf vier Rädern, die nicht nur die Lokalbevölkerung in helle Freude und Begeisterung versetzen.

„Welcome to Buriram" steht auf dem großen blauen Schild geschrieben, das Ortsfremde von Korat aus kommend am Highway begrüßt und die Schönheiten der Provinz anpreist. Über eine bu­ckelige Sandpiste geht’s einige Minuten durch die ländliche Einöde, bis an einer kleinen Kreuzung ein markantes achteckiges, weißes Haus zu sehen ist. „Sie haben Ihr Ziel erreicht!", begrüßt Klaus Goergen den Besuch, der neugierig von seinen vier Hunden beschnuppert wird. Zusammen mit seiner Gattin Sumalee und seiner sechsjährigen Tochter Pauline wohnt der Koblenzer auf einem rund vier Rai großen Grundstück, inmitten eines großen Maniok-Feldes. „Hier habe ich meine Ruhe und kann über anstehende Projekte nachdenken, zumeist Autos!", lacht der 54-Jährige.

Der Deutsche hat sich seinen Aussteiger-Traum erfüllt. Bereits beim Betreten des für die Umgebung futuristisch wirkenden Eigenheimes, das einem Oktagon gleicht, wird klar: Hier ist man bei einem kreativen Freigeist zu Besuch! „Das Haus beruht auf einer Aluminium-Verbundmaterial-Konstruktion, die ein angenehmes Raumklima erzeugt und somit eine Klimaanlage überflüssig macht", erklärt Goergen, der bereits seit acht Jahren Buriram als seine neue Wahlheimat auserkoren hat.

„Autos bauen ist wie eine Sucht!"

Vor zwei Jahren baute der gelernte Karosserie- und Fahrzeugbau-Meister seinen ersten Flitzer Marke Eigenbau: „Es ist wie eine Sucht!", gesteht Goergen, der nach wie vor in Deutschland einen Karosserie-Spezialbetrieb für Chassis- und Karosseriebau sowie elektronische Karosserievermessung betreibt, und als Mann vom Fach den technisch-interessierten Nachwuchs an Hoch- und Fachschulen weltweit ausbildet. Bisher hat er in seiner „Werkstatt" mitten in der thailändischen Pampa drei phantasievolle Fahrzeuge gebaut, allesamt Unikate, die den Charme tollkühner Konstruktionen lang vergangener Tage versprühen und das Herz eines jeden Auto-Narren höher schlagen lassen. „Das vierte Fahrzeug ist bereits im Bau", verrät der Deutsche, „da bleibt keine Zeit zum Träumen. Wer je gebaut und geschraubt hat, der wird mich verstehen!"

Auf die Frage, was für Fahrzeuge er am liebsten konstruiere, antwortet Goergen: „Klassiker jenseits der Neidgrenze und lustige Autos. Kurz, alles was es in Thailand nicht gibt, sofern es mit Blech machbar ist." Sein Lieblingsstück stellt ein schnittiger, grüner Roadster dar: „In dem steckt viel vom legendären Bentley Blower drin", erklärt sein Erfinder mit leuchtenden Augen. Und tatsächlich: Eine Probefahrt in dem aufregenden Flitzer durch die nähere Umgebung sorgt in Rekordzeit für ein Dauer-Grinsen und bringt die Endorphine ordentlich in Schwung! Da stören auch die zahlreichen Moskitos nicht, die aufgrund der offenen Konstruktion im Sekundentakt gegen die Gläser der Rallye-Brille klatschen. Eben Fahrspaß pur oder „Born to be wild!", um es in den Worten der Rock-Legende Steppenwolf auszudrücken.

„Zumeist gibt das Chassis die Idee"

Doch woher bezieht Goer­gen die Ideen zu seinen ausgefallenen Kreationen? „Die habe ich im Kopf, und zumeist gibt das jeweilige Chassis dann den entscheidenden Impuls. In den Anfangsjahren gestaltete es sich jedoch äußerst schwierig, Baustoffe, wie zum Beispiel verzinktes Blech, zu beziehen und Laser Shops ausfindig zu machen, wo das Material dann zugeschnitten und abgekantet wird. Insgesamt habe ich zwei lange Jahre gesucht, doch es hat sich gelohnt!"

