Schweizer streiten um Rundfunkbeitrag

​Dinosaurier oder heilige Kuh? 

 Archiv. Foto: epa/Jean-christophe Bott
Archiv. Foto: epa/Jean-christophe Bott

BERN (dpa) - Braucht eine lebendige Demokratie einen gebührenfinanzierten Rundfunk? Sind Bürger nicht mündig genug, selbst zu entscheiden, für was sie zahlen wollen? In der Schweiz hat jetzt das Volk das Sagen. In Deutschland gucken viele auf die Abstimmung nebenan.

Für die einen ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Informationssendungen ein unverzichtbarer Teil der Demokratie. Für die anderen ist er ein mit einer Zwangssteuer finanzierter Monopolist, der den privaten Sendern das Wasser abgräbt. In der Schweiz kommt es am 4. März nun zum Schwur: Bei einer Volksabstimmung geht es um die Abschaffung der Rundfunkgebühren. Die Entscheidung könnte durchaus Auswirkungen auf die Diskussion in Deutschland haben. «Wenn diese Initiative durchkommen würde, würde das hier all denjenigen Auftrieb geben, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Rundfunkbeitrag infrage stellen», prognostiziert der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall.

Im Zeitalter von Gratismentalität und Fake News hat eine in Bierlaune entstandene Unmutsbewegung in der Schweiz Fahrt aufgenommen. Die Gegner der Gebühren bekamen genügend Unterschriften zusammen, um eine Abstimmung zu erzwingen. Seitdem tobt eine Grundsatzdebatte über die Rolle der Medien und ihre Zukunft. Die Rundfunkanstalt SRG sagt, ohne Gebühren, die Dreiviertel ihres Budgets decken, müsse sie schließen. Die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sagen, Nachrichten könnten auch Private liefern, oder die SRG möge sich über Werbung oder Kooperationen finanzieren.

Vor allem junge Leute reden von Zwangsgebühren. «Wir möchten, dass man nur für das zahlt, was man auch konsumiert», sagt Thomas Juch, Student und Mitinitiant der «No Billag»-Inititive, benannt nach der Gebühreneinzugszentrale Billag. Außerdem mache die SRG mit ihrem kostenlosen Internetangebot den Medienmarkt kaputt: «Bei der quasi Monopolstellung der SRG sterben viele private Medien weg.» Das Medienhaus könne seine Sendungen ja per Pay-TV anbieten - die, die sie sehen wollten, zahlten dann auch. Ohnehin seien die SRG-Journalisten zu links, tönt es aus der rechten Parteienecke.

Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist auch in Deutschland zuletzt deutlich lauter geworden, nicht nur von seiten der Zeitungsverlage. Gegner des Rundfunkbeitrags, die sich aus Prinzip weigern, die 17,50 Euro im Monat zu zahlen, zogen bereits bis vors Bundesverwaltungsgerichts. Auch in den Parteien mehren sich die Stimmen, die ARD und ZDF zu Reformen und Sparsamkeit drängen.

Rainer Robra (CDU), der für Medien zuständige Minister für Kultur in Sachsen-Anhalt, der im Herbst mit kritischen Überlegungen zur ARD von sich reden machte, hofft auf eine Signalwirkung von der Abstimmung für Deutschland: «Ich setze darauf, dass die Verantwortlichen bei der Schweizerischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft jetzt Vorbild sind, wie man - zugegebenermaßen unter hohem öffentlichen Druck, aber am Ende doch freiwillig - Programmqualität, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann.»

Doris Leuthard, Ministerin für Kommunikation, mahnt ihre Landsleute, die SRG trage mit ihrem Nachrichtenangebot zur Grundversorgung der Gesellschaft bei: «Der öffentliche Rundfunk garantiert, dass alle Sprachregionen der Schweiz auf ein vielfältiges Angebot zählen können und unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen», sagt sie. Vorschläge, SRG-Sendungen zum Bezahlen anzubieten, hält sie für illusorisch: «Was sich via Pay-TV finanzieren lässt, sind Sport, Filme - und Sex.»

