Die hübschen Töchter

Eine thailändische Frau zündet eine Räucherkerze vor dem Brahma-Schrein in Phuket, Laem Phrom Thep, an.
Eine thailändische Frau zündet eine Räucherkerze vor dem Brahma-Schrein in Phuket, Laem Phrom Thep, an.

Ein für den Farang wenig verständliches Problem ist die Tatsache, dass ein großer Teil des heutigen Lebensstandards der Familien auf dem Dorf durch die in den Barbetrieben der Touristenzentren arbeitenden Töchter mit Prostitution verdient wird. Wenn der Farang ein Mädchen, das in Pattaya oder Phuket an einer Bar arbeitet fragt, ob denn ihre Eltern im fernen Isaan wissen, womit sie ihr Geld verdient, wird sie in der Regel lügen und sagen, ihre Eltern dürften nichts davon wissen, sonst dürfe sie nicht mehr nach Hause kommen. Tatsächlich weiß aber die Familie und auch sonst jeder im Dorf sehr gut, woher das Geld stammt, das die Tochter regelmäßig nach Hause schickt.

Ich erlebe es bei uns im Dorf immer wieder, dass Frauen mit ihrer mehr oder weniger hübschen Tochter bei mir oder bei meiner Frau ankommen und fragen, ob wir das liebe Kind nicht an eine Bar in Pattaya oder Phuket vermitteln können. Und wenn ich das dann ablehne, weil mir das Kind leid tut und ich mich nicht auf meine alten Tage als Kuppler betätigen will, dann ist das Mädchen doch eines schönen Tages mit einer zu Besuch im Dorf weilenden Freundin nach Phuket oder Pattaya abgedampft. Obwohl ich die Verhältnisse hier seit vielen Jahren kenne, ist das ein Aspekt der thailändischen Mentalität, den man als Farang sehr schlecht nachvollziehen kann.

Man kommt der Antwort vielleicht näher, wenn man nicht nur den materiellen, sondern auch den kulturellen Hintergrund beleuchtet. Der materielle Hintergrund ist klar: Die allgemeine Armut auf dem Dorf und die Notwendigkeit, Bankzinsen zu zahlen sowie dringend benötigte Geräte für den Reisanbau anzuschaffen. Dabei dient das Geld aber keinesfalls immer der Linderung der bittersten Armut. Zumindest nach einiger Zeit wird nicht selten der Bruder des Mädchens mit einem nagelneuen Motorbike durchs Dorf brausen, wofür die kleine Schwester dann monatlich die Abzahlungsraten schicken kann. Mit dem Geld wird auch oft nicht zuerst das löcherige Dach der Hütte gedeckt, sondern zunächst ein großer Farbfernseher gekauft.

Der kulturelle Hintergrund ist für den Farang, der seine europäischen Moralvorstellungen auf Thailand überträgt, noch weniger zu verstehen. Sexuelles Vergnügen wird hier eher als Lebensfreude denn als Unmoral eingestuft. Dahinter steckt aber auch der typische Thai-Pragmatismus, den man auch bei Betrachtung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse immer wieder antrifft. Das Verkaufen des eigenen Körpers hat im Grunde nichts mit Gefühlen oder moralischem Selbstrespekt zu tun, sondern ist einfach eine materielle Transaktion. Es geht um Geld, und Geld verleiht Macht und Ansehen. Für Thais ist an der Prostitution solange nichts schlecht, solange sie Geld und damit finanzielle Kompensation für einen eventuellen Gesichtsverlust bringt. Ein Mädchen, das durch Verkauf des eigenen Körpers für ihre Eltern und Familie sorgt, ist ein "gutes Mädchen”. Hat sie genug Geld angesammelt, kann sie in ihr Dorf zurückkehren und dort als angesehenes Mitglied der Dorfgemeinschaft leben.