So unterschiedlich die selbstgebauten Boliden in der Optik daherkommen, beim Antrieb setzt der Karosseriebauer auf beständige Motoren, die in Thailand zuverlässig laufen, LPG-fähig (Liquefied Petroleum/Propane Gas) sind und ohne anfällige Computersteuerung auskommen: „Also alte Vergasermotoren, Stirnrad- oder Kettengesteuert, so wie früher. Auch beim Chassis fällt die Auswahl vorwiegend auf Modelle, die sich lokal bewährt haben, zum Beispiel Toyota Hilux, Mazda 2500 oder Suzuki Samurai. Aber vom Prinzip her wäre auch ein Aufbau jedes anderen Chassis möglich", erklärt der Kfz-Experte und fügt hinzu, dass für den Bau eines Autos je nach Lust und Laune zwischen sechs bis acht Wochen Arbeitszeit benötigt werden. „Natürlich hängt das aber auch vom Schwierigkeitsgrad der Konstruktion und der Verfügbarkeit der gewünschten Chassis ab."

Die interessierte Leserschaft mag sich fragen, ob Goergen auch Auftragsarbeiten entgegennimmt oder Liebhaber gar eines seiner Unikate erwerben können? „Meine Autos kann man kaufen, auch stehe ich neuen Ideen offen gegenüber. Doch Aufträge nehme ich keine an. Denn dadurch würde meine Kreativität eingeschränkt werden. Auch mag ich es nicht, unter Zeitdruck zu arbeiten. Schließlich geht es mir vorwiegend um die Freude am Konstruieren völlig einzigartiger Fahrzeuge. Eine Ausnahme wäre der Fall, wenn mich mein Auftraggeber voll und ganz verstehen würde!" Natürlich versteht sich von selbst, dass alle selbstgebauten Fahrzeuge des talentierten Autobauers angemeldet sind und im Wechsel bewegt werden.

Ein Bugatti Atlantic auf Toyota-Basis

Aktuell schraubt er an einem neuen Projekt, das einem Bugatti Atlantic ähnelt und auf einem Toyota Hilux-Chassis aufgebaut wird. „Ein Bugatti Royal wäre natürlich einfacher gewesen. Aber das wäre mir zu dekadent", scherzt der Autobauer selbstbewusst. Doch was sagen eigentlich seine Frau und die Nachbarschaft zu seinem außergewöhnlichen sowie zeit­intensiven Hobby? „Alle, außer meiner Frau, finden toll, was ich mache", so Goergen schmunzelnd. Da versteht es sich von selbst, dass der Resident im gesamten Dorf bekannt ist wie ein bunter Hund. So kommt es nicht selten vor, dass die Leute begeistert aus ihrem Auto steigen und vor Freude klatschen, wenn Goergen neben ihnen an einer roten Ampel hält. „Das gab es in Deutschland bisher nie!" Großes Interesse an seinen selbstgebauten Flitzern zeigen auch die thailändischen Ordnungshüter: „Polizeikontrollen sind immer lustig, da sich die Beamten oft zusammen mit meinen Autos fotografieren lassen möchten. Probleme gab es hingegen nie."

Wenn Goergen nicht damit beschäftigt ist, Blech zu fahrbaren Kunstwerken zu verformen, entspannt er gerne am Pool in einem nahe gelegenen Resort oder steht online mit seiner Firma in Deutschland im Kontakt. Wer seine Unikate einmal live besichtigen möchte, kann sich bei ihm per E-Mail (klaus.goergen@gmx.net) anmelden: „Ich schicke Ihnen dann eine Wegbeschreibung und freue mich auf Ihren Besuch!"

Die erste „Hybrid-Ente" der Welt!

Nicht nur im Isaan, auch in seiner Heimat lässt Klaus Goergen mit der Konstruktion außergewöhnlicher Fahrzeuge von sich hören. Der Karosseriebauer hat neben seiner Liebe zu Thailand ein mindestens genauso großes Herz für alte Citroën 2CV, im Volksmund liebevoll „Ente" genannt. So baute er die erste „Hybrid-Ente" der Welt, die von einem Verbrennungsmotor im Fond und einem Elektromotor im Heck angetrieben wird. Mit vollen Batterien und Tank schafft das Unikat rekordverdächtige 1.000 Kilometer und fährt 130 km/h. Der Hessische Rundfunk (HR) hat für die Sendung „Maintower" einen Beitrag über Goergens „Hybrid-Ente" gedreht, der als Stream auf der Webseite Youtube.com angeschaut werden kann: www.youtube.com/watch?v=8pL0WMplckw.

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