Die verlorene Welt im Isaan II

Teil 2 von 2 (Fortsetzung aus Ausgabe Nr. 17) Prasat Phra ViharnDie Anlage ist von Thailand erschlossen, aber noch nicht restauriert worden (es ist ja kambodschanisches Staatsgebiet). Ein kambodschanisches Visa ist für den Besuch dieser Tempelruine nicht erforderlich, wohl aber eine gute Kondition, um bei glühender Hitze mehrere hundert zum Teil verfallene Stufen zu erklettern und zu den auf der Spitze des Berges liegenden Ruinen zu gelangen. Die Größe der Anlage ist erstaunlich, vor allem wenn man bedenkt, mit welchen technischen Mitteln vor 1000 Jahren die riesigen Steinblöcke herangeschafft und aufeinander getürmt wurden. Täglich unternehmen mehrere tausend, an Wochenenden auch mehrere zehntausend Thais die mühsame Pilgerfahrt zu der weit ab von bewohnten Gebieten auf dem Berggipfel liegenden Kultstätte. Außer den dort zu besichtigenden Überresten der alten Tempelanlage, hat man von dort oben einen guten Blick weit in das kambodschanische Land. Bis zum Horizont erstreckt sich die zerklüftete Silhouette des Dong-Rak-Gebirges und der tiefgrüne Dschungel, der nur von schmalen, roten Pfaden durchzogen wird.

Die früher beide Seiten der zum Gipfel führenden steilen Pilgerallee säumenden Mauern mit Symbolfiguren, sind heute von Andenkensbuden kambodschanischer Händler ersetzt worden, in denen man, wie auch rund um den großen Parkplatz, alles mögliche zu erstaunlich billigen Preisen erstehen kann.

Nach dem Schiedsspruch des Internationalen Gerichtshofs hatten sich beide Staaten geeinigt, die Tempelanlage gemeinsam zu verwalten, es blieb aber ein ständiger Streitpunkt zwischen den beiden Ländern. Als auf Antrag Kambodschas im Juli 2008 die UNO die Ruinen zum Weltkulturerbe erklärt hatte, und die Thai-Regierung dem nicht widersprochen hatte, nützte die Opposition dies, um der Regierung Verrat und die Aufgabe thailändischen Territoriums vorzuwerfen. Die Situation schaukelte sich hoch, als von beiden Seiten Truppen in Stellung gebracht, und sich gegenseitig Gebietsraub vorgeworfen wurde. Es ist aber damit zu rechnen, daß die beiden Länder sich bald einigen und die Anlage auch wieder für Besucher frei zugänglich sein wird.

Reichhaltig und gut erhalten: Prasat Hin Phimai.

Prasat Hin PhimaiEtwa 60 Kilometer nordöstlich der Provinzhauptstadt Nakhon Ratchasima - oder Korat, wie es die Eingeborenen nennen - befindet sich Prasat Hin Phimai. Diese gut rekonstruierte Anlage, die etwa um 1.100 n.Ch. erbaut wurde, ist ein beeindruckendes religiöses Monument des mächtigen Khmerreiches und eines der schönsten Beispiele der religiösen Khmer-Architektur ausserhalb von Kambodscha. Lange bevor Korat die mächtigste Stadt des Isaan wurde, war Phimai das regionale Zentrum für Handel und Wirtschaft. Dass es sich um eine blühende Stadt gehandelt haben muss, ist heute noch am Reichtum der Tempelanlage zu erkennen. Die Anlage ist der Beginn der von mächtigen Khmerkönigen erbauten Kette von Tempeln entlang der über 300 km langen Königsstrasse, die vom heutigen Korat nach Angkor Wat in Kambodscha führte. Der Tempel gehört zu den besten Beispielen der klassischen Khmer-Baukunst und ähnelt Angkor Wat im heutigen Kambodscha im Stil, wenn auch nicht in der Grösse. Der Tempel liegt genau im Zentrum der alten Stadt Phimai, die von einer 650 m breiten und 1.000 m langen Mauer umschlossen wurde. Der Hauptschrein ist reichhaltig mit Skulpturen der Hindu-Götter Shiva und Vishnu sowie Szenen des grossen Hindu-Epos Ramayana verziert. Mauern mit vier grossen und majestätischen Toren umschliessen das fast quadratische eigentliche Tempelgebiet. Das südöstliche Tor war früher mit einer direkten und befestigten Strasse über Hunderte von Kilometern mit der Hauptstadt des Khmerkönigreichs und der riesigen Tempelanlage Angkor Wat im heutigen Kambodscha verbunden.

