Die Aufgaben des Staates

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com

Bei meinem letzten Besuch in München ist mir das Buch „13 Bankers“ von James Kwak und Simon Johnson aus dem Jahre 2010 in die Hände gefallen. Letzter war unter anderem Chef-Volkswirt des IMF (International Monetary Fund) und ist renommierter Wirtschaftsprofessor. Der Titel des Buches spielt auf eine Einladung des Weißen Hauses im März 2009 an, als Präsident Obama die Chefs der 13 größten US-Banken zu sich bat.

Bei General Motors und Chrysler in der Automobilindustrie war die Teilverstaatlichung der Unternehmen, als diese tief in der Krise steckten, kein Thema. Ohne zu zögern hat die Regierung das Notwendige getan und alle notwendigen Maßnahmen in die Wege geleitet. Anders bei der Finanzindustrie: Wer gehofft hatte, die Regierung würde nun auch die großen Banken übernehmen, das Management feuern, die Kapitaleigner bluten lassen, den finanziellen Giftmüll entsorgen und kleinere, dafür gesunde Banken an den Start schicken, wurde bitter enttäuscht. Außer einer kleinen Finanzreform passierte nichts. Heute sind diese Banken noch größer und mächtiger als vor der Finanzkrise und bieten im Wesentlichen die gleichen Produkte an wie früher. Eine Riesenchance wurde aus der Perspektive von Normalbürgern und Steuerzahlern verpasst.

Häftlinge als Billigkräfte

In anderen Bereichen gibt es im Westen breite Tendenzen zur Privatisierung staatlicher Aufgaben. Am erstaunlichs­ten ist die Privatisierung von Gefängnissen in den USA. Der Strafvollzug ist eine staatliche Kernaufgabe, da er eng mit dem Gewaltmonopol des Staates verknüpft ist. Grundsätzlich muss bereits die Frage gestellt werden, ob diese Aufgabe überhaupt delegierbar ist. Davon abgesehen wird es richtig spannend, wenn man sich vorstellt, dass private Firmen, die diese Gefängnisse betreiben, auch berechtigt sind, die Arbeitskraft der Häftlinge zu vermarkten ohne diese zu vergüten (Taschengeld außen vor). Leser, die Details bestaunen möchten, können sich beispielsweise auf der Webseite www.cca.com schlau machen. Es handelt sich um den fünftgrößten Anbieter von Gefängnisdienstleistungen in den USA. Vorsicht bei den Angeboten zu „Besuchsplanung“.

In Deutschland wurden in letzter Zeit bereits Bahn und Telekom privatisiert, andere Bereiche wie Straßen, Schulen oder die Wasserversorgung sind in der Diskussion. Es scheint – wie so oft – als würden die langfristigen Auswirkungen derartiger Entscheidungen nicht Gegenstand der öffentlichen Diskussion sein. Bedauerlicherweise wird völlig übersehen, dass zumindest für Deutschland damit auch an den Grundfesten der sozialen Marktwirtschaft gerüttelt wird. Jahrzehntelang ist die BRD hervorragend damit gefahren, die Kernaufgaben des Staates auch dort zu belassen. Es ist mehr als fraglich, ob Veränderungen nach US-Vorbild im Interesse europäischer Bürger sind.

Zweifellos ist der private Sektor auf dem Vormarsch. In den Medien und insbesondere im Fernseh- und Hörfunkbereich tummeln sich seit Jahrzehnten private und öffentlich rechtliche Anbieter gemeinsam mit zum Teil skurrilen Ergebnissen: In Deutschland werden für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Gebühren erhoben. Private Anbieter haben jedoch auf dem Klageweg erreicht, dass öffentlich-rechtliche Anbieter ihre Sendungen (welche die Allgemeinheit bereits bezahlt hat) nicht unbegrenzt ins Netz stellen dürfen. Nur ein kleines Beispiel, allerdings eine typische Begleiterscheinung von Privatisierung: Leistungen werden teurer und schwerer zugänglich.

Diese Gedanken sind nicht reaktionär zu verstehen. Klar ist, dass sich der Staat auch an gesellschaftspolitischen Veränderungen zu orientieren hat. Neue Aufgaben entstehen, andere werden abgegeben. Das gilt auch für staatliche Institutionen. So überlegt beispielsweise der Schweizer Bundesrat , Paare mit und ohne Trauschein praktisch gleichzustellen. Dies ist ein besonders deutliches Beispiel für den raschen Wandel gesellschaftlicher Normen, wenn man bedenkt, dass in Teilen des Landes bis vor zwanzig Jahren noch ein Konkubinatsverbot galt.

Im Ergebnis sollten sich die Bürger eines Landes zunächst klar darüber werden, was sie von ihrem Staat erwarten (dies wird in Österreich wahrscheinlich etwas anderes sein als in den Vereinigten Staaten oder Thailand). Eins ist aber sicher: Mit jeder Privatisierung staatlicher Aufgaben wird der Handlungsspielraum von Politik kleiner.

Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

Feedback erwünscht!

Kontaktdaten von Rechtsanwalt Rasp:

E-Mail: cr@cr-management-consulting.com

Webseite: www.cr-management-consulting.com

Telefon: +66 32 512 253

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.