Die Inflation ist wieder da: Korrigiert Draghi jetzt den EZB-Kurs?

Foto: epa/Patrick Seeger
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FRANKFURT/MAIN (dpa) - Die Inflation ist zurück - und damit die Forderung nach einem raschen Ende der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Hatte nicht Notenbank-Präsident Mario Draghi die Geldflut stets damit begründet, dass die EZB die Teuerung wieder in Richtung ihrer Zielmarke von 2,0 Prozent treiben will?

Tatsächlich machten die Preise im Dezember einen kräftigen Sprung: 1,7 Prozent in Deutschland und 1,1 im Euroraum - seit mehr als drei Jahren zogen die Verbraucherpreise auf Jahressicht nicht mehr so deutlich an. Wäre es da nicht folgerichtig, den Geldhahn wieder zuzudrehen - zum Wohl etwa der Sparer, denen mickrige Zinsen seit Jahren die klassische Altersvorsorge verhageln?

Deutsche Politiker und Ökonomen haben eine eindeutige Antwort. «Die Nullzinspolitik bei steigender Inflation ist verheerend für den deutschen Sparer», sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) kürzlich dem «Handelsblatt»: «Die EZB muss schnellstmöglich beginnen, die Zinsen wieder Schritt für Schritt anzuheben.» Der Präsident des ifo-Instituts, Clemens Fuest, wertete den jüngsten Inflationssprung als «Signal für den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik der EZB» und forderte eine Ende der milliardenschweren Anleihenkäufe im März.

Indes: Auf eine abrupte Kehrtwende der Währungshüter sollte man nicht spekulieren. Erst im Dezember hatte der EZB-Rat das Kaufprogramm für Staatsanleihen und Unternehmenspapiere um neun Monate bis mindestens Ende 2017 verlängert - wenn auch ab April mit etwas verminderter Feuerkraft von 60 Milliarden statt 80 Milliarden Euro monatlich.

Die EZB werde «für lange Zeit» an den Märkten präsent sein, hatte Draghi vor sechs Wochen betont. Die von globalen Krisen gebeutelte Wirtschaft des Währungsraums sei noch auf die Finanzspritzen aus dem Eurotower angewiesen.

Nach Einschätzung von Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), kommt die EZB wegen der gestiegenen Inflation nicht unter Druck. «Draghi wird sich vielmehr bestätigt fühlen, schließlich kommt man dem Ziel einer Inflation von zwei Prozent näher», sagt Burkert. Die erhöhte Teuerungsrate sei aus EZB-Sicht ein gutes Zeichen, da «das Schreckgespenst der Deflation verscheucht ist». Mit Deflation meinen Ökonomen eine verhängnisvolle Spirale aus dauerhaft schrumpfenden Preisen und rückläufiger Nachfrage.

Deutsche-Bank-Chefvolkswirt David Folkerts-Landau sieht die EZB in der Zwickmühle: «Deutschland boomt, doch viele Länder an der Peripherie des Euroraums sind hoch verschuldet.» Eine Zinserhöhung wäre zwar gut für Deutschland und die Sparer, nicht jedoch für hoch verschuldete Länder wie etwa Italien, erklärt der Ökonom.

Und Draghi hat ein weiteres Argument auf seiner Seite: Der jüngste Anstieg der Teuerungsraten ist vor allem eine Folge deutlich höherer Ölpreise als vor Jahresfrist. Die Kerninflation jedoch - also die Rate ohne schwankungsanfällige Energie- und Nahrungsmittelpreise - erhöhte sich für den Euroraum von November auf Dezember 2016 nur minimal von 0,8 auf 0,9 Prozent. «Doch dies dürfte kaum der Beginn einer nachhaltigen Aufwärtsbewegung sein», analysierte Christoph Weil von der Commerzbank. Denn der Teuerungseffekt durch den Ölpreis werde sich aufgrund der Vorjahresentwicklung im Laufe des Jahres 2017 wieder abschwächen. «Die EZB wird auch nach dem Inflationssprung weiter Gas geben», meint Weil.

EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré hatte Ende Dezember in einem Interview mit der «Börsen-Zeitung» auf «klare Anzeichen für eine Beschleunigung der Gesamtinflation» hingewiesen, zugleich betonte der Franzose: «Wir warten aber immer noch auf klare Anzeichen dafür, dass die Kerninflation anzieht und deutlich über ein Prozent steigt.»

Die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) erwartet denn auch für das laufende Jahr zwar den stärksten Anstieg der Verbraucherpreise im Euroraum seit Jahren. «Das Jahr 2017 könnte die Rückkehr der Inflation in Europa markieren», heißt es in einer aktuellen Studie. Grund sei eine Kombination aus steigenden Ölpreisen und einem starken US-Dollar, der importierte Waren teurer macht. Dennoch dürfte die EZB nach S&P-Einschätzung noch «für eine lange Zeit» ihre lockere Geldpolitik fortsetzen - «bis die Kerninflation nachhaltig anzieht, voraussichtlich nicht vor 2018».

