Deutsche Exklave will «Steuerfreiheit»

Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Foto: epa/Hayoung Jeon
Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Foto: epa/Hayoung Jeon

BERLIN/BÜSINGEN (dpa) - Es ist eine deutsche Insel in der Schweiz - die Exklave Büsingen fürchtet die massive Abwanderung ihrer Bürger, wenn sie weiter die höheren deutschen Steuern von den Einwohnern eintreiben muss. Das Bundesfinanzministerium kontert: Es gibt bereits eine «Lex Büsingen».

Die einzige deutsche Exklave, der in der Schweiz liegende Ort Büsingen, fordert von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einen Verzicht auf die Steuergelder der Gemeinde. «Die Bundesrepublik weigert sich bisher, darüber nachzudenken», sagte Bürgermeister Markus Möll der Deutschen Presse-Agentur. Immer mehr der noch 1.350 Einwohner würden in die umliegende Schweiz abwandern, da dort nur die Hälfte der Steuern gezahlt werden müsse, sagte er.

Gerade die deutsche Einkommensteuer sei ein enormer Nachtteil, der Altersschnitt in Büsingen liege schon bei 56 Jahren. «Bisher sind unsere Argumente in Berlin verpufft», kritisierte Möll. «Wir hoffen jetzt mit Olaf Scholz auf eine Lösung.» Konkret gehe es um eine Umstellung auf eine Quellenstaatsbesteuerung - das bedeutet einfach ausgedrückt, dass man sich in dem Fall dem Schweizer Steuersystem unterordnet, mit den entsprechend niedrigeren Sätzen.

Das Finanzministerium in Berlin erklärte, zum Lastenausgleich sei der Steuerfreibetrag für Büsinger Bürger bereits immer wieder angehoben worden, zuletzt 2015. Weitere Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung würden «zunächst nicht ergriffen» - zu prüfen sei aber ab 2020 eine weitere Erhöhung des Freibetrags. Als wohl einzige deutsche Gemeinde verzichtet Büsingen bereits auf die Erhebung der Grundsteuer auf Grundstücke und Immobilien, um die Abwanderung zu bremsen.

Büsingen gehörte mal zu Österreich, dann zu Baden. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb es deutsch, da man sich mit der Schweiz nicht einigen konnte. Politisch gehört Büsingen zum Landkreis Konstanz. Die Gemeinde ist vollständig von der Schweiz umschlossen. Die besonderen Beziehungen wurden 1964 in einem Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland geregelt.

Der Ort ist dem Schweizer Wirtschafts- und Währungsgebiet angeschlossen, aber es gilt deutsches Hoheitsgebiet - geregelt ist im Vertrag unter anderem auch, dass deutsche Polizisten auf dem Weg nach Büsingen ihre deutsche Dienstkleidung und Waffen tragen dürfen. Bei Einkäufen oder beim Tanken gilt die Schweizer Mehrwertsteuer, weshalb Büsingen das billigste Benzin in Deutschland anbieten kann.

Möll setzt darauf, dass die lange Hand des deutschen Fiskus nicht weiter zugreift und die Exklave komplett nach den Steuersätzen der Schweiz besteuert werden kann. Denn hinzu kommt, dass Wirtschaft und das Leben der Gemeinde von den schweizerischen Kaufkraftverhältnissen beherrscht werden - mit der Folge, dass die Lebenshaltungskosten für die Bürger dort erheblich höher sind. Um aber das Steuersystem zu ändern, müsste zunächst einmal der Staatsvertrag geändert werden.

Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erklärte, auf der Basis des 1964 abgeschlossenen Staatsvertrags sei eine «deutsch-schweizerische Kommission für die Gemeinde Büsingen am Hochrhein» eingerichtet worden. Bereits im Februar 2013 sei eine Bitte ausgesprochen worden, eine Quellenstaatsbesteuerung und die Anhebung des «Büsinger Freibetrags» zu prüfen. Danach sei der Freibetrag um 50 Prozent zum 1. Januar 2015 angehoben worden.

In der 15. Sitzung der Kommission sei am 28. April 2017 zwischen den Vertretern des Bundesfinanzministeriums und des Ministeriums für Finanzen des Landes Baden-Württemberg mit den Vertretern Büsingens persönlich erörtert worden, dass weitere Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung der Büsinger Bürger zunächst nicht ergriffen werden.

«Im Falle einer Ausnahmeregelung für Büsinger Grenzgänger wäre mit entsprechenden Forderungen von Grenzgängern aus anderen deutschen Grenzgemeinden zu rechnen, die sich in gleicher oder einer sogar ungünstigeren wirtschaftlichen Lage befinden», betonte der Sprecher. Das Bundesfinanzministerium habe aber eine Überprüfung der Höhe des «Büsinger Freibetrags» im Jahr 2020 in Aussicht gestellt, «um die Angemessenheit der Regelung langfristig sicherzustellen».

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