Diese Denkweise mag dem Europäer scheinheilig vorkommen, dem es schwer fällt zu akzeptieren, dass seine mitgebrachten Moralvorstellungen sich nicht immer mit denen der Thais decken. Die Einstellung aller Farang zum Sex, vor allem zum käuflichen Sex, ist durch zwei Jahrtausende Kirchengeschichte geprägt. Keiner kann sich ganz davon frei machen, auch wenn er schon lange aus der Kirche ausgetreten ist; das steckt sozusagen in den Genen. Die christlichen Kirchen, und noch heute die katholische Kirche, hielten Geschlechtsverkehr selbst zwischen Eheleuten immer dann für Sünde, wenn er nicht ausschließlich zum Zwecke der Nachwuchserzeugung erfolgte. Sex nur zur Befriedigung natürlicher menschlicher Bedürfnisse wurde grundsätzlich als verwerflich angesehen.

Die anderen großen Religionen haben eine andere Einstellung zum Sex. Die Mädchen aus dem Isaan, die der Farang an den Bars trifft, sind im buddhistischen Grunddenken erzogen worden. Dieses unterscheidet sich in der Beurteilung geschlechtlicher Beziehungen wesentlich von der Lehre der christlichen Kirche.

Buddha hatte genau wie Jesus nichts gegen den Geschlechtsverkehr, er ist schließlich nicht nur notwendig, um die Menschheit zu erhalten, sondern die Sexualität ist - man kann es bei Freud nachlesen - auch die wesentliche Antriebskraft in unserem Leben. Wenn Buddha den Mönchen den Verkehr mit Frauen untersagte, dann nicht etwa deswegen, weil er das für unmoralisch hielt, sondern weil er der Meinung war, dass eine Frau den Mann daran hindert, den Weg zur rechten Erkenntnis zu finden, auf den es ja nach seiner Lehre allein ankommt. Das ist ja wohl auch der Grund für das Zölibat, an dem die Katholische Kirche noch heute festhält. Man muss sich aber auch vor Augen halten, dass vor über 2000 Jahren, zur Zeit der großen Religionsstifter, das Wort Emanzipation unbekannt war und Frauen einen geringeren Status in der Gesellschaft hatten als Männer.

Hinzu kommt, dass Thais ganz allgemein einen wesentlich pragmatischeren Charakter haben als Farang. Die sich daraus ergebende Anpassung der Lehren Lord Buddhas an die Erfordernisse des täglichen Lebens, kommen dem Farang oft arg wunderlich vor. Wenn er beispielsweise sieht, wie die "käuflichen Mädchen”, bevor sie ihren Dienst an der Bar antreten, eine Räucherkerze vor dem Buddha-Bild in der Ecke des Lokals anzünden und mit gefalteten Händen ein kurzes Gebet verrichten, dann kann der Farang nur mit dem Kopf schütteln. Wenn die Barmädchen einmal in der Woche ins Kloster gehen, um dort zu opfern, werden die Jünger Buddhas im gelben Gewand die Opfer der Mädchen gerne annehmen und sie mit geweihtem Wasser besprengen, keiner wird aber den Versuch machen, die Mädchen zu ermahnen, von ihrem unmoralischen Tun abzulassen.

Auf keinen Fall aber sollte der Farang den Fehler begehen zu meinen, dass das Verhalten der an den Bars arbeitenden Mädchen thai-typischen Verhaltensformen entspricht. Sie sind entstanden aus dem täglichen Umgang mit sich meist auch nicht gerade westlichen Anstandsregeln entsprechend benehmenden Touristen. Die Mädchen legen hier für ihr Verhalten den Farang gegenüber andere Verhaltensmaßstäbe an, als sie in ihrem bisherigen Leben gewohnt waren. Sie fühlen sich in eine Welt versetzt, in der völlig andere Verhaltensnormen gelten, versuchen, sich so gut wie möglich anzupassen und dabei natürlich den meisten Gewinn daraus zu schlagen.