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Peter Platzer 22.01.17 11:11
@Herr Franke "unterschieben" ???
Auf die "Quelle" kommt es an! Aha! Welche Quelle empfehlen sie dann zu dem Weihnachtsmarkt-Attentat in Berlin?
Jürgen Franke 21.01.17 21:48
Herr Platzer, es wird Ihnen nicht gelingen,
mir wieder etwas unterzuschieben: Selbstverständlich finden Sie im Internet verschiedene Meinungen. Es kommt jedoch auf die Qualität der Information an, also auf die Quelle.
Jürgen Franke 21.01.17 16:15
Herr Levi de Ruiter, es ist zwar sehr schön, dass
Sie auch zu diesem Beitrag, sehr ausführlich Stellung genommen haben. Es würde jedoch hier im Forum den Rahmen sprengen, um auf alle Punkte einzugehen, die sich widersprechen oder nicht den Tatsachen entsprechen. Aus diesem Grunde empfehle ich auch Ihnen den Vortrag von Prof. Sinn, über das Euro Desaster, der am 25.12.2016 veröffentlicht wurde, bei Youtube anzusehen. Der Vortrag ist gut verständlich vorgetragen und visuell mit Diagrammen unterlegt.
Tom Beringer 21.01.17 16:13
Gähn. T-Online Ratgeber. Ohne Quellenangabe. Etwas peinlich, oder ? Gutenberg lässt grüssen. Pseudo-Interlektuell.
Peter Platzer 21.01.17 16:13
@Herr Franke
"da sich jeder normale Mensch, dank des Internets über alle Dinge informieren kann, die ihn interessieren." Gut das im Internet nur die Wahrheit und nichts als die reine Wahrheit verbreitet wird. Es gibt dort auch nur eine einzige Meinung. Danke für diesen recht informativen Hinweis. Ich schaue mir gerade Videos zum Weihnachtsmarkt-Attentat in Berlin an und versuche mich krampfhaft im Internet darüber zu informieren. Die höhe des LKW von etwa 4m und die höhe der Lichterkette auf dem Markt lassen mich an der Menschheit zweifeln.
Peter Platzer 21.01.17 16:13
Extrem steigende Preise bei 0,xyz%
offizieller Inflationsrate! Wer das behauptet ist ein Verschwörungstheoretiker und hat beim Thema "Inflation verstehen" nicht aufgepasst! Es gibt auch keine Massenarbeitslosigkeit in Europa laut offiziellen Zahlen und die EZB macht auch nicht alles menschenmögliche damit der Euro fällt um den Export zu stimulieren um diese Massenarbeitslosigkeit einzudämmen. Nein!
Jürgen Franke 21.01.17 10:38
Herr Auer, Ihre Unterstellung, dass dem Bürger
etwas vorenthalten wird, kann ich nicht nachvollziehen, da sich jeder normale Mensch, dank des Internets über alle Dinge informieren kann, die ihn interessieren. Dass die Medien bewußt, Sachverhalte ausklammern, die konfliktträchtig sein können, ist bekannt. Auf Ihren Beitrag, möchte ich nicht weiter eingehen, empfehle Ihnen aber auch, sich bei Prof. Sinn, bzw. Prof Flassbeck entsprechend kundig zu machen, da die wirtschaftlichen Zusammenhänge über Ihren albernen und kindischen Hinweis auf die "Mutti" und die Agenda 2010 weit hinausgehen. Sehen Sie sich bitte gelegentlich diese Beiträge bei Youtube an
Tom Beringer 21.01.17 10:38
ich bin der Tisch !
Das "Inflatiönchen" kommt grösstenteils vom Anstieg des Ölpreises. Um das zu wissen braucht man noch nicht mal habilitiert noch "ge-youtubed" zu sein. Oder darf es ein bisschen Keynes sein ? Prosit.
Jürgen Franke 20.01.17 22:26
Wer beabsichtigt, dieses Thema zu kommentieren,
empfehle ich dringend sich vorher bei den Prof. Sinn oder Prof. Flassbeck zu informieren, um sich nicht ganz zu blamieren, denn Stammtischparolen sind zu diesem Thema unangebracht..
Hermann Auer 20.01.17 16:29
Goldene Regel
Es wird immer noch nicht verstanden (oder der Zusammenhang der Bevölkerung vorenthalten), dass es eine "goldene Regel" für die Inflationsrate gibt:
Inflationsrate = Steigerung der Lohnkosten minus Steigerung der Produktivität.
Da Deutschland ein enormes wirtschaftliches Schwergewicht ist und außerdem fordert (und auch mehr oder weniger unverfroren durchzudrücken in der Lage ist), dass sich alle Länder so verhalten wie Deutschland (Mutti: "alle Länder müssen konkurrenzfähiger werden" - so ein Unsinn!), und mit Hilfe der Agenda 2010 in D die Lohnstückkosten von 50% auf 38% gedrückt wurden (Schröder, der auch noch stolz darauf ist!), ist die verlorengegangene Inflationsrate schon von da her nicht verwunderlich. Und die Inflation wird nicht zurückkehren, so lange auf die Löhne dermaßen gedrückt wird.
Die lockere Geldpolitik Draghis hat viel weniger Einfluss auf die Inflationsrate als die Lohnpolitik. Wer diesen Zusammenhang verstehen will, schaue sich doch mal bei Makroskop um (bitte danach googeln, da hier keine Links akzeptiert werden).