Phanom RungEine andere bedeutende Tempelanlage an dieser Strecke ist Phanom Rung, in der Nähe von Prakonchai in der Provinz Buriram. Dieser Khmer-Tempelkomplex wurde zu Ehren des Hindugottes des Universums auf einem 1.300 m hoch liegenden erloschenen Vulkankegel errichtet. Er wird auch als das Angkor Wat Thailands bezeichnet. Der Tempelkomplex ist wohl das bedeutendste kulturhistorische Bauwerk in Nordost-Thailand. Die Harmonie zwischen dem Tempelkomplex und der umgebenden Landschaft bietet dem Besucher, auch wenn er sich wenig für Archäologie und Geschichte interessiert, Eindrücke, die noch lange nach dem Besuch anhalten und kaum vergessen werden. Ein 200 Meter langer und 12 Meter breiter Prozessionsweg, der exakt auf Angkor Wat in Kambodscha ausgerichtet ist, öffnet den Blick auf eine monumentale Treppe, die über fünf Ebenen weiter nach oben zum quadratischen Zentralheiligtum führt. Jede dieser Ebenen auf der langen Treppe bietet einen immer spektakuläreren Ausblick auf das unten liegende Gelände und die umgebende Landschaft. Von ganz oben hat man eine phantastische Aussicht auf die fruchtbaren Felder und die malerische Umgebung.

Die Anlage ist nicht so gross wie Phra Viharn. Wer aber die vielen Stufen bis zu den Ruinen erklommen hat, weiss auch dort, dass Khmertempel zwar interessant zu besichtigen sind, aber dem europäischen Touristen einige Kondition abverlangen. Zum Glück kann man sich auch hier in den vielen um den Parkplatz herum gelegenen kleinen Thai-Restaurants bei einer guten Flasche Bier und einem gebratenen Hähnchen von den Strapazen erholen.

Prasat Muang TamWesentlich leichter fällt die Besichtigung der nur fünf Kilometer östlich von Phanom Rung gelegenen Tempelanlage Prasat Muang Tam. Diese relativ kleine Anlage - manche Forscher meinen, es sei ein ehemaliger Königspalast - liegt zu ebener Erde, neben einem von den Khmer seinerzeit angelegten grossen künstlichen See. Der Tempel ist inmitten einer gepflegten Parkanlage vollständig restauriert worden und gibt einen guten Eindruck von den damaligen brahmanischen Klosteranlagen. Das etwa 100 x 100 m grosse Rechteck des Komplexes wird von vier kompakten, fast vollständig rekonstruierten Mauern aus Lateritblöcken umgeben. Der erste Hof wird mit von vier symmetrisch angeordneten Wasserbecken eingerahmt. Ihre Stufen und Balustraden enden in Nagaköpfen. Von den im Zentrum der Anlage befindlichen Türmen ist der Hauptturm in der Mitte zerfallen, von den Türmen in den vier Ecken des Quadrats ein Turm ganz verschwunden, die restlichen drei wurden restauriert. Viele Giebelsteine und Türstürze sind Monumenträubern zum Opfer gefallen und verschwunden. Der berühmte Türsturz aus Phanom Rung mit Vishnu-Darstellungen tauchte aber plötzlich 1973 bei einer Kunstausstellung in den USA auf. Er wurde auf Anforderung des thailändischen Fine Arts Departments 1988 zurückgegeben.

Die Tempelanlage wurde komplett restauriert und ist ein interessantes Beispiel dafür, wie Steine gesucht, gefunden und wieder zur Einheit geformt werden. Der Besucher, den dieses archäologische Puzzle fesselt, kann in einem kleinen Museum neben dem Parkplatz die einzelnen Phasen der Restaurierung an Hand von Plänen und Bildern besichtigen

Prasat TameeangWer sich für den Zustand der Tempelruinen interessiert, als sie noch vergessen im Regenwald schlummerten, der sollte die Anlage Prasat Tameeang in der Nähe von Baan Kruat in der Provinz Buriram besuchen. Diese direkt an der kambodschanischen Grenze liegende Tempelanlage ist besonders interessant für Leute, die gerne den ursprünglichen Zustand der Ruinen sehen möchten. Man bekommt einen guten Eindruck von dem riesenhaften Puzzlespiel, das eine Restaurierung mit solch wild durcheinander liegenden Haufen von tonnenschweren Steinblöcken bedeutet. Man hat zwar auch hier vor einigen Jahren mit der Restaurierung angefangen, die Arbeiten aber inzwischen aus Geldmangel wieder eingestellt. Die einst mit dem Geld der UNESCO freigelegten und sorgfältig gestapelten und nummerierten riesigen Steinblöcke werden jetzt schnell wieder vom Regenwald überwuchert.

Günther Ruffert
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Autor der Bücher:
Geschichten aus Thailand: Erschienen im Heller Verlag Taufkirchen (D)

Farang in Thailand: Erschienen im Heller Verlag Taufkirchen (D)

Ein Fenster zum Isaan: Erschienen in FARANG-Edition, Chonburi (TH)

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