Der Farang, der sich hier in ein hübsches Barmädchen verguckt und ein paar Wochen, vielleicht auch länger mit ihm zusammenlebt, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Isaan-Lady zu tun haben. Falls sich das Verhältnis nur darauf beschränkt, ein paar schöne Stunden oder auch Tage miteinander zu verleben und man danach ohne große Gefühle auseinandergeht, so ist die Sache damit zu Ende. Der Mann fliegt wieder zu Frau und Kindern nach Deutschland zurück, das Mädchen hockt sich wieder an die Bar und hofft, bald einen neuen Farang einzufangen. Falls der Farang sich aber - was nun häufig genug vorkommt - in das mandeläugige und anschmiegsame Wesen mit der zarten, dunklen Haut wirklich verliebt und auf Dauer mit ihr zusammensein möchte, dann gibt es eine Menge Probleme. Zwar sind sie nicht unlösbar - es gibt eine ganze Reihe Farang, die an der Bar eine gute Frau gefunden haben - sie verlangen aber auf beiden Seiten, vor allem aber vom Mann, Toleranz und Verständnis für die sich aus dem unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Background der beiden Partner ergebenden Verhaltensweisen.

Falls er also mit dem Mädchen wirklich auf Dauer zusammenleben bzw. sie heiraten will, so sind, damit eine thai-deutsche Lebensgemeinschaft tatsächlich funktioniert, vor allem Toleranz und die Bereitschaft von beiden Seiten erforderlich, die völlig verschiedenen Lebensauffassungen des Partners wenn schon nicht zu verstehen, dann doch zumindest zu tolerieren. Das gilt in erster Linie für den Farang-Mann, von dem in der Regel mehr Lebenserfahrung erwartet werden kann als von einem jungen Isaan-Mädchen vom Lande.

Der Mann muss verstehen, dass er seine Gefährtin aus der Wärme ihres Familien- und Freundeskreises (der für die Menschen aus dem Isaan viel mehr bedeutet als für Deutsche) herausgerissen und in eine Welt verpflanzt hat, die dem Mädchen nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich als kalt vorkommen muss. Wenn er nicht versteht, dem Mädchen nicht nur Bettwärme, sondern die Herzenswärme zu geben, die sie in Deutschland vermisst, und wenn er nicht bereit ist, ihr Denken und Handeln, vom Geisterglauben bis zu der Notwendigkeit, die Eltern im Isaan zu unterstützen zu akzeptieren, sondern stattdessen ständig an ihr herumkritisiert und versucht, sie auf "deutsch” zu trimmen, dann hat die Verbindung keine Chance.

Jeder ist seines Glückes Schmied, aber wer glaubt, nur durch seine intelligente Wahl und durch seine gereifte und überlegene Persönlichkeit aus einer Ente einen Schwan machen zu können, der wird eines Tages zwangsläufig erkennen müssen, dass er mit Zitronen gehandelt hat. Es ist und bleibt eine Lotterie. Die paar Wochen gemeinsamer Liebestraum in Pattaya oder Phuket reichen nicht aus, um die Psyche einer Thai-Frau auch nur annähernd zu verstehen, und bestimmt nicht, um einschätzen zu können, ob die Auserwählte nun eine nach deutschen Verhältnissen akzeptable Hausfrau ist, oder ob man eine Niete gezogen hat. Gefühle sind eine schöne Sache, aber ein Westler versteht darunter etwas völlig anderes als eine Thai. Bei jener sind sie – auch wenn es nicht offensiv vorgetragen wird – ziemlich fest an materielle Begleiterscheinungen gebunden.

Für den Farang, der sich eine Thai-Lebensgefährtin eingefangen hat, gibt es nur 2 Möglichkeiten: Entweder er bescheidet sich mit dem, was er bekommen hat, mit allen guten und schlechten Eigenschaften (wobei keineswegs feststeht, dass alles, was uns an Thaifrauen missfällt, objektiv schlecht ist), und versucht, ohne ständige Reibereien damit zurecht zu kommen. Oder aber er gibt auf, schreibt alle Investitionen, finanzielle wie gefühlsmäßige, ab und reiht sich in den Kreis derer ein, für die der Traum von einem exotischen Schatz kein Traum sondern ein Alptraum war.

Günther Ruffert

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