Die Weltmeister

Die Weltmeister

Dies sind gute Tage für alle Deutschen. Die Fußball-WM war ein Fest, die Deutschen haben ein fulminantes 7:1 gegen Brasilien hingelegt und in einem spannenden Endspiel nicht nur gut gespielt, sondern am Ende auch gewonnen. Gute Stimmung macht sich breit, man ist nett zueinander. Die Deutschen schweben im siebten Himmel, vergessen sind Pleiten, Pech und Pannen der letzten Jahre aus Politik und Wirtschaft.

Wo aber stehen wir zurzeit wirklich? Sollten wir uns weiter bedenkenlos entspannen oder macht es vielleicht doch Sinn, die momentanen Geschehnisse in Deutschland und im Ausland genau im Auge zu behalten? Geht vielleicht sogar beides gleichzeitig?

Um nicht missverstanden zu werden sei vorausgeschickt, dass die positive Entwicklung Deutschlands in den letzten Jahrzehnten völlig unbestritten ist. Der Zuwachs an Wohlstand ist beachtlich, Deutschland wächst im Inneren langsam aber sicher zusammen, die jüngere Generation ist locker und versteht sich ganz selbstverständlich als Weltbürger. Die Weichen für diese positive Entwicklung wurden vor Jahrzehnten gestellt.

Aber wie sieht es mit der Gegenwart aus, also mit der Frage, ob die aktuelle Besetzung an den Schalthebeln der Macht erfolgreich genug arbeitet, um diesen Wohlstand auch in Zukunft auf lange Sicht sichern zu können? Hier lohnt es sich dann schon, genau hinzusehen. So unangefochten Kanzlerin Merkel in Deutschland derzeit auch sein mag, Alarmzeichen sind unübersehbar vorhanden. Auffallend ist, dass scheinbar immer mehr wesentliche Themen hinter verschlossenen Türen verhandelt werden (Freihandelsabkommen) oder zu Zeiten, an denen die allgemeine Aufmerksamkeit abgelenkt ist. So hat die Bundesregierung beispielsweise mitten während der WM beschlossen, dass die Mittel des gemeinsamen Rettungsfonds ESM für die Finanzierung maroder Banken in den Krisenländern in Südeu­ropa verwendet werden dürfen. Die Hauptberichterstattung im Lande rühmt lautstark die neue Beteiligung der Eigentümer und Gläubiger von insgesamt gerade mal acht Prozent der Bilanzsumme einer maroden Bank, stellt aber kaum die entscheidende Frage, wer den Löwenanteil bezahlt, nachdem der ESM den Schaden um weitere fünf Prozent gemindert hat, im Falle eines Falles. Nach Adam Riese verbleiben nämlich 87 Prozent des Schadens beim Steuerzahler und – aufgemerkt – neuerdings nicht mehr alleine bei den Steuerzahlern der betroffenen Länder, sondern in gemeinschaftlicher Haftung aller beteiligten Staaten. Vergemeinschaftung der Schulden par excellence! Wenn man dann noch weiß, dass die Bankenschulden der maroden Länder das drei- bis vierfache der Staatsschulden der betroffenen Länder ausmachen, müsste einem doch mulmig werden. Anderes Beispiel: Der designierte Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, hat vor ein paar Tagen angekündigt, die Troika zur Überwachung von Hilfsprogrammen der EU-Krisenstaaten abschaffen zu wollen. Gleichzeitig möchte er den französischen Sozialisten Pierre Moscovici zum einflussreichen EU-Währungskommissar machen. Das nennt man den Bock zum Gärtner machen.

Nicht alle Vorturner sind Weltmeister

Auf der anderen – positiven – Seite kommt zur Freude vieler Beobachter Bewegung in die Debatte um den unkritischen, weichgespülten und einseitigen Journalismus der großen Medien. Vor einigen Wochen hat die Fernsehserie „Die Anstalt“ zur besten Sendezeit im ZDF ausführlich und deftig auf die Verstrickung zwischen Machteliten und Journalismus hingewiesen (von Medienhuren war da die Rede). Die renommierte „ZEIT“ war sich daraufhin nicht zu schade, sich beim ZDF-Chefredakteur zu beschweren und juristisch gegen die Sendung vorzugehen. Wie peinlich ist das denn! Es scheint eine gewisse Angst vor dem Verlust der Deutungshoheit aufzukommen. Ein Blick in die Foren der großen Medienhäuser macht schnell deutlich, dass es mit dem Verhältnis zu ihren Nutzern nicht zum Besten steht. Kein Wunder, da die Verquickung von Spitzenjournalisten mit den Macht­eliten des Landes zweifellos auf Kosten der Glaubwürdigkeit der betroffenen Medien geht.

Es gibt also noch viel zu tun und gut auf die Vorturner aufzupassen. Für 80 Millionen Weltmeister müsste das aber zu schaffen sein. (Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com)

Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hong Kong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hong Kong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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