In einer Fernsehdebatte fordert Olivier Kessler, Mit-Initiant der Abstimmung, sie heraus: «Sind wir mündige Bürger oder Schüler, die erzogen werden müssen?» fragt er. Den Moderator der SRG-Sendung kanzelt er als Gebührenprofiteur ab, der deshalb unfair zu ihm sei. Der Moderator erhält anschließend auf Twitter sogar Morddrohungen.

«Qualitätsjournalismus ist über den Markt nicht mehr finanzierbar», sagt der Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss. Der Angriff auf die SRG, die Konzentration am Zeitungsmarkt - Wyss ist alarmiert: «Das Mediensystem ist in Gefahr», sagt er. «Es gibt Politiker, die danach lechzen, dass das passiert. Wir können auch staatspolitisch ein großes Problem bekommen, etwa, wenn Ideologen Medien aufkaufen.»

Für den Chefredakteur der konservativen «Neuen Zürcher Zeitung», Eric Gujer, ist die SRG nicht mehr zeitgemäß: «Sie ist der einzige Dinosaurier, der jeden Tag verkündet, die Evolution gebe es nicht. Sie will uns einreden, Dinosaurier lebten ewig und kleine, flinke Säugetiere hätten nie eine Chance», schrieb er.

Ausgerechnet ein Pionier des Privatrundfunks springt nun für die SRG in die Bresche: Roger Schawinski, einst Geschäftsführer beim Privatfernsehsender Sat.1, sagt: «Ein öffentlich-rechtliches Fernsehen ist eine zivilisatorische Leistung. Es erbringt ein Angebot, das private Sender nie erbringen könnten.»

In Umfragen lagen Gegner und Befürworter lange Kopf an Kopf. Drei Wochen vor der Abstimmung ging der Trend aber Richtung Ablehnung. Bestimmt oder eher dagegen waren 65 Prozent der Befragten.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Norbert Kurt Leupi 04.03.18 20:16
Der Ausgang der Abstimung .../ Herr Jürgen Franke
der mündige oder unmündige Bürger ! Geschätzter Jürgen ! Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner eigenen Unmündigkeit ! Denn Unmündigkeit ist das Unvermögen , sich seines Verstandes o h n e Leitung eines anderen zu bedienen ! Selbstverschuldet ist die Unmündigkeit , wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes , sondern der Entschliessung des Mutes liegt , sich seiner o h n e Leitung des anderen zu bedienen ! "Sapere aude " , habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen ! MfG
Norbert Kurt Leupi 04.03.18 20:16
Es ist geschafft ,...
das wuchtige NEIN zur NO - Billag - Initiative ! Freude herrscht zum deutlichen Bekenntnis zum Gemeinsinn , der unser Land stark gemacht hat ! "VIVA HELVETIA " !
Jürgen Franke 04.03.18 17:54
Der Ausgag der Abstimmung über die
Rundfunkgebühren in der Schweiz wird sicherlich auch auf Deutschland abstrahlen. Die Frage, ob die Menschen überhaupt mündig genug sind, darüber zu entscheiden, ist eine Grundsatzfrage. Die Wahl Trumps und der Brexit haben gezeigt, dass die Menschen sich eher von Emotionen, als von Tatsachen beeinflussen lassen. Es ist davon auszugehen, dass zumindest in Deutschland das öffentlich rechtliche System der Massenbeeinflussung bleiben wird, da der mündige Bürger noch geboren werden muß.
Norbert Kurt Leupi 04.03.18 17:43
NEIN zu NO - BILLAG
Ein viersprachiges Land wie die Schweiz braucht den öffentlichen ,sogenannten "SERVICE PUBLIC " , der per Radio und Fernsehen alle Sprachregionen bedient ! Wir bleiben beim Staatsfernsehen und wollen keine privaten "BeZahlsender" , den uns der " Volksverführer aus Herrliberg " aufzwingen will ! Und wir wollen " lebhaftes " Fernsehen und nicht Privatsender der " leibhaftigen Tochter " des Milliardär-Clans aus Ems ! Darum ein wuchtiges NEIN , heute an der Urne ! Wir wollen frei sein , wie die Väter waren und weder von Neo-Kapitalisten oder Neo-Liberalen bevormundet werden ! "Freedom of Press " !