Volkswagen und die Welt haben einen neuen Skandal, seit der Wolfsburger Konzern einräumen musste, im großen Stil mit Hilfe einer speziell dafür entwickelten Software in den vereinigten Staaten von Amerika die Abgaswerte seiner Dieselfahrzeuge manipuliert zu haben. Die Autobauer erschwindelten sich auf diese Weise den Zugang zum lukrativen US-Markt, da die betreffenden Fahrzeuge den strengen Auflagen der USA zwar im Test- und Laborbetrieb genügten, jedoch nicht auf der Straße. Zusätzlich wurden die Mogelergebnisse noch beworben, um sowohl aus juristischer als auch aus Marketingsicht die maximale Fallhöhe zu erreichen.
Auf den allerersten Blick fällt es manchen Beobachtern schwer, die Dimension des Problems zu erkennen. Die einen meinen lapidar, Angaben von Herstellern zu Abgas- oder Verbrauchswerten hätten doch noch nie gestimmt (was wahrscheinlich eine akkurate Beobachtung ist), andere empfehlen, das Thema nicht so hoch zu hängen, da gerade die USA zusammen mit China schließlich die größten Umweltsünder seien. So leicht sollte man es sich freilich nicht machen. Betrug ist Betrug und kann nicht akzeptiert werden. Aus deutscher Perspektive sollte aber zuerst die Frage gestellt werden, ob es weiter Sinn macht, die entsprechenden Kontrollen der Fahrzeuge von den Herstellern selbst ausführen zu lassen, wie das gegenwärtig der Fall ist. Das Kraftfahrtbundesamt jedenfalls, das eigentlich über die Einhaltung der Regeln wachen sollte, macht jedenfalls keine gute Figur. Es wirkt wie ein willfähriger Handlanger der Industrie und nicht wie eine ernstzunehmende Aufsichtsbehörde wie die amerikanische Epa, die den Skandal aufgedeckt hat. Sei es drum, für VW winken allein in den USA 18 Milliarden Dollar Strafe und ein beträchtlicher Imageverlust.
Skandalaufdeckung oder Spionage?
Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt, aber es fällt schon auf, dass der Skandal exakt zu Beginn der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) sowie der Präsentation des neuen Passats in den USA aufgedeckt wurde. Außerdem: Kann man wirklich davon ausgehen, dass vertrauliche Erkenntnisse der US-Ermittler nicht doch irgendwie ihren Weg zur amerikanischen Konkurrenz finden. Dies umso mehr, da mehrere offizielle Vertreter der USA im Rahmen der Aufarbeitung des NSA-Skandals eingeräumt haben, Wirtschaftsspionage sei die natürlichste Sache der Welt und im Kern auch nicht zu beanstanden.
Wenn man die letzten 15 Jahre Revue passieren lässt, durften jedenfalls schon einige deutsche DAX Unternehmen Erfahrungen mit den Aufsehern in den USA machen. Siemens hat sich – letztendlich auf Druck der USA – nach einem Korruptionsskandal Ethikrichtlinien gegeben und die Konzernstrukturen geändert. Der Einfluss der USA ist auch deshalb so groß, da sich dort im Gegensatz zu Deutschland auch Firmen strafbar machen können. Auch Daimler hat sein Chrysler Abenteuer in den USA mit einer Schmiergeldaffäre gekrönt, die den Schwaben einen üppigen dreistelligen Millionenbetrag an Vergleichszahlungen gekostet hat. Die ersten in diesem Jahrhundert, die einschlägige Erfahrungen machen durften, waren die Manager von Bayer. Im Jahre 2001 musste der Chemie- und Pharmakonzern in den USA Blutfettsenker vom Markt nehmen und geriet daraufhin in Existenznot.
Die Liste der Beispiele lässt sich noch weiter fortsetzen: Auch der Bundesrat der schönen Schweiz machte keinen souveränen Eindruck, nachdem nach einigen hilflosen Abwehrversuchen das Bankgeheimnis de facto aufgegeben wurde. Zum Schluss, ganz aktuell, sei noch auf die Probleme des Weltfußballverbandes Fifa hingewiesen, hinter dessen Funktionären die New Yorker Staatsanwaltschaft wegen Korruptionsverdachts her ist.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Kriminelles Verhalten soll weder beschönigt noch gefördert werden. Auch die herrschende Meinung in den USA, die eigenen Interessen an die erste Stelle zu setzen, ist – auch wenn man sie vielleicht nicht teilt – zumindest nachvollziehbar. Was ist aber mit unseren europäischen Politikern und Aufsehern? Manchmal gewinnt man den Eindruck, es fehle am unbedingten Willen, die Regeln und die Politik im eigenen Hoheitsgebiet selbst zu gestalten.
Über den Autor Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden. Feedback erwünscht! Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:E-Mail: cr@cr-management-consulting.com Webseite: www.cr-management-consulting.com Telefon: +66 32 512 253